„Du siehst müde aus."
Ich sah von meinem Buch auf und traf ihre kalten blauen Augen. „Ich hatte eine kurze Nacht." Es war nicht gelogen, mehr als drei Stunden Schlaf hatte ich nicht. Ich sah ihr an, dass sie mir etwas sagen wollte und gleichzeitig aber auch nicht. Sie vertraute mir noch nicht wirklich und das hielt sie davon ab wirklich das zu sagen, was sie dachte.
„Es tut mir Leid." Brachte sie dann leise über ihre Lippen und sah aus, als würde sie es wirklich bereuen. „Du solltest nach Hause und schlafen gehen." Bat sie mich eindringlich und hoffte innerlich, dass ich einwilligen würde.
„Nein, Rose. Ich gehe nicht. Ich werde bis heute Abend bei dir bleiben, also musst du mich noch mindestens sechs Stunden ertragen." Lächelte ich sie an und sie sah mich nur weiter besorgt an. Sie wandte ihren Blick zurück zum Fernseher und schaltete ihn an. Ich hatte ehrlich nicht den Bildschirm bemerkt in den ganzen letzten Stunden und war ziemlich überrascht. Ich schloss mein Buch und versuchte mich mit dem Fernseher wach zu halten. Nicht so einfach jedes Gähnen zu unterdrücken und war auch nicht wirklich erfolgreich. Nach fast einer Stunde lagen Rose Augen wieder auf mir, erneut mit dieser Besorgnis.
Dann aber rutschte sie auf eine Seite des Bettes und verzog dabei gleichzeitig etwas das Gesicht vor Schmerzen. Warum tat sie das, wenn es ihr doch weh tat?
„Okay..." Brachte sie zwischen den zusammengebissenen Zähnen heraus, „... ich ähm..." Sie spielte nervös mit ihren Fingern und sah mich kein einziges Mal an, „... Du musst schlafen." Langsam wurde mir klar, was sie vor hatte und eventuell musste ich mich später bei Dorothea bedanken. Ich wollte ihr nicht dazwischen reden, ich wollte jedes einzelne Wort aus ihrem Mund hören... „Willst du... willst du dich hier hinlegen?" Es war leise gesagt und sie hängte gleich ein, „Nur wenn du willst..." hinzu.
Rose war niemand, der wirklich auf Körperkontakt mit anderen stand, keine Ahnung warum, daher, wenn sie mir dann sowas anbot, wusste ich nie ob sie es auch wollte, oder sich dann doch unwohl fühlte. Ich konnte es wirklich nicht sagen, wahrscheinlich war es ein Zwischending...
Obwohl ich ahnte, was auf mich zu kam, war ich trotzdem wahnsinnig überrascht, dass sie es doch fragte. Sollte ich ja sagen? Immerhin war ich echt müde und wollte seit Tagen, Wochen und Monaten sie endlich wieder näher bei mir haben... aber andererseits, was ist, wenn sie es doch nicht wollte und nur das Gefühl hatte es wieder gut machen zu müssen? Ich hasste diese Fragen, auf denen ich keine Antwort hatte.
Es riss mich hin und her und ich konnte mich einfach nicht fest legen, welche Entscheidung richtig und welche falsch war. Ich konnte nicht anders und folgte meinem Herzen,... wohl eher meinen am Schlaf mangelnden Körper in Richtung Bett. Ich zog meine Schuhe aus und fragte sie nochmal, ob sie sicher war. Sie lag ja aus einem Grund in diesem Bett und ich wollte es ihr nicht noch schwerer machen... aber sie nickte einfach nur richtete ihren Blick weg von mir zum Fernseher. In diesem Moment raste mein Herz wahnsinnig schnell und ich spürte den Drang in mir einfach loszurennen, weg von ihr, aber auch gleichzeitig Rose zu packen und nie wieder loszulassen. Es war so verwirrend und doch logisch... Fragt mich nicht, ich verstand es selber nicht im geringsten.
Sie hielt die Decke hoch und ich stieg leise mit unter die Decke. Dieses Bett war nicht das beste, aber definitiv bequemer als der Stuhl. Gleich in der ersten Sekunde überkam mich die Wärme von Rose Körper und ließ mich erzittern. Es war einfach nur unfassbar, was sie mit mir machen konnte ohne mich überhaupt zu berühren... Wie machte sie das nur?!
„Ist dir kalt?" Hatte sie es offenbar sofort bemerkt. Ich hätte nein sagen können, mir war nicht kalt, aber wenn ich ja sagen würde, würde es mir vielleicht die Möglichkeit geben ihr näher zu kommen...
Eher zögerlich rutschte sie näher an mir ran und legte einen Arm unter meinen Kopf. Mir war klar, dass sie Schmerzen haben musste, aber sie Winkte nur ab und machte keine minimalen Anzeichen, dass ihr etwas weh tat.
„Danke." Flüsterte ich und schaffte es somit ihren Blick kurz auf mich zu lenken.
„Ich muss danke sagen, Sarah..." Allein wie sie meinen Namen aussprach ließ mein Herz einen Sprung machen und mich alles schlechte für einen Moment vergessen.
Es war eine Weile still, bevor ich mich überwand sie etwas zu fragen: „Rose?"- „Mh?" Kam eine Antwort von ihr und ich wusste nicht wirklich, wie ich es sagen sollte... „Bleib. Geh nicht mehr weg..." Ich starrte auf ihren Kieferknochen, nicht den Mut habend in ihre Augen zu sehen, „Ich will nicht, dass du wieder gehst... Versprich es mir, bitte." Ich klang relativ verzweifelt, aber sie wusste, dass ich nicht nur von mir sprach. Niemand hier wollte, dass sie ging, sie bedeutete jeden einzelnen von uns etwas, auch wenn sie sich dessen nicht sonderlich bewusst war.
Sie seufzte leise und schüttelte ganz leicht mit dem Kopf: „Ich kann nicht."- „Warum nicht? Du kannst einfach hier bleiben, wir alle können dir helfen, Rose!" Wandte ich ein, aber bekam wieder nur eine verneinende Antwort: „Ich kann nicht, Sarah... du verstehst es nicht."- „Dann lass es mich verstehen." Drängte ich weiter, hoffend, dass sie endlich einknickte, aber das tat sie wohl nie: „Es ist besser so." Wieso?! Wieso konnte sie keinem einen Grund nennen?! Wir wussten über ihren Drogen Konsum, was war denn noch schlimmer als das, damit sie es uns verheimlichen musste?
„Schlaf jetzt." Beendete sie unser Gespräch und ich gab auf. Heute würde sie definitiv nicht mit der Wahrheit rausrücken, vielleicht tat sie es auch nie von sich aus, aber irgendwann kam immer alles raus. Ich brauchte nur Geduld... irgendwann wusste ich über alles Bescheid.
Ich legte meinen Arm um Rose Bauch und kuschelte mich vorsichtig etwas mehr ran. Es schien sie nicht zu stören, mein Glück, also blieb ich in der Position und schloss meine Augen. Es fühlte sich verrückt an, einfach bei ihr zu liegen, ihren Herzschlag zu lauschen, ihre Berührungen an mir zu spüren, oder ihren einzigartigen, wundervollen Duft einatmen zu können. Alles tat gut und zum ersten Mal seit Wochen vergaß ich völlig meinen Herzschmerz und konnte es kaum erwarten in ihren schützenden starken Armen um mich herum einzuschlafen und wieder genau in ihnen aufzuwachen. Sie gab mir etwas, dass mich sicher fühlen und vor nichts Angst haben ließ und das alleine durch ihre Nähe.
Als kannte ich Rose schon seit Ewigkeiten und doch war sie mir dennoch fremd. Manche Sachen musste man im Leben nicht verstehen,... nur das hier wollte ich unbedingt verstehen. Wie war das, was Rose Smith mit mir machte, nur möglich?
Mit diesen Gedanken schlief ich letztlich in den Armen, die ich so vermisst hatte, ein und gab meinem Körper die nötige Ruhe.
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New Lovers 2
Romance„Ich habe Angst..." „Hey... schau mich an..." Hob sie meinen Blick, „...Schau nur mich an. Ich bleibe bei dir, ich habe es versprochen..." Lächelte sie schwach.