Kapitel 43

1.2K 80 5
                                    

Ich wachte auf. Keine Ahnung, wie viel Uhr es war, aber es war noch immer ziemlich dunkel. Ich hörte den Wind am Haus vorbei Wehen und die Blätter der Bäume leise rascheln. Der Mond war fast komplett von Wolken bedeckt und sah so klein aus, dass man ihn leicht übersehen konnte.

Müde griff ich nach meinem Handy und sah auf dem Display ein 3:12 Uhr aufleuchten. Es war nichts Neues für mich, dass ich nachts aufwachte. Ich fühlte mich immer so einsam im Bett und es ist einfach so kalt ohne jemanden... ohne Sina, dass ich manchmal sogar weinend aufwachte und eher verzweifelt die leere Bettseite neben mir abtastete, auf der Suche nach den einen Körper, der mich wärmen und so viel mehr geben konnte. Aber es war immer leer. Kalt und leer.

Seufzend stand ich auf und rieb mir die Augen. Vielleicht half ein Schluck Wasser mich von den Gedanken an Sina wegzubringen. Meine Augen hatten sich relativ schnell an die Dunkelheit gewöhnt und so konnte ich ohne Licht zur Treppe finden. Mir war klar, dass Rose wahrscheinlich schlafen würde und ich leise sein musste, ich wollte sie nicht wecken und außerdem hatte ich schon ein Lächeln auf den Lippen an den Gedanken Rose schlafen zu sehen...

Auf Zehnspitzen nahm ich eine Stufe nach der anderen und war froh, dass hier nichts aus altem Holz bestand, dass bei jedem Schritt anfing zu knacksen. Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, stand ich auf der letzten Stufe und spähte schon nach einer schlafenden Rose... aber die Couch war leer. Oder erkannte ich sie nur nicht?

Schleichend näherte ich mich der Couch, aber das einziges was dort war, war eine Decke und ein Kissen. Wo war sie? Oben konnte sie nicht sein, die Badezimmer Tür stand offen und im Schlafzimmer war nur ich gewesen. Also musste sie irgendwo hier unten sein oder draußen, aber da war sie mit Sicherheit nicht.

Das gute war, dass die Räume alle offen miteinander verbunden war, daher musste ich mich nur umdrehen und entdeckte sie auch. Was machte sie bitte um diese Uhrzeit noch wach? Sie saß am Esstisch mit einer eher schwach leuchtenden Lampe neben sich stehen, schrieb sie etwas in einem... Buch? Es war dünner als ein normales Buch, aber genauso groß. Es konnte eine Art Notizbuch sein in der Größe eines Buches. Oder sie schrieb eine Geschichte,...

Nur war da was, was ein ‚normaler' Autor während dem Schreiben nicht sein würde. Nervös. Leicht zittrig. Angespannt.

Dann legte sie ihr Stift weg und seufzte, bevor sie ihre Gesicht in ihren Händen vergrub. Sie weinte nicht. Sie gab keinen Ton von sich. Sondern starrte nur auf das offene Buch. So ungern ich auch wollte, konnte ich nicht zu ihr hin gehen. Sie brauchte Ihre Zeit alleine, dass sah ich ihr an und sie würde es sowieso nicht sehr toll finden, wenn sie wüsste, dass ich sie anscheinend eine Weile beobachtet habe.

Auch wenn alles in mir unbedingt wissen wollte, was sie da aufgeschrieben hatte, zwang ich mich dazu mich umzudrehen und leise die Treppe wieder hochzugehen. Es war so richtig gewesen. Ich wollte, dass sie von alleine zu mir kam, weil sie mir vertraute und nicht weil ich sie dazu zwang. Sie war es nicht gewohnt ihre Gefühle mit jemanden zu teilen, nach allem was ich gehört habe. Als Einzelgängerin ist es nicht sehr einfach sich plötzlich an eine zweite Person in deinem Leben zu gewöhnen und ich glaubte weniger, dass ich es bin. Ryan und Brian waren schon viel eher da und hatten sie nicht zum reden bringen können. Wie sollte ich es dann schaffen, wenn wir uns gerade mal seit genau 11 Tagen ‚kannten'?

Ich hatte die nervöse, zurückhaltende, ängstliche Rose schon viel zu oft gesehen. Öfter, als glücklich, was quasi nie war. Wie konnte eine so junge Frau so unglücklich durchs Leben gehen? ... Keine besonders gute Frage, ich war das perfekte Beispiel dafür. Aber trotzdem verhielt ich mich nicht so wie Rose... Sie hatte definitiv mit ihrem Problem in der Vergangenheit noch nicht abgeschlossen, sonst würde sie in keine Schlägerei in Londons Seitenstraßen verwickelt sein und sich hinterher betrinken. Sie kam mit dem allen nicht wirklich klar und hat wahrscheinlich keine Ahnung, was sie machen sollte...

Ich war genauso gewesen und bin es vielleicht immer noch ein kleines bisschen. Natürlich abgesehen von dem Schläger Part und dem Betrinken, aber ich war mir damals auch nicht sicher, wie ich mich verhalten und mein Leben im Griff kriegen sollte. Hätte ich meine Familie und meine zwei besten Freunde nicht gehabt, wüsste ich nicht, ob ich jetzt noch leben würde. Es war hart gewesen. Sehr hart. So hart, dass meine Mom schon Nervenzusammenbrüche hatte, nur weil sie sich solche Sorgen um mich gemacht hat. Ich hatte nicht nur einmal daran gedacht das alles zu beenden in dem ich einfach einen kleinen Schritt von der Brooklyn Bridge machte. Es wäre so einfach gewesen... und so schnell... und so erleichternd.

Aber als ich unbewusst erwähnt hatte, bereute ich es sogleich. Ich brachte sogar meinen Vater zum weinen, den ich in meinem ganzen Leben nur zwei mal hab weinen sehen. Da verstand ich, dass wenn ich es nicht tat, ich die einzige sein werde mit einem so qualvollem Schmerz in mir. Wenn ich es aber tat, mir somit den Schmerz zwar nahm, aber ihn quasi meiner Familie übergab... Ich konnte es nicht tun. Ich wollte nicht, dass es ihnen so erging wie mir.

Nachdem ich aber wirklich begriff, dass ich nicht alleine war und immer auf mindestens einen zählen konnte, wurde es ein Stückchen einfacher und das musste auch Rose verstehen. Sie musste verstehen, dass sie nicht alleine mit dem war, was auch immer sie mit sich trug.

Nur wie sollte ich es klar machen?

Ich überlegt und überlegte und überlegte, bis meine Augen sich erschöpft schlossen und ich wieder unter einer warmen Decke einschlief.

Hoffentlich würde es Rose eines Tages besser gehen und ich betete, dass ich diesen einen Tag miterleben konnte. Ich wollte Rose so gerne einmal wirklich glücklich sehen, ihr Lachen hören und es endlich mal ihren Augen auch ansehen... Ich wollte es so gerne...

New Lovers 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt