Kapitel 79

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„Warum hast du uns nicht Bescheid gesagt, dass du kommst? Wir hätten was gekocht... oder ein Bett vorbereitet." Setzte sich Loura neben mir an den Tisch auf dem Balkon. Seit ich hier war, saß ich auf diesen Stuhl und sah über Barcelona. Zumindest über ein paar Häuser...

Ich hatte nicht wirklich viel mit ihnen geredet und wusste, die beiden machten sich wahnsinnige Sorgen, aber ich hatte mich selber nicht dazu bringen können Ihnen den Grund für meinen Besuch zu sagen.

„Es war eine spontane Entscheidung gewesen." Antwortete ich Sophie seufzte: „Warum bist du hier, Sarah? Ich kann dir ansehen, dass du am liebsten einfach nur weinen würdest... was ist passiert?"

Was sollte ich Ihnen alles sagen?! Ich selber konnte das alles nicht wirklich zuordnen und verstehen erst recht nicht... wie sollte sie es dann erst?!

„Sarah." Bat Loura nochmal und ich gab nach. Also erzählte ich Ihnen von dem Vorfall. Ich erzählte ihnen einfach alles, ich wollte, dass es jemand wusste... alleine brachte mich das alles nur in den Wahnsinn und die beiden standen so oder so nicht im direkten Kontakt mit Rose.

Ich erzählte alles von Anfang an und nach fast einer Stunde war ich fertig. Tränen waren schon nach dem ersten Wort über meine Wangen geflossen und hatten auch nicht aufgehört... selbst nachdem ich fertig war.

„Wow." Sagte Loura nach ein paar Minuten Stille, „Sie hat Angst."

„Aber wovor?! Ich tu ihr doch nicht weh..."

„Das wissen wir... und sie vielleicht auch." Überlegte Sophie, „Aber das was du getan hast, war eindeutig zu viel für sie. Sie hat nicht speziell Angst vor dir, sie hat Angst vor dem, was du mit ihr machen wolltest."

Sie hatte Angst davor mit mir zu schlafen? Wieso sagte sie es mir dann nicht?

„Was soll ich machen?" Ich hatte keinen Plan. Sollte ich zu ihr zurückgehen und sie versuchen dazu zu bringen, mir zu erzählen was los ist? Sollte ich sie erstmal lassen und warten, bis sie auf mich zukommt? Aber das würde sie mit Sicherheit nicht machen...

„Versuch den Grund herauszufinden... Wenn du den hast, weißt du, wie du mit ihr umzugehen hast." Gab mir Loura die Antwort.

„Okay..." Stand Sophie auf und gab mir einen Kuss auf die Stirn, „Ich gehe jetzt duschen... Wenn was ist, ruf mich."

Ich nickte und sah zu Loura. Sie saß da, beide Hände an den Stuhllehnen und Sophie mit großen Augen ansehend. Sie presste ihre Lippen aufeinander und zwang sich dazu weg von Sophie zu sehen, versuchend sich auf mich wieder zu konzentrieren. Mir entging nicht, wie sie sehnsüchtig meiner Schwester hinterher sah und ehrlich, es tat mir Leid für sie. Wieso sollte ich Ihnen den Spaß verwehren, nur weil es mir gerade scheiße ging?

„Na los, geh schon." Zeigte ich mit einer Kopfbewegung hinter mich.

Überrascht hatte ich wieder ihre Aufmerksamkeit: „Ehrlich?"

Ich nickte mit einem kleinen Lächeln: „Ich komm klar. Jetzt geh, sie duscht nicht ewig."

Ich brauchte es nicht zwei Mal zu sagen. Ich hatte sie noch nie so schnell verschwinden sehen, wie jetzt.

Ich war wirklich froh, dass die beiden endlich nach Jahrelanger Freundschaft zusammengefunden hatten und soweit ich weiß, war es dann Sina. Ohne den Streit zwischen mir und ihr hätte meine Schwester nie das Gespräch zwischen den Cousinen überhört, oder das Ich liebe sie.

Loura und Sophie waren perfekt für einander und ich war mir mehr als nur sicher, dass die beiden sich nie wieder gehen lassen würden...

Seufzend stand ich auf. Ich wollte mein Handy holen. Jane und Luke flippten wohl gerade aus. Konnte ich verstehen, ich hatte nur einen kleinen Zettel hinterlassen auf dem schlampig draufgeschmierten war:

Ich bin bei Sophie und Jane.
Weiß nicht, wann ich zurückkomme.

Mehr nicht.

Ich sollte Ihnen Bescheid geben, dass ich gut gelandet war und es mir den Umständen entsprechend gut ging. Ich konnte nicht sagen, dass alles okay war... war es nämlich nicht. Nichts war okay und das hatte mich dazu gebracht abzuhauen.

Als ich mein Handy gerade in der Hand hielt, stach mir etwas ins Auge.

Das Buch.

Es lag da, halb von Klamotten verdeckt lag es in meinem Koffer. Als würde es nicht von mir gesehen werden wollen... Als würde es nicht von mir oder irgendjemanden geöffnet werden wollen, lag es einfach dort.

Rose hat es mir gegeben.

Sie hatte auch gesagt, dass ich nicht mehr zu ihr zurückkommen würde, nicht mehr freiwillig. Hatte dieses Buch ihre Geschichte, ihre Geheimnisse auf den Seiten geschrieben? Erzählten mir diese Worte auf den Zeilen das, was ich schon so lange wissen wollte? Oder brachen sie mir nur weiter erbarmungslos mein Herz?

Langsam, als wäre es etwas gefährliches, bückte ich mich und nahm das Buch. Mein Herz pochte allein durch die Berührung des Bandes so schnell und laut, dass es in meinen Ohren vibrierte. Wieso hatte ich so plötzliche Angst es auch nur anzufassen?!

Ich lief zurück auf den Balkon, setzte mich auf den Stuhl und legte das Buch vor mir. Ich starrte es lange an. Mit mir selbst diskutierend, ob ich es nun lesen sollte, oder nicht. Immerhin war es etwas, was Rose seit langem in sich herum trug. Schweigend ertrug sie es und ließ niemanden in sich hinein schauen. Nicht einen. Nicht einmal Ryan oder Brian. Auch nicht Dorothea. Ich war die erste und vielleicht blieb ich auch die einzige, die diese Möglichkeit hatte in die wirkliche Rose hineinzuschauen. Zu verstehen, warum sie so war, wie sie war. Warum sie sich so verhielt, wie sie sich verhielt.

Ich hatte ihr Vertrauen.

Nur war ich für das bereit?! Rose Geheimnis hat sie so verändert, es hat ihr alles genommen. Es war selten, dass man Rose lachen hörte, sie glücklich sah oder sie wirklich einfach nur Spaß mit jemanden haben konnte. Es war so selten, dass ich sie nur mit einer Hand aufzählen konnte...

Rose war daran zerbrochen, wer sagt, dass es mir nicht genauso erging? Wollte ich wirklich wissen, was Rose zu einem beinahe Gefühllosen Menschen machte? Musste ich das alles wirklich wissen, um sie endgültig zu verstehen?

Ja.

Ich musste es.

Wenn ich Rose zurückhaben wollte, musste ich alles über sie wissen. Ich muss ihre Angst kennen. Ihre Wut. Ihren Schmerz. Ihre Trauer. Einfach alles. Ich musste wissen, warum sie so allein war, niemanden wirklich nahe an sich ran gelassen hat. Außer die drei Ausnahmen... aber sie waren auf freundschaftlicher Basis.

Warum war sie zu dieser Rose geworden?

Ich sammelte meinen Mut und nahm das Buch erneut. Es lag schwer in meinen Händen, als wäre das, was da drin stand, viel schwerer als nur einfach geschriebene Worte. Als würde die Tinte, die für das Schreiben verwendet wurde, nur das Gewicht der Bedeutung der Wörter unterzeichnen. Als würde es allgemein die Schwächeren davor warnen es zu öffnen.

Ich hatte so etwas zuvor noch nie erlebt. Bei keinem Buch und ich hatte schon so so viele gelesen...

Ein letztes Mal durchatmend schlug ich dann die erste Seite auf. Insgeheim hoffend, dass ich es nicht bereute...

Es waren kleine bis größere Einträge mit jeweils einem Datum drüber stehen. Es war eine Art Tagebuch... aber die Abstände der Tage waren größer, als die eines normalen Tagebuchs. Sie schrieb anscheinend nur bestimmte Tage auf...

Meine Augen fanden eine kleine mit blauem Kugelschreiben geschriebene Schrift.

Ich begab zu lesen...

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