Kapitel 56

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Ich saß seit acht Stunden an Rose Bett und wartete ungeduldig, dass sie endlich wieder aufwachen würde. Ein oder zwei Stunden hatte ich damit verbracht zu schlafen, aber die restlichen konnte ich sie einfach nur anstarren und vorsichtig ihre Hand halten. Ich wusste nicht, ob sie meine Berührung überhaupt spürte, aber mir half es. Mir half es jede einzelne Sekunde zu überstehen und nicht einfach weinend zusammenzubrechen, was ich gerade mehr als nur tun wollte.

Rose bedeutete mir was und ich war mir noch nicht sicher was oder wie viel, aber zumindest wusste ich, dass sie es tat. Und sie so schwach und so blass da liegen zu sehen, ließ den Schmerz in mir nur noch wachsen. Es war nicht das gleiche gewesen, wie vor vier, jetzt fast fünf Jahren. Ich liebte Rose nicht so sehr wie Sina. Ich hatte damals nicht die Chance gehabt neben ihr am Krankenbett zu sitzen, da zu sein wenn sie aufwachte, oder mich um sie zu kümmern. Ich hatte damals nichts gehabt. Ich sah das hier als Chance das zu machen, was ich vor Jahren machen wollte und nie konnte. Vielleicht machte ich das hier nur, um meine Schuldgefühle abzubauen, aber trotzdem bedeutete Rose mir was.

Ich wusste es war verrückt. Wie konnte mir jemand was bedeuten, der mich am Anfang beleidigt und mich gerade als es gut lief für mehr als zwei Monate wieder verlassen hat. Wie?! Glaubt mir, ich wusste es auch nicht, aber wendest schien da zu sein. Irgendwas, was mich an ihr hielt und mir nicht erlaubte aufzuhören an sie zu denken.

„Ich habe einen Wahnsinns Hunger. Ich geh was essen." Stand Brian dann nach den ganzen Stunden auf und streckte sich. „Ich gehe mit." Stand auch Luke auf und die anderen beiden sahen ebenfalls mehr als nur hungrig aus, aber wollten mich nicht alleine lassen. „Geht. Ich passe solange auf Rose auf..." Meinte ich und Jane zog ihre Augenbrauen zusammen: „Hast du keinen Hunger?" Ich schüttelte den Kopf: „Nein, nicht wirklich." - „Wir bringen für dich was kleines mit." Versprach Ryan. „Sicher, dass ich nicht bleiben soll? Mir macht es nichts aus." Legte Jane eine Hand auf meine Schulter, um sicher zu gehen aber erneut schüttelte ich nur mit dem Kopf: „Ja, Jane. Jetzt geh schon, ich höre dann Magen Knurren." Sie lachte etwas, bevor sie mit den anderen aus dem Zimmer ging und mich hier alleine bei Rose ließen.

Wie in den letzten Stunden konnte ich meine Augen nicht von ihr lassen, so sehr hatte ich Angst, dass wenn ich auch nur für eine Sekunde wegschaute sie plötzlich nicht mehr da wäre. Ich sah sie an, versuchte jede kleinste Detail von ihrer freien Haut in meinem Kopf einzuprägen und kam relativ schnell auf die Narben. Sie hatte eine am Kinn und eine an der Seite ihrer Nase. Aber nicht nur dort. Den Kittel den sie an hatte, zeigte ihren ganzen Hals, ihre Arme und etwas von ihren Schulter- bzw. Brustknochen. Es war kleiner und mittlere, keine besonders großen. Manche schon ältere und noch kaum sichtbare, andere frischer, noch gerade erst verheilte. Woher hatte sie die alle her?! Sie konnte sie nicht alle von ihrem Job haben... Oder hing sie etwa mit den falschen Leuten ab, die ihr auch die Drogen gegeben haben und sie dazu gebracht hatten für längere Zeit zu verschwinden?

Allein der Gedanke, dass Rose so etwas freiwillig mitmachen würde, machte in meinem Kopf einfach keinen Sinn. Wie konnte sie nur so tief abstürzen, dass sie einer der seltensten Droge konsumiert?! War etwas vorgefallen, dass sie traumatisierte hatte?! Hatte sie aktuelle Probleme, wie finanzielle oder familiäre. Aber da kam es wieder. Sie konnte gar keine familiäre haben, wenn sie noch nicht mal eine hatte. Es war nicht einfach gewesen der Schwester sagen zu müssen, dass wir keine Ängehörigen der Familie kontaktiere mussten bzw konnten, wenn keine existierte.

Wenn es mir überhaupt so schwer fiel es anderen zu sagen, wie erging es dann nur Rose?! Ich konnte mir nicht vorstellen ohne Familie oder Verwandte in einem Alter von 20 Jahren leben zu müssen. Soweit ich es mir denken konnte, war Rose seit ungefähr drei Jahren hier und seit dem war sie mit Brian und Ryan befreundet, aber hatte auch ihnen nie etwas über ihre echt Familie erzählt oder sie überhaupt erwähnt. Mit 17 oder 18 musste sie ganz alleine auf eigenen Füßen stehen... Wer gab dann einem Halt? Wer half einem durch schwere Zeiten? Gab einen einen guten Rat oder stand einem bei allen Entscheidungen zur Seite?... Rose hatte mehr durchgemacht, als mir davor klar war. Hatte sie das alles eingeholt und ihr das Gefühl gegeben, dass sie es trotzdem nicht schaffte? Hatte sie deshalb mit den Drogen angefangen, um der Realität oder ihren Gedanken zu entkommen?!

Es war nichts anderes als eine Spekulation. Aber irgendwie hoffte ich, dass die Erklärung so simple war und nichts anderes, weit aus komplizierteres.

Ich saß nur weiterhin da, spielte etwas mit Rose kalten Fingern und wartete weiter darauf, dass sie endlich aufwachen würde. Es war ein Nervenkampf hier und ich hasste es jede einzelne Sekunde. Es war zwar nicht annähernd so schlimm wie damals gewesen, aber trotzdem strebte sich jede Faser meines Körper dagegen hier zu sein. Ändern könnte ich es allerdings nicht. Ich hatte mich schon mehr als nur einmal gefragt, was passiert wäre, wenn ich gestern nicht das Licht in ihrer Wohnung an gesehen hätte. Wenn ich nicht an ihrer Tür geklopft hätte und mir später einfache selber Eintritt gewährt hätte... Niemand wäre für Rose dagewesene und niemand hätte sie gefunden. Wie auch, wenn keiner wusste, dass sie wieder da war. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, dass sie jetzt hätte tot sein können.

Aber warum ist sie nicht ins Krankenhaus gegangen? Klar, sie hatte Drogen in sich, aber trotzdem würde jeder normaler Mensch ins Krankenhaus gehen, wenn er anfing Blut zu kotzen, oder nicht?! Rose Logik konnte man einfach nicht verstehen, solange sie es nicht wollte und das war das schwierige daran. Wenn Rose nicht wollte, dass ich ihre ganzen Handlungen verstehe, dann würde ich es nie herausbekommen. Da müsste schon ein Wunder geschehen,...

Irgendwie bezweifelte ich jedoch, dass sie mir oder irgendjemand sonst es erzählen würde. Sie wird es wohl nie anderen anvertrauen, solange sie es nicht selber herausgefunden hätten und das versucht sie seit langem zu verhindern. Sie hatte über die Jahre gelernt, alles in sich drinnen zu behalten und niemanden nur irgendwas zu erzählen. Ich nahm es ihr nicht Übel, sie hatte es bestimmt auf die harte Tour lernen müssen... Wenn man sie nur anschaute, wollte man sofort was mit ihr zu tun haben und da kam sie mit Sicherheit an die falschen Freunde. Ich musste ihr irgendwie klar machen, dass ich keine von denen war. Das ich echt war und sie definitiv nicht so schnell wieder verlassen würde.

Seufzend lehnte ich mich zurück und ließ meine Augen nicht von Rose.

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