Alfrid, das Topmodel

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Anne POV:
Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wie ich es in diesem Chaos geschafft hatte, Bards Kinder und die ganzen anderen Frauen zu finden.
Aber mit Mupfels Hilfe hatte ich mich durch die Stadt gekämpft, ohne einen Kratzer abzubekommen und jetzt hockten wir hier alle in einem kleinen, versteckten Hinterhof und warteten...tja, auf was?
Dass der Krieg vorbei gehen würde?
Oder doch eher darauf, dass wir alle einfach sterben würden?
Ich saß auf einem Stein und durch die Kälte hatte ich das Gefühl mein Hintern wäre abgefroren, aber ich versuchte gerade eine Wunde zu verbinden, die sich ein kleiner Junge zugezogen hatte, als er seine Eltern suchte. Er hatte sie gefunden, aber andere hier hatten weniger Glück gehabt. Eine Frau, die fast noch in meinem Alter war, weinte schon die ganze Zeit lautstark um ihren gefallenen Mann. Mich nervte das mittlerweile ein bisschen, aber gleichzeitig tat sie mir auch furchtbar leid, denn ich konnte unter ihrem Kleid den runden Bauch sehen. Wenn sie das hier überlebte, würde sie bald ganz alleine mit einem Neugeborenen da stehen.
„Bain, bringst du mir etwas Wasser?", fragte ich und der Sohn von Bard wollte schon aufspringen, aber eine Frau, die sich als Almarian vorgestellt hatte, kam ihm zuvor.
„Danke", sagte ich und wusch mir das Blut von den Händen, bevor ich ein paar Schlucke trank. Der kleine Junge wischte sich mit einem Ärmel die Tränen von der Wange und lief wieder in die Arme seiner Mutter.
„Wir sollten hier nicht einfach so rumsitzen", sagte ich nachdenklich und Almarian nickte. Plötzlich sprang sie auf und griff sich einer Art Kronleuchter.
„Wir stehen unseren Männern im Leben zur Seite! Also, auf in den Tod!"
Es hörte sich zwar nicht ganz so verlockend an, was sie da rief, aber von allen Seiten hörte ich zustimmende Rufe, wie: „Ich komme mit!", oder: „Bis in den Tod!".
„Bewaffnet euch!", sagte Almarian.
Auch Bain stand schon wieder auf den Füßen und griff sich eines der wenigen Schwerter. Ich dachte gar nicht erst daran, ihn anzuhalten, weil er eh wieder das machen würde, was er nicht sollte.
„Los, Mupfel! Schwing deine Federn", rief ich und die riesige Eule kam angehüpft. Ich brauchte nur meinen Dolch, Mupfel reichte als Waffe.
In diesem Moment bekam ich mit, wie sich eine vermeintlich alte Frau zierte, aufzustehen.
Den hab ich ja ganz vergessen!
Ich verdrehte die Augen und sah zu, wie Almarian ihm den Umhang weg zog.
„Was bist du doch für ein Feigling!", sie spuckte fast, so sauer war sie.
„Ein Feigling? Nicht jeder Mann wäre mutig genug, ein Korsett zu tragen!", entgegnete Alfrid und ich musste einfach leicht kichern.
„Du bist kein Mann. Du bist ein Wiesel.", mit diesen Worten drehte sich die dunkelhaarige Frau um und die anderen folgten ihr, ließen es sich aber nicht entgehen, nochmal den ehemaligen Berater des Bürgermeisters auszulachen.
Ich ging ihm mit einem breiten Lächeln entgegen und er funkelte mich schon wütend an, bevor ich über-haupt den Mund aufmachte. Er konnte sich wohl noch an mich erinnern.
„Alfrid, noch einen Rat. Wenn du das nächste Mal shoppen gehst, such dir doch bitte ein anderes Kleid aus. Da drin siehst du ein bisschen...naja, fett aus. Als Model würdest du es nicht sehr weit bringen", sagte ich kurz angebunden und führte innerlich einen Freudentanz auf, als ich sein Gesicht sah. Ich klopfte ihm noch einmal auf die Schulter und lief dann den anderen hinterher.

*Ich blieb immer in der Nähe von Bain, um ihm im Notfall zu helfen, während wir versuchten seinen Vater wieder zu finden. Tilda und Sigrid saßen auf Mupfel, sodass sie auf keinen Fall Gefahr liefen, im Getümmel abhanden zu kommen. Mupfel jumpte fröhlich durch die Orkmassen und zermatschte einen nach den anderen. Ich musste mich beeilen, hinterher zukommen, weil er doch schon ein ziemliches Tempo drauf hatte.
„Bain! Bleib hier!", brüllte ich und dieser hackte einem Ork mit einem sauberen Schnitt den Kopf ab, bevor er sich wieder umdrehte.
„Ich bin doch hier", sagte er schon etwas genervt, weil ich mich hier wie eine besorgte Mutter aufführte, aber ich hatte es Bard versprochen, auf seine Kinder auzupassen. Naja, eigentlich mussten sie eher auf mich aufpassen, wenn man's genau nimmt, aber egal...
„Pass einfach auf, dass du nicht abkratzt, ja?", sagte ich noch, war aber schon damit beschäftigt eine Trep-pe zwischen zwei Häusern hoch zu laufen, weil ich hoffte, von da einen besseren Überblick zu haben. Und tatsächlich konnte ich von oben bis zu der Schlacht vor der Stadt sehen. Ich blickte mich um und sah überall nur kämpfende Orks, Menschen, Zwerge, Elben und was hier noch so alles rum kroch. Wie sollten wir hier jemals Bard finden?
Ich seufzte und wollte mich gerade wieder an den Abstieg machen, als mich ein Ork entdeckte. Er grunzte und lief die Treppe hoch.
„Scheiße", fluchte ich und suchte panisch nach einem Ausweg. Ich rannte ans eine Ende des Hausdaches, auf dem ich war und dann wieder zurück. Doch der einzige Weg nach unten war die Treppe, auf deren halben Höhe diese hässliche Fratze gerade hoch rannte.
„MUPFEL!", schrie ich laut, doch der konnte mir auch nicht helfen, weil er gerade mit zehn Orks gleichzeitig kämpfte.
„Maaaan, wieso immer ich?"
Ich zog den Dolch hervor, der mir jetzt so mini wie ein Taschenmesser vorkam und fuchtelte damit in der Luft herum.
„Geh weg!", rief ich, doch den Ork interessierte das reichlich wenig, weil er auch gemerkt hatte, dass ich keine Chance haben konnte.
Er gab ein Laut von sich, der sich anhörte wie ein sterbender Löwe und ich verzog das Gesicht. Musste der jetzt auch noch anfangen zu sabbern?
Ich stellte mich in einem Ausfallschritt hin und hielt den kleinen Dolch schützend vor mich, als der Ork in einem Affenzahn auf mich zu rannte.
Kurz überlegte ich noch die Augen zu zu machen, aber wenn ich eine ernsthafte Chance haben wollte, sollte ich schon noch sehen können, wo ich hin lief.
Je näher dieses Viech kam, desto mehr Schritte machte ich nach hinten, doch irgendwann stieß ich mit dem Rücken an eine Mauer. Jetzt hatte ich wirklich ein Problem.
„Stirb!", schrie ich und im nächsten Moment sackte der Ork wirklich zusammen.
„Hä?", sagte ich verdutzt und ließ meine Arme sinken.
„Boha, ich kann zaubern!", freute ich mich, doch dann sah ich Bard, der ein Schwert aus dem Rücken des Orks zog und zog beleidigt eine Schnute. Zu früh gefreut.
„Bard mit Bart! Du kommst immer im richtigen Moment!", sagte ich und er winkte ab.
„Solltest du nicht eigentlich auf meine Kinder aufpassen und dich nicht von einem einzelnen Ork umlegen lassen?", fragte er streng.
„Jaaaa. Sorry", entgegnete ich langgezogen, zeigte dann aber auf Mupfel.
„Ich hab alles im Griff gehabt. Siehst du, er passt auf Sigrid und Tilda auf und Bard macht ja sowieso immer alles, was er will."
„Wir sollten hier wieder runter. Es bringt niemandem etwas, wenn wir hier weiter tatenlos rumstehen", wechselte der Bogenschütze das Thema und ich stimmte ihm zu.
Also liefen wir wieder die Treppe runter und schlugen uns zu Bain und Mupfel durch. Bard gab mir zwi-schendurch noch ein anständiges Schwert, das er einem Toten abgenommen hatte und ich blieb abrupt stehen.
„Stopp."
„Was ist denn jetzt wieder los?", fragte Bard ungeduldig und ich sah mich um.
„Wo. Ist. Elladan?"
Jetzt sah sich auch der Drachentöter um und runzelte die Stirn.
„Er war eigentlich die ganze Zeit hinter mir."
„Willst du mir damit sagen...dass...dass er...", ich wollte gar nicht weiter sprechen und wedelte mit den Händen in der Luft herum.
„Beruhige dich, Anne. Ich hab nicht gesagt, dass er tot ist. Ich habe nur gesagt, dass ich nicht mehr darauf geachtet habe, in welche Richtung er gelaufen ist."
„Das ist genauso schlimm, verdammt!", jammerte ich rum und Bard gab es auf.
Gerade kam eine neue Mini-Armee von Orks und Trollen durch eine Straße auf uns zu.
„Wir sollten hier weg."
„Aber...", ich kam gar nicht weiter, weil mich Bard einfach packte und hinter sich her zerrte.
„Wir müssen Elladan finden!", zeterte ich rum.
„Wir müssen erstmal dafür sorgen, dass wir nicht selbst sterben. Dann können wir weiter sehen", konterte der braunhaarige Mann und wehrte einen Gobblin ab, der quiekend wieder abzog.
„Dann lass mich alleine laufen!"
Bard ließ mich los und ich rieb mir meinen schmerzenden Arm und blieb kurz stehen, um einen Ork abzu-murksen. Es war zwar immer noch nicht so ganz normal für mich, irgendwelche Typen zu töten, aber um mein Leben zu retten, machte ich es dann doch liebend gerne.
Nachdem mein Gegner gefallen war, beeilte ich mich, um wieder zu dem Bogenschützen aufzuschließen, der jetzt gar keinen Bogen mehr hatte, aber das interessiert gerade sowieso niemanden...
Dann hörte ich ein paar Straßen weiter ohrenbetäubendes Gebrüll, dass wirklich alles übertönte. Bard und ich sahen uns einen kurzen Augenblick beide an, bevor wir los stürzten. Wir sprinteten um ein paar Ecken, um auf einen kleinen Platz zu kommen und dann sah ich ihn endlich.
Elladan war gerade dabei, drei Orks gleichzeitig abzuwehren. Sein Kampfstil war genauso schnell und ge-schmeidig, wie die der anderen Elben. Es sah fast so aus, als würde er tanzen, aber es war ein tödlicher Tanz, wie die Orks am eigenen Leib erfahren mussten. Jede Bewegung, die er machte, saß an der richtigen Stelle und jedes Mal, wenn er sich um sich selbst drehte, fiel ein weiterer Ork zu Boden. Und auf einmal wurde mir wieder bewusst, wieso ich ihn so sehr liebte und wieso ich so erleichtert war, als ich sah, dass er nur einen einzigen Kratzer an der Stirn abbekommen hatte.
Ich lief zu ihm hin und tötete den letzten Ork von hinten mit einem gezielten Stich in den Nacken, dort, wo keine Rüstung war.
„Anne? Ich hatte doch gesagt, dass du dich in Sicherheit bringen sollst!", rief der braunhaarige Elb verwundert, doch er schien nicht besonders böse zu sein, weil er mich im nächsten Moment wieder an sich zog und küsste.
„Ich dachte schon, ich hätte dich verloren", flüsterte ich erleichtert, als wir uns wieder voneinander gelöst hatten.
„Du wirst mich nie mehr verlieren", entgegnete er und strich über meine Hand, wo bald ein Ring sein wür-de. Der Antrag schien schon wieder Tage her zu sein, obwohl es in Wirklichkeit vielleicht nur eine Stunde gewesen war.
„Das hoffe ich doch!", sagte ich und lächelte leicht.
„Ähm, entschuldigt, dass ich euch beiden mal unterbrechen muss, aber wir bekommen Besuch", ertönte Bards Stimme und wir sahen beide auf. Ein riesiger Troll kam gerade auf uns zu getorkelt.
„Bist du bereit?", fragte Elladan und ich grinste.
„Bereit, wenn du es bist!"

Vier Bekloppte in MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt