Ein Neuanfang

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Franzi POV:
Mein Wecker klingelt um halb acht, so wie immer. Ich ging duschen dann mich anziehen und frühstücken, so wie immer. Ich nahm den Bus um acht Uhr fünfundzwanzig zum Rathaus und dann die Bahn zum Ale-xanderplatz, so wie immer. Ich saß in meinem Hörsaal und lauschte Professor Müller, während er einen Vortrag über die Rechte und Gesetze hielt, so wie immer. Mein Sitznachbar, schrieb eifrig mit während der Junge vor mir versuchte einer Freundin von mir in den Ausschnitt zu schielen. Das machte er immer. Aber ich war nicht wie immer. Meine Gedanken waren weit fort bei einem blonden Zwerg mit blauen Augen, der mir leise Kosenamen ins Ohr flüsterte. Ich schüttelte den Kopf um die Gedanken zu vertreiben und versuchte mich wieder auf den Unterricht zu konzentrieren. Ich konnte meinem Professor ein paar Minuten lang folgen, bevor ich wieder in Gedanken versank. Plötzlich summte mein Handy und ich zog es aus meiner Tasche. An der Uni hatte niemand etwas gegen Handys was mir im ersten Moment ziemlich seltsam vorgekommen war aber schließlich zur Normalität geworden war. Ich hatte eine Nachricht von Emmi erhalten die ich zögerlich öffnete. Ich hatte nicht mehr mit meinem Freundinnen Kontakt aufnehmen wollen seit Annes tot.

Emmi: Hey, wie geht es dir? Hatte einen seltsamen Traum. Können wir reden?
Franzi: Okay, bin gerade in der Uni, aber wie wäre es mit halb fünf bei mir?
Emmi: Ok...wie geht es dir?


Meine Finger schwebten über der Tastatur meines Handys und ich dachte über meine Antwort nach. Ich war nicht unbedingt besonders gut darin anderen meine Gefühle mit zu teilen. Ich hatte immer das Gefühl das sie etwas anderes erwarteten als ich ihnen geben konnte.

Franzi: ...ich weiß es nicht, und dir?
Emmi: ...mies...
Franzi: Muss jetzt aufhören. Bis später.
Emmi: Bis nachher.


Ich schaltete mein Handy aus und lies es zurück in meine Tasche gleiten.
„Ist alles okay?", fragte mich mein Sitznachbar. Er hieß Ben, hatte braune Haare und schokobraune Augen.
„Nein.", sagte ich und vergrub stöhnend mein Gesicht in den Händen.
„Ich hab nach dieser Vorlesung nichts mehr. Wollen wir zusammen einen Kaffee trinken gehen? Ich bin ein guter Zuhörer?", sagte Ben und grinste leicht.

*Naja, eine Stunde später saß ich mit Ben bei Starbucks und trank mit ihm einen heißen Kaffee.
„Also?", fragte er und wartete gespannt.
„Sehe ich irgendwie anders aus?", fragte ich. Ben musterte mich kurz und sagte dann: „Vorgestern sahst du noch nicht so scheiße aus...sonst...deine Haare sind länger."
Ich nickte und nippte an meiner Tasse.
„Ich...", fing ich an, überlegte es mir dann doch aber anders. Wie sollte man bitte jemanden erzählen, dass man in einem Traum einen Film erlebte hatte und sich dort auch verliebte hatte? Vor allem, ES WAR EIN TRAUM!
„Ich hab schlecht geschlafen und dann ist...einer meiner besten Freundinnen ist bei einer Explosion ums Leben gekommen.", sagte ich stockend und schloss kurz die Augen.
„Oh man...", murmelte Ben und strich mir sanft über die Schulter. „Das tut mir echt leid."
„Naja, dann müssen wir noch mit ihren Eltern reden, das Studium verlangt meine volle Aufmerksamkeit...es wächst mir gerade einfach alles über den Kopf.", murmelte ich und ließ mich von Ben in eine
freundschaftliche Umarmung ziehen.
„Du solltest dir eine kleine Auszeit nehmen. Die Professoren werden das bestimmt verstehen.", sagte Ben und drückte mich.
„Ich schaff das schon.", sagte ich und lehnte mich ein Stück zurück.
„Das ist aber noch nicht alles, oder?", fragte Ben und ich hob abwesend meine Kaffeetasse hoch. In
Gedanken ging ich jeden einzelnen Schritt durch, jeden Satz, jedes noch so kleine Detail, das ich in
Mittelerde erlebt hatte. Vor meinem inneren Auge sah ich Bilbo, wie er mich anstrahlte, wie Thorin seinen Killerblick aufsetzte wenn ich ihm wiedersprach und wie Dwalin und ich uns in Bruchtal anfreundeten. Aber was wirklich herausstach, waren die Erinnerungen an Fili. Wie er Mupfel ärgerte und gebissen wurde, wie er mir beim Singen zuhörte, wie er lächelte, wie er mich küsste...
„Franzi?", Ben riss mich aus meinen Gedanken und zog eine Augenbraue hoch.
„Mir geht es gut.", sagte ich und blickte auf meine Armbanduhr. Es war halb vier, in einer Stunde war ich mit Emmi verabredet.
„Ben, es tut mir leid, aber ich muss leider los. Ich bin mit einer Freundin verabredet.", sagte ich und erhob mich langsam. Aus meiner Tasche zog ich mein Portmonee, doch Ben hoch nur abwehrend die Hand und meinte: „Ich lade dich ein."
„Danke.", sagte ich drückte Ben zum Abschied noch einen Kuss auf die Wange und ging dann.
In der Bahn hatte ich seit langem mal wieder einen Sitzplatzt ergattert, was ziemlich schwer war. Ich blickte aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehende Landschaft. Wie immer fragte ich mich, ob die Erde sich einfach schneller drehte und wir uns eigentlich gar nicht bewegten, oder ob die Erde sich überhaupt drehte.
„Olympia Station.", sagte die elektronische Frauenstimme und schon fuhren wir langsamer bis wir endlich anhielten und die Türen sich durch Knopfdruck öffneten. Menschen drängten sich in die Bahn, andere
stiegen aus, immer auf dem schnellstmöglichen Weg zu ihrem Ziel. Doch ich fühlte mich seltsam, irgendwie abgeschnitten von der Zeit, als wäre ich kein Teil davon mehr. Als würde ich irgendwo anders hingehören, wo die Zeit anders lief.
„Darf ich mich setzten?", fragte eine tiefe Stimme und ich drehte mich zu einem schwarzhaarigen Mann um, der freundlich auf den Platzt neben mir zeigte. Ich nickte, obwohl ich hätte schwören können, dass dort bis eben eine Frau Mitte dreißig gesessen hatte, die ihre Tochter auf der anderen Seite des Ganges mit Argusaugen bewacht hatte. Die Tochter war noch da, sie drückte ihren überdimensionalen Teddy an sich und las ein Buch. Ich konnte den Titel auf dem Einband nicht genau sehen, aber ich kannte das Buch. Es stand bei mir zuhause im Regal und sprang mir seit einigen Tagen jedes Mal ins Auge wenn ich es sah. Es war das Buch „der kleine Hobbit" von J. R. R. Toklin. In diesem Moment fasste ich einen Beschluss, es war zwar völlig bescheuert, aber das war mir egal.
Die restliche Fahrzeit hatte ich mein Handy in der Hand und machte mir diverse Notizen. Zuhause schmiss ich meinen Laptop an und öffnete eine Worddatei. Meine Finger flogen nur so über die Tastatur, bis Emmi klingelt. Seufzend speicherte ich die Datei und schloss meinen Laptop, dann lief ich zur Tür und öffnete. Emmi sah grauenvoll aus, sie hatte dunkel Ringe unter den Augen, ihre Haare standen in alle Richtungen ab und sie hatte wahrscheinlich war los irgendwelche Klamotten zusammen gewürfelt.
„Emmi.", flüsterte ich beim Anblick meiner Freundin und schon stiegen mir wieder die Tränen in die Augen.
Um es kurz zu halten, am Ende war mein Taschentücher Vorrat aufgebraucht und zwei Packungen Florida-Eis. Emmi und ich redeten über verschiedenes, aber nicht über Anne. Ich fragte sie nach dem Pflaster auf ihrer Stirn, sie fragte mich wie ich es gemacht hatte plötzlich solange Haare zu haben. Und so ging es weiter, bis Emmi ein Thema zu sprechen brachte, das ich nicht erwartet hatte.
„Hast du mal wieder Der Hobbit geguckt, oder so?", fragte sie und ich drehte mich zu ihr um. Wir standen in meiner Küche und ich machte Kaffee. Eigentlich war ich überzeugte Tee Trinkern, aber zurzeit war Kaffee
das einzige was mich wach hielt.
„Wieso?", fragte ich zurück und sah Emmi zögern.
„Ich hatte einen seltsamen Traum.", sagte sie dann und ich fuhr fort: „Ein Traum von Mittelerde, in dem Thorin ein totaler Idiot war und Gandalf zum Stalker mutiert ist?"
„Woher weißt du das?", fragte Emmi. Ich drückte ihr eine Tasse in die Hand und schob mich an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Dort ließ ich mich auf die Couch fallen und nippte an meiner Tasse, bevor ich antwortete: „Ich würde sagen ich hatte den selben Traum. In dem wir im Krieg waren und Kili und...Fili sind gestorben."
„Ja, und da war Thranduil und Smaug und einfach alles.", sagte Emmi und ich nickte.
„Das war aber nur ein Traum.", stellte ich klar und stellte meine Tasse auf den Wohnzimmertisch.
„Aber was wenn es wirklich passiert ist?", fragte Emmi.
„Das ist völlig unmöglich."
„Und was wenn nicht?"
„Dann will ich zurück.", sagte ich ohne zu zögern und Emmi grinste.
„Ich auch.", sagte sie und dann schien es als würde sie ein Gedanken packen. „Das heißt aber Anne wäre garnicht tot. Weißt du noch in jeder FanFiction die wir je gelesen haben, muss man sterben um nach
Mittelerde zu kommen."
„Ja, oder du wirst eine Toilette runter gespült.", sagte ich und rieb mir über die Stirn.
„Man Franzi.", sagte Emmi und ich entschuldigte mich.
„Okay, mal rein hypothetisch gesehen, wenn das alles stimmt, was du sagst, warum sind wir dann in
Mittelerde gelandet und wieder her gekommen?", fragte ich nach langem Schweigen und Emmi zuckte die Schultern.
„Ich hab keine Ahnung.", sagte sie und blickte auf die Uhr die bei mir an der Wand hing.
„Oh scheiße.", fluchte sie. „Ich muss los. Ich war schon vor einer halben Stunde mir meinen Eltern zum
Essen verabredet."
Ich brachte Emmi noch zur Tür, wo wir uns verabschiedeten und dann für den nächsten Tag eine Uhrzeit festlegten an der wir uns treffen wollten, dann ging sie.
Ich schloss die Tür und holte unsere Tasse aus dem Wohnzimmer. Emmis stellte ich in die
Spülmaschine und mir machte ich noch einen Tee. In meinem Zimmer machte ich meinen Laptop wieder auf und schrieb die letzten paar Sätze. Als ich fertig war zog ich das alles auf einen USB-Stick und beschloss morgen zu einem Hobbyshop zu gehen. Auf meiner Uhr war es kurz vor halb acht, weshalb ich meinen iPod an meine Boxen anschloss und leise Musik anmachte. Dann öffnete ich meinen Kleiderschrank und begann aus zu sortierten. Es dauerte zwar fast drei Stunden und mich jede Menge Willenskraft aber am Ende hatte ich fast sieben große IKEA-Tüten voll und einen zu große Schrank. Ich stellte die Tüten neben die Tür und legte meinen USB-Stick auf einen Anrichte da drüber. In meinem Zimmer sammelte ich meine restliche Kleidung aus dem Schrank und nahm die Fotos von den Türen, die ich dort über die Jahre hinweg
gesammelt hatte. Das letzte was ich an diesem Abend tat, war ein paar Fotos von meinem Schrank zu schießen und sie auf eine Internetseite zu stellen. Es war Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen und dieses Kapitel begann jetzt...

Vier Bekloppte in MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt