Kapitel 107

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Ich dachte oft über diesen Brief nach. Diesen Brief, den ich an Sarah's Geburtstag auf meinem Bett in meiner ehemaligen Wohnung hab liegen lassen. Mir war von Anfang an klar, seitdem Josh mich in England zu einer Entscheidung gezwungen hatte, dass ich mir einen Notfall Plan ausdenken musste. Zumindest für meine Familie und vor allem für Sarah. Ich durfte sie nicht da mit reinziehen, falls alles schief laufen würde und ich untertauchen musste. Für Sarah war das alles viel zu riskant und... sie auf irgendeiner Weise in Gefahr zu bringen, war das letzte, was ich wollte. Ich weiß, dann hätte ich gar nicht mit ihr zusammen kommen sollen,... aber es war das beste, was mir in meinem restlichen erbärmlich Leben passieren würde. Ich wollte sie einfach beschützen...
Also schrieb ich einen kleinen Brief und hinterließ ihr auf einem privaten Konto 10 Millionen Dollar. Sie wollte schon immer Jura studieren und bekanntlich waren hochwertige Studienplätze an renommierten Universitäten nicht gerade die billigsten. Da käme sie zwar auch locker mit nur einer Million durch, aber ich dachte auch an Luke und Jane. Die drei würden sich mit Sicherheit nicht trennen wollen und... ich wollte nur sicher gehen, dass sie selbst nach dem Studium sich alle möglichen Träume erfüllen konnten. Zehn Millionen Dollar waren da durchaus eine große Hilfe...
Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet zu sterben... zumindest offiziell. Ich war froh mich wenigstens so etwas von ihr verabschiedet zu haben und hoffte ihr damit vielleicht auch etwas helfen zu können. Die Frage stellte ich mir oft, wie stark Sarah überhaupt um mich trauerte... es sind mehr als drei Monate vergangen und über eine einfache Jugendliebe war man doch relativ schnell hinweg, oder? ... nur warum war ich es noch nicht?! Ich vermisste sie immer noch so stark wie am ersten Tag... ich liebte sie immer noch so sehr wie seit unserem ersten Treffen... ich wollte einfach nur bei ihr sein,... ich wollte es so so sehr...
Aber ich konnte nicht.
Ich war offiziell Tod... Josh tat mehr niemanden, den ich liebte, etwas und alle anderen hatten inzwischen gelernt mit meiner Abwesenheit klar zu kommen. Ich würde mit meinem plötzlichen Auftauchen nur alles erschweren und wahrscheinlich wahnsinnig verschlimmern. Es war besser so... für jeden.
Also suchte ich mir irgendwann einen Job und versuchte ein stabiles Leben in England aufzubauen. Ich trug Kontaktlinsen, stechend blaue ersetzten meine sonst warmen braunen Augen und meine Haare schnitt ich auch etwas kürzer. Ich trug sogar einen Weile lang eine Brille noch dazu und verhielt mich so unauffällig wie nur möglich. Kurz gesagt, es funktionierte und alle hielten mich für ein einfaches junges Mädchen, das als Bedienung in einem Restaurant arbeitete. Es tat gut etwas zu tun und nebenbei sein eigenes Geld zu verdienen... ich verwöhnte Dorothea bis zum geht nicht mehr, auch wenn sie mich jedesmal aufs neue darum bat das alles nicht so teuer zu gestellten... aber sie war jetzt meine Familie. Die einzige, die ich noch hatte und ich wollte ihr zeigen, wie verdammt dankbar ich ihr für alles war.
Im fünften Monat traf ich dann in einem Club zwei Brüder namens Brian und Ryan. Zwei lustige junge Männer, die meinen selben Humor teilten und wir uns sehr schnell sehr gut verstanden. Nicht lange und ich arbeitete für die beiden als Türsteherin in ihrem neu eröffneten Club und bekam zwei neue Mitglieder in meiner kleinen Familie dazu. Ich konnte mich wirklich nicht beschweren... es war ein angenehmes, ruhiges und angstfreies Leben,... nur ließ dieses Gefühl mich nicht los, dass mich Sarah eventuell doch an ihrer Seite brauchte. Sie war zwar stark,... aber doch so zierlich. Ich wollte sie nicht alleine lassen,... ich wollte ihr nicht so weh tun... aber ich hatte keine Wahl. Ich musste sie gehen lassen... sie hatte ein besseres Leben verdient und das ging nun mal nur, wenn ich aus ihrem verschwand.
Es war in einer kühlen Nacht, in der ich durch die Straßen Londons lief und mir meine Beine etwas vertrat. Ich konnte nicht schlafen,... Sarahs wunderschöne Gesicht hielt mich wach und machte alleine im Bett liegend einfach wahnsinnig. Ich wollte nicht sehnlicheres als zu ihr zurückzukehren und endlich wieder bei ihr zu sein. Wenn eine andere Person dein Herz gehörte,... dann will man nirgendwo anders mehr hin. Es war grauenvoll sie so weit weg zu haben,... zu wissen, dass sie glaubte, ich wäre tot...
Wie gesagt, war es in dieser Nacht, in der ich meinen Weg zurück in die Hölle fand.
Ich hatte so geglaubt all dem entflohen zu sein, endlich in Ruhe zu leben, ohne Angst, ohne physischen Schmerz, ohne diese ständige Panik... aber England war anscheinend nicht weit genug weg von Amerika. In dieser Nacht, als ich mich in ein kleines Café setzte und ein Buch las.... da kam Josh zurück in mein Leben.
Er war für kurze Zeit überrascht, dass ich wirklich noch am Leben war, aber es dauerte nicht lange, bis er wusste, was für eine Macht er über mich ab diesem Moment hatte. Ich war ihm komplett ausgeliefert und war aufs neue dazu gezwungen ihm bei allem zu gehorchen.
Wie sollte ich mit 17 wissen, dass ein Kerl mir schlimmeres als eine Vergewaltigung antun konnte? Wie?
Josh hatte mir mein komplettes Leben genommen, er hatte nicht gezögert mir alles zu entreißen und mich in ein hoffnungsloses, farbloses Loch zu schmeißen, das mich endgültig zerstörte. Niemand konnte mir helfen, weder Dorothea, Brian oder Ryan, noch meine Hoffnung.
Dorothea wusste von allem Bescheid, ich hatte ihr erzählt, dass er zurück war und ich nichts machen konnte, aber erzählte ihr nicht mehr. Sie flehte mich an endlich zur Polizei zu gehen und Hilfe zu holen,... aber ich tat es nicht. Aus dem einfachen Grund, dass er meine Familie weh tun könnte... und das wollte ich nicht riskieren, nicht nachdem ich sie alle davor beschützt habe.
Es verlief anders als zuvor. Josh meldete sich regelmäßiger und machte mir immer wieder aufs neue klar, dass ich nur ihm gehörte. Er holte mich ab, wann immer er wollte und machte das mit mir, was immer er gerade wollte. Ich ertrug es Abend für Abend, aber keine Nacht verging an der ich nicht angeekelt über die Toilettenschüssel hing und mich vor mir selbst ekelte. Egal wie oft ich duschte, oder wie lange ich ein Bad nahm... ich fühlte mich so schmutzig und so widerlich, dass ich mich nicht mehr aus dem Haus traute. Dorothea zerbrach fast daran, aber sie versuchte es nicht zu zeigen. Sie wusste, sie konnte mir nicht anders helfen, als einfach bei mir zu sein, wann immer ich Gesellschaft brauchte. Ich hielt mir immer und immer wieder vor Augen, warum ich das alles hier mit mir machen ließ. Warum ich nicht schon längst aufgegeben hatte. Ich vergaß nichts... und das bemerkte auch Josh. Er hatte Angst, dass ich irgendwann versuchen würde mich zu rächen, oder zurück zu meiner Familie zu kommen, oder mich gegen ihn zu Wehr zu setzte. Er wollte jeden und alles aus meinem Leben nehmen,... jedes noch so kleine Anzeichen, dass ich nicht nur ihn gehörte... und suchte deshalb etwas auf, was ein Mitgrund für dieses kleine Buch war.
Ich konnte seine rauen Finger noch an meinem Gesicht entlang streichelnd spüren, wie er mich zwang ihn in seine Augen zu sehen und er dann immer und immer wieder diesen einen Satz wiederholte: Bald,... Bald wirst du alles hinter dich lassen, als wäre nie was geschehen,..." dann beugte er sich vor und flüsterte amüsiert in meinem Ohr: „... Du wirst Rose mögen."
Es war für mich persönlich das schlimmste, was er mir hätte antun können.

New Lovers 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt