Kapitel 64

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„Was zog dich nach London?" Fragte ich und sie sah sah aus dem Fenster, während sie überlegte.

Wir waren schon lange fertig mit essen gewesen und nachdem Rose alles aufgeräumt hatte, mir nicht einmal erlaubte mitzuhelfen, saßen wir seit zwei Stunden auf der Couch und unterhielten uns, während nebenbei leise der Fernseher lief. Heute war alles etwas anders. Rose war etwas lockerer, sie redete auch mehr und ich hatte sie sogar einmal zum Lachen gebracht. Kein ganzes komplettes Lachen, aber mehr als nur ein Lächeln...

„Ich schätze, ich ließ mich damals einfach von meinem Schicksal hierher bringen..." Zuckte sie mit den Schultern und sah mich wieder an mit diesen eiskalten Augen.

„Was ist mit dir? Bist du nur wegen dem Studium hier?"

Ich hatte gebetet, dass ich diese Frage nie gestellt bekommen würde.
Sie sah, wie sich mein Gesicht ins traurige veränderte. Wie ich für kürzere Zeit in meinem Gedanken versunken war und gegen meine Tränen ankämpfte. Wie sollte ich es erklären? Wie sollte ich Rose erklären, dass ich ein innerliches Wrack bin?

Ich brauchte aber nichts zu sagen. Rose rutschte näher an mir ran, zog mich an sich und umschlang mit ihren starken Armen meinen so zerbrechlichen Körper. Ich hielt sie fest, als wäre sie das einzige, dass mich vom fallen bewahrte. Sina war noch nach all den Jahren ein sehr empfindliches Thema und wird es wahrscheinlich immer so bleiben. Seit mehr als fünf Jahren fehlte mir die andere Hälfte meines Herzens und wird für immer verloren bleiben...

„Es tut mir Leid,... Ich hätte nicht..." Setzte sie nach einer Weile an, aber ich unterbrach sie: „Ist schon okay." Es war eine Weile still, aber ich lag immer noch in ihren Armen und wollte genau dort für immer bleiben. In Sicherheit.

„Wusstest du, dass Elefanten die einzigen Tiere auf der Welt sind, die nicht springen können?" Meinte sie nach einer Weile. Ich konnte nicht anders und lachte etwas. Sie wollte mich ablenken und erzählte mir dann sowas? Erstaunlicherweise half es aber.

„Lachen steht dir viel besser." Flüsterte sie, aber dennoch laut genug, dass ich es verstehen konnte.

Ich verstand sie nicht. Ich versuchte es so hart, aber ich schaffte es einfach nicht.

„Warum?" Fragte ich schlussendlich, „Warum bist du so zu mir, wenn du mich davor nie ausstehen konntest?" Diese Frage brannte schon seit Ewigkeiten in meinem Kopf und verlangte nach einer Antwort...

Sie seufzte leicht, aber nach längerem Schweigen, brach sie es dann: „Ich hatte es nicht verstanden, ich tue es immer noch nicht.." gab sie ehrlich zu, „Ich habe nie nach Freunden, oder sonstiges gesucht. Die Menschen die an mir vorbeiliefen, die versuchten mit mir sich anzufreunden oder mich doch für was ganz anderes haben wollten, haben mich nie interessiert." Sie kaute auf ihre Unterlippe herum und hatte ihren Blick schon längst weg gewandt. Ich nicht, ich behielt meine Augen direkt auf sie gerichtet, jede kleinste Bewegung beobachtend.

„Alle haben nach dem ersten Versuch entschieden, dass es auch der letzte gewesen war. Ich hatte alle weggescheucht und mir war es relativ gleich." Sie schwieg kurz, „Nur du hast dich nicht wie alle anderen verhalten. Du hast dich nicht verscheuchen lassen und hast dich nie direkt von mir fern gehalten. Du hast mir deine Meinung gesagt und warst trotz allem doch nett zu mir... Ich verstehe es einfach nicht."

Das alles was sie am Anfang abgezogen hatte, war ein reiner Schutzmechanismus gewesen. Demnach musste sie in der Vergangenheit schon einiges erlebt haben, was sie dazu gebracht hat, so eine Mauer um sich zu bauen.

„Rose, ich bin nicht hier um dir weh zu tun." Ich nahm mit meinen Fingern ihr Kinn und drehte ihren Kopf wieder zu mir, „Ich könnte die nie weh tun."

Wir sahen uns an. Meine zwei Finger hielten immer noch ihr Kinn und ihre stechend blauen Augen durchbohrten meine. Keiner von uns beiden schaute weg, keiner von uns bewegte sich weg, es war so als wenn die Zeit stehen bleiben würde und die Sekunden wie Stunden vergehen würden. Ich hörte nichts, außer meinen lauten Herzschlag, der immer und immer schneller wurde.

Ich konnte nicht anders.

Ich wollte nicht anders.

Langsam lehnte ich mich immer weiter vor, näherte mich ihr Zentimeter pro Zentimeter und wandte meine Augen nicht einmal von ihren ab. Sie bewegte sich nicht weg, aber auch nicht zu mir vor. Sie blieb einfach in der Position verharren, in der sie gerade war.

Ich hielt inne, als ich nur wenige Millimeter von ihr entfernt war. War es das richtige? Sollte ich sie wirklich küssen? Wollte sie das überhaupt so wie ich? ...

Ich wusste, ich würde es nie erfahren, wenn ich es nicht probierte... Aber die Angst das falsche zu tun blieb mir immer vor Augen.

Ich konnte trotzdem nicht anders, mein Körper übernahm die Oberhand und ließ meinen Kopf kein Mitspracherecht mehr.

Der Moment in dem meine ihre sanften Lippen berührten, war etwas völlig anders, als mit Maria. Alles in mir wollte um nichts auf der Welt mehr etwas anderes spüren. Mein Körper reagierte förmlich auf diese Berührung, wurde heiß und kalt im selben Augenblick  und ließ mich alles andere völlig vergessen. Ich wollte mehr, Gott, ich wollte alles was mit ihr zu tun hatte und jede Sekunde die verstrich, verging zu schnell.

Aber es war schneller vorbei als mir lieb war.

Rose hatte mich nicht zurück geküsst. Sie war wie versteinert gewesen für die wenigen Sekunden und löste sich relativ schnell wieder von mir. Wie entgeistert starrte sie mich an und langsam verstand ich es. Rose hatte das nicht gewollt.

Sie stand mit wässrigen Augen auf und schüttelte durchgehend den Kopf: „Nein... Nein, nein, nein..." Flüsterte sie immer wieder vor sich hin und fuhr sich verzweifelt durchs Haar.

Gott, was hatte ich nur getan?!

New Lovers 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt