Ich hasse dich

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Lea POV:

Leise vor mich hin summend, drehte ich den Graphitstift hin und her. Ich saß am Tisch vor einem weißen Blatt Pergament und überlegte, was ich malen sollte. Wir waren jetzt schon seit mehreren Tagen hier und hatten die Zeit damit verbracht, die Zimmer von der Schicht Staub zu befreien und aufzuräumen. Die Zwergenfamilie, die früher hier gelebt hatte, hatte so gut wie alles hier gelassen als sie vor Smaug geflohen waren. Ich wollte nicht wissen, ob sie es geschafft hatten oder ob sie jetzt in der westlichen Wachkammer zwischen den vielen anderen Toten lagen.
Zurück zu den Zwergen wollten wir aus mehreren Gründen nicht. Erstens: Wir wussten nicht mehr genau, wie es zurückging. Zweitens: Wir genossen die Zeit, ohne irgendwelche Kerle in vollen Zügen und drittens: Wir, besonders ich, hatten kein Bock, uns mit dem wahnsinnigen Thorin rum zu schlagen.
Ich weiß, wir konnten da nicht für immer bleiben, aber im Moment fühlte sich alles sowieso zeitlos an, weil wir nicht vor irgendwelchen Orks weg rennen mussten oder durch Mittelerde latschten. Irgendwie hatte das hier etwas von zu Hause und wir hatten nicht so doll Heimweh, wie irgendwo anders.
Ein Husten riss mich aus den Gedanken. Ich drehte meinen Kopf, soweit es ging nach hinten, um zu Anne zu schielen.
„Blöder Staub", grummelte sie und ich kicherte leise. Meine Freundin versuchte gerade, etwas für uns zu kochen und da sie mich niemals an einen Kochtopf ran lassen würde, müsste sie es wohl allein machen.
Ich drehte wieder meinem Blatt zu und entschied, einfach drauf los zu malen und mich fallen zu lassen. Irgendwas würde mit Sicherheit am Ende raus kommen.
Ich machte die ersten zaghaften Striche und summte weiter ein Lied von Ed Sheeran vor mich hin. Nach einer Zeit entstand langsam eine Vorskizze, doch ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich erst gar nicht bemerkte, was ich da zeichnete. Erst als mich zwei Augen vom Papier aus anstarrten, sah ich mir das Bild das erste Mal im Ganzen an. Erschrocken drehte ich das Bild einmal um und murmelte leise: „Verdammt."
Ich sah zu Anne, die immer noch mit dem Essen beschäftigt war und atmete einmal tief durch. Dann drehte ich das Papier langsam wieder um. Er war immer noch da. Ich hatte den Zwergenkönig gezeichnet.
Ich knüllte das Pergament zu einem Ball zusammen und warf es in einen Holzkrug, von dem ich hoffte, dass es ein Mülleimer war.
„Was war das denn?", fragte Anne.
„Sah blöd aus", log ich und meine Freundin zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
Sie wollte noch etwas sagen, doch plötzlich ertönte ein lautes Poltern aus dem Flur und unsere Blicke wanderten schlagartig Richtung geschlossener Tür.
„Hab ich mir das nur eingebildet oder hast du das auch gerade gehört?", flüsterte ich und stand auf.
„Entweder wir bilden uns beide was ein oder da ist wirklich etwas", raunte meine Freundin zurück und schnappte sich einen Besen. Ich bewaffnete mich mit meiner Bratpfanne, nichts war besser, als Mamis alte Haushaltsgeräte!
Anne und ich wechselten einen Blick und liefen langsam auf die Tür zu, hinter der wieder ein Geräusch zu hören war.
„Du machst auf!", sagte ich schnell zu Anne, bevor sie etwas sagen konnte. Sie warf mir nur einen Na-vielen-Dank-Blick zu und machte noch ein Schritt auf die Tür zu. Ich hob schon mal meine Bratpfanne, um sofort zu schlagen zu können.
Mit einem lauten Schrei riss Anne die Tür auf und die Person, die wir dann erblickten, kreischte auch überrascht los und weil jetzt alle rum brüllten, machte ich einfach mal mit.
So standen wir mindestens zwei Minuten dumm rum und schrien uns gegenseitig an. Doch bald verwandelte sich das Kreischen in ein erfreutes Aufquietschen und wir fielen Franzi um den Hals, die uns wohl gefunden hatte.

*

Nachdem wir uns über die neuesten Ereignisse ausgetauscht hatten, bewegten wir uns doch noch aus unserem Versteck raus. Franzi wusste noch, wo wir lang mussten und wir fanden alle Zwerge und Bilbo in der riesigen Schatzkammer, die den Arkenstein suchten.
„Die Verschollenen sind wieder da!", rief Fili und lachte. Anne und ich begrüßten die gerade angekommenen Zwerge freudig und umarmten besonders Kili einmal fest, weil wir froh waren, dass er wieder gesund war. Nur Emmi war nicht hier und wir mussten sie wohl weiter vermissen, freuten uns aber, dass sie sich endlich mal an Leggi ran machte.
„Was hast du mit deinen Haaren gemacht, Lea?", fragte Bofur entsetzt und ich zuckte nur mit den Schultern und fuhr mir einmal durch die jetzt sehr kurzen Haare.
„Ich finds gut", meinte Bilbo und ich lächelte ihn dankbar an.
„Sollen wir euch vielleicht helfen?", fragte Anne und die Zwerge nickten. Thorin hatte ich zwar noch nicht gesehen, aber ich wusste, dass er auf dieser Art Plateau stand und anscheinend zu faul war, um uns zu helfen. So machte man das wohl als wahnsinniger König. Ich versuchte nicht zu ihm zu gucken und durchstöberte mit den anderen die riesigen Mengen von Gold. Was ja eigentlich ziemlich sinnlos war, weil wir drei ja wussten, dass Bilbo den Arkenstein schon längst gefunden hatte, aber egal.
Nach zwei Stunden wurde es dann aber auch irgendwie langweilig und ich beschloss, das hier alles mal ein bisschen aufzumischen.
„Oh mein Gott. Ich hab ihn gefunden!", schrie ich und sofort ließen alle ihre Sachen links liegen und rannten zu mir.
„Wirklich?", fragte Dwalin und ich lachte.
„Nö", grinste ich und alle stöhnten genervt auf. Nur Franzi und Anne fanden das lustig und wir klatschten uns ab.
Doch dann...
Dann sah ich Thorin, wie er wutschnaubend die Treppe runter kam.
„Verdammte Scheiße!", rutschte es mir raus.
„Tja, Lea. Ich würde mal sagen...Du hast voll verkackt!", lachte Franzi und ich warf ihr einen hilflosen Blick zu.
Ganz unauffällig lief ich ein paar Schritte zurück und suchte nach irgendeiner Möglichkeit, zu verschwinden.
„Will mir jemand helfen?", fragte ich und beobachtete, wie der Zwergenkönig die letzten Treppenstufen runter stapfte. Alle guckten irgendwo anders hin und hätte nur noch das unschuldige Pfeifen gefehlt.
„Wie nett...", murrte ich und lief einfach los. Hauptsache weg von Thorin, nur leider hatte ich meine Tollpatschigkeit vergessen. Ich verlor das Gleichgewicht und schlidderte einen Golberg runter. Unten angekommen, knallte ich mit dem Kopf gegen eine Steinsäule. Kurz verschwamm alles um mich herum und ich fluchte lautstark.
„Alles okay, Lea?", hörte ich Anne rufen, doch bevor ich antworten konnte, versperrte mir ein großer Schatten die Sicht. Ich blinzelte einmal und erkannte Thorin, der sich einen Dreck darum scherte, dass ich mir gerade Aua Aua gemacht hatte.
Der Zwergenkönig packte mich grob an der Schulter und zerrte mich wieder auf die Beine.
„Du machst dich über mich und mein Volk lustig?", schnauzte er mich an und ich wurde immer kleiner. Seine Augen waren nur noch kalt und ich konnte nichts mehr von der Wärme entdecken, die früher immer in ihnen geflackert hatten.
Ich stotterte irgendetwas unverständliches.
„Also, ehrlich, Thorin. Ich hab jetzt echt mehr von dir erwartet. Ich dachte, das ist kein Ding für den King!", mischte sich Franzi ein und ich sah sie erleichtert an, während Thorin nur noch wütender wurde.
„Der Arkenstein liegt in diesen Hallen und ist das Juwel des Königs. Ich lasse nicht zu, dass ein Mensch ihn verspottet", knurrte er und Franzi zog eine Augenbraue hoch.
„Also, wenn du so sehr auf ihn stehst, dann heirate ihn doch gleich! Warte, ich hatte hier irgendwo Ringe gesehen. Es wird zwar ein bisschen schwierig mit dem Küssen, aber wenn es wahre Liebe ist, wirst du das schon hin kriegen", plapperte meine Freundin und sah sich mit einem Grinsen suchend um. Ich konnte förmlich den Rauch aus Thorins Ohren kommen sehen, als er mich los ließ und auf Franzi los ging.
Und in den nächsten Minuten hätte nur noch das Popcorn gefehlt und es wäre ein perfekter Dramafilm geworden, wie Franzi und Thorin sich gegenüber standen und sich gegenseitig an schrien. Irgendwann mischte sich dann auch noch Fili ein, stellte sich aber mehr auf Franzis Seite und dann zog Thorin sauer ab.
„Man, ist das ein Stinkstiefel. Keinerlei Manieren...", meinte Franzi kopfschüttelnd.
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte und entschied später noch mal mit Thorin in Ruhe zu reden. Ich bezweifelte zwar, dass das etwas bringen würde, aber ich wollte das ja eh noch machen.
„Also, wer hat Hunger?", fragte Bombur und alle meldeten sich.

Vier Bekloppte in MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt