Kapitel 84

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„Wie..." Das schlussendlich zu formulieren, was in meinen Kopf war, war schwerer, als ich dachte. Ich hatte auch Angst, Angst davor sie mit irgendeiner Frage zu verletzten. Auch wenn mir klar war, dass jede einzelne Frage ihr weh tun wird.

„W-wie lange?"

Sie war nervös. Ich merkte es durch ihre Finger, die mit ihren Fingernägel herumspielten.

Ich ließ sie. Wusste ihr die nötige Zeit geben zu müssen.

Dann hörte ich sie wieder leise seufzen und ihren Blick von mir auf die Stadt vor uns wenden: „Ich kann mich an kein anderes Leben erinnern. Er war schon immer da."

„Warum lässt du es zu?" Diese Frage brannte in mir. Sie hätte längst zur Polizei gehen können, er konnte nicht immer rund immer wieder damit wegkommen. Er hatte Rose komplett gebrochen und hatte noch immer nicht genug.

„Ich... habe keine Wahl."

„Erpresst er dich mit irgendetwas?" Das war die logischste Erklärung... Er musste was gehen sie in der Hand haben, ansonsten würde sie sich diese Schmerzen nicht freiwillig antun.

„Ich kann es dir nicht sagen." Meinte sie und ließ mich seufzen. Das war noch ein anderes Geheimnis, das sie mir zumindest heute nicht verraten wird. Ich musste mich gedulden, was im Moment ziemlich schwer war...

„Wie heißt er?"

Sie blieb still.

„Rose, wie heißt er." Wiederholte ich meine Frage eindringlich, aber sie schüttelte nur den Kopf. Sie wollte ihn mir nicht sagen. Es wäre alles so schnell vorbei, wenn sie sich mir noch etwas gönnen könnte. Ich könnte meine Eltern und die Santos um Hilfe bitten, sie würden sofort helfen und Rose daraus helfen. Es war vielleicht etwas riskant, aber besser, als dass sie es noch länger über sich ertragen musste...

Ich musste den Namen herausfinden. So schnell es nur ging.

„Wann... wann war das letzte Mal?"

An sich erahnte ich schon die viele Male, die sie psychisch und physisch misshandelt wurde... Der Unbekannte hat laut Rose Einträgen sie enorm zugerichtet und lange so etwas zu verbergen, war quasi unmöglich.

Jedesmal als Rose verletzt zur Arbeit kam, hatte sie sich nicht mit irgendwelchen Kerlen geprügelt oder war in einer Schlägerei geraten...

Oder wenn sie für mehrere Tage krank geschrieben war, hatte sie nicht einfach irgendeine Grippe, oder simple Kopfschmerzen...

Jedes einzelne Mal hatte etwas mit diesem Bastard zu tun... und ich war zu dumm um es zu bemerken.

Ihr Arm zog sich von meiner Taille weg. Rose rappelte sich auf und setzte sich an die Bettkante mit den Rücken zu mir und ihre Beine am Boden. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und bohrte sich ihre Fingernägel in ihre Stirn, oder Wange. Sie zitterte etwas und versuchte sich so wieder einigermaßen zu beruhigen.

Diese Frage hatte sie völlig aus dem Konzept gebracht.

Immerhin waren die ‚neusten' Erinnerungen am qualvollsten. Sie konnte sich noch an jede noch so kleine Berührung, oder jedes gesagt Wort erinnern. An alles, an den Geruch, an den Schmerz, an die Kälte. Die Erinnerungen waren da...

Ich setzte mich hinter ihr hin, legte meine Arme um ihren Bauch und setzte meinen Kinn an ihrer Schulter ab. So gut wie jeder Muskel von ihr war angespannt und das zittern hatte auch nicht aufgehört.

Was sollte ich jetzt zu ihr sagen?

„Es tut mir Leid." Flüsterte ich. Was anderes fiel mir gerade nicht ein. Was wollte jemand in so einer Situation hören? Ein Versprechen, dass man das alles zum stoppen bringen und ihr ein normales Leben ermöglichen könnte?... aber das konnte ich nicht. Noch nicht.

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