Dáin

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Lea POV:
Ein dumpfer, rhythmischer Ton hallte über die Landschaft und er hörte sich so unheilvoll an, dass ich eine Gänsehaut bekam. Alle schauten zu einem Hang, von dem das Geräusch her kam und immer lauter wurde. Bald stellte es sich als das Stampfen von Zwergen heraus, begleitet vom Klirren ihrer Rüstungen.
Im nächsten Moment erschien die erste Reihe des Zwergenheeres am Berg und ihnen vorneweg, ritt Thorins Cousin Dáin Eisenfuß, der Heer der Eisenberge, auf einem fetten Schwein.
„Oh, man. Der hat's wirklich gemacht. Wie kann so ein krasser Typ auf einem Schwein hier her latschen?", fragte Franzi neben mir und ich musste gegen meinen Willen leise kichern.
Das Zwergenheer sah schon extrem cool aus, viel cooler als die Elben, meiner Meinung nach. 'Unsere' Zwerge fingen an zu grölen, doch Franzi und ich hatten kein Bock, mit zu machen.
Jetzt kam in das Elbenheer Bewegung und die goldenen Rüstungen blendeten mich kurz, als sie mit schnellen Schritten los marschierten und sich die Wintersonne für einen Moment in ihren Waffen wieder spiegelte.
„Wie kann man nur so blöd sein", seufzte ich und strich mir einmal durch die Haare.
Schließlich blieben Elben und Zwerge gegenüber voneinander stehen, nur Dáin trat vor. Ich konnte ihn von so weit weg, nicht richtig erkennen, aber er musste rote Haare, genauso wie im Film haben.
„Guten Morgen! Wie geht's uns allerseits?"
Die Stimme von Dáin hörte sich irgendwie ruppig an und war ganz anders als Thorins tiefe Stimme, die, wenn er wollte, auch ziemlich ruhig und sanft klingen konnte. Ich lehnte mich etwas vor, um besser das Geschehen unter uns beobachten zu können.
„Ich hätte einen kleinen Vorschlag zu machen, wenn ihr mir einen kleinen Moment Zeit schenken würdet...", fing der rothaarige Zwerg an und brüllte im nächsten Moment los: „Wärt ihr so freundlich...UND VERSCHWINDET VON HIER. IHR ALLE, UND ZWAR SOFORT!"
Die Menschen aus der Seestadt wurden ziemlich eingeschüchtert, wichen zurück und manche von ihnen wollten sich schon ganz davon machen.
„Haltet die Stellung!", brüllte Bard und Mupfel piepste aufgedreht. Er war riesig geworden und ich konnte gar nicht mehr erwarten, ihn endlich wieder zu knuddeln.
„Och, nicht doch. Fürst Dáin", mischte sich jetzt Gandalf ein und ich suchte die Menge nach Bilbo ab, konnte ihn aber nirgends entdecken. Auch bei Anne und Elladan stand er nicht.
„Gandalf, der Graue...Sagt diesem Gesindel, es soll verschwinden. Sonst tränke ich den Boden mit ihrem Blut!"
Die Menschen fingen an zu tuscheln und wussten nicht Recht, was sie machen sollten, doch die Elben wiederum standen weiterhin unbeweglich in Reih und Glied. Der Herr von den Eisenbergen war mir jetzt zu anstrengend.
„Ein Krieg zwischen Zwergen, Menschen und Elben ist unnötig. Ein Heer von Orks marschiert auf den Berg zu. Haltet eure Streitmacht zurück."
„Vor den Elben halte ich überhaupt nichts zurück. Und schon gar nichts von diesem ehrlosen Waldlandkobold. Der wünscht sich nur das Schlechteste für mein Volk und sollte er sich zwischen mich und meine Sippe stellen, dann spalte ich ihm seinen hübschen Schädel! Mal sehen, ob er dann immer noch so fein lächelt..."
Dain zeigte mit seinem krassen Hammer auf Thranduil und ich grinste.
„Ja, mach ihn fertig!", feuerte ihn Franzi leise an und die Zwerge begannen wieder zu jubeln und schlugen mit den Waffen zustimmend gegen den Wall.
„Er ist ebenso irrsinnig, wie sein Vetter", sagte Legolas Vater fein lächelnd und Dwalin und die anderen verstummten wieder.
„Hört ihr, Freunde? Es geht los, verpassen wir dem Dreckskerl eine ordentliche Abreibung!"
Männer...Im Zweifelsfall müssen sie sich immer gegenseitig die Fresse polieren...
Von irgendwo brüllte ein Befehlshaber etwas auf Khuzdûl und das Zwergenheer antwortete laut und brachte die Waffen in Postion. Auch die Elben formatierten sich schnell neu.
Doch dann kam das, was alle außer Gandalf bisher ignoriert hatten. So ne hässlichen XXL-Regenwürmer kamen aus der Erde, die unter unseren Füßen bebte.
Jetzt lachte keiner mehr und als dann ein Horn ertönte und tausende von Orks und anderen komischen Viechern auf der Bildfläche erschienen, kapierte auch der letzte Depp, dass Gandalf Recht gehabt hatte.
Die Hälfte des Zwergenheeres mit Dáin an der Spitze ging auf die Streitmacht von Azog los.
„Haha, voll verkackt!", freute sich Franzi und ich verdrehte die Augen.
„Ich kletter den Wall runter, wer kommt mit?", und ähnliche Sätze ertönten von den Zwergen, doch Thorin wandte sich von der Mauer ab.
„Legt die Waffen nieder", befahl er und unter den Zwergen herrschte Verwirrung.
„Sollen wir gar nichts tun?", hielt Kili dagegen und kassierte einen von Thorins berühmten Blicken.
„Ich sagte, legt die Waffen nieder!"
Der Zwergenkönig stapfte die Treppe zum Wall runter.
„Thorin, du Memme. Jetzt mach hier mal nicht einen auf Super-King und helf, verdammt noch mal, deinem Cousin!", herrschte Franzi ihn an, doch er ließ sich davon nicht sonderlich beeindrucken.
Ich wandte mich kopfschüttelnd wieder dem Geschehen vor dem Berg zu. Die Elben taten tatsächlich nichts, während sich die Zwerge todesmutig immer weiter ihrem Verderben näherten. Es war tausend mal schlimmer, dass alles in echt zu sehen, als vor dem Fernseher zu sitzen. Hier war es ernst und ich war auch noch mittendrin...
Aber wenigstens kam jetzt meine Lieblingsstelle im ganzen Film. Die Zwerge errichteten einen Wall aus Schilden und die Elben hatten es sich jetzt doch anders überlegt und sprangen über die Zwerge hinweg, direkt in die Reihen der Orks, die angestürmt kamen. Ich beobachtete wie Mupfel durch die Bestien hüpfte und dabei viele von ihnen einfach platt wälzte. Er musste gar nicht viel machen, nur ab und zu schnappte er mit seinem, jetzt ziemlich scharfem, Schnabel nach ein paar Orks. Ich musste schon sagen, Elladan hatte ganze Arbeit geleistet und ihn zur krassen Kampfmaschine gemacht.
Hach, ja...Das ist mein Mupfel!
Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, wo ich als Erstes hingucken sollte, weil so viel auf einmal passierte. Ich entdeckte Anne, die zum Glück immer dicht bei Elladan blieb und in Richtung Stadt ritt. Wahrscheinlich hatte sie ihm gesagt, dass die Leute in Thal Hilfe brauchen würden, womit sie ja auch Recht hatte.
Auf einem hohen Berg sah ich jetzt endlich den, den ich die ganze Zeit gesucht hatte. Azog, der Schänder war feige, wie er war, in Sicherheit vor dem Kampf, der unter uns herrschte. Er gab nur irgendwelche Befehle und ich wusste, dass jetzt ein anderes Orkheer auf Thal zu steuern würde, um die Stadt dem Erdboden gleich zu machen.
Das war genug.
Ich wandte mich vom Wall ab. Diese Bilder reichten, damit sie bestimmt noch jahrelang in meinen Träumen umher spuken würden. Vorausgesetzt, dass ich hier überhaupt lebend raus kam...
Franzi tat das Gleiche und wir traten zu den Zwergen, die nicht wussten, was sie von Thorins Befehl halten sollten.
„Ich kann nicht einfach tatenlos zusehen, wie unsere Brüder und Schwestern da draußen sterben, ohne dass ich einen Finger gekrümmt habe!", ließ Dwalin wütend verlauten und bekam von allen zustimmendes Gemurmel zu hören.
„Wir können uns aber auch nicht einfach gegen den Befehl unseres Königs stellen", entgegnete Bofur und wieder nickten alle.
„Und wieso nicht?", fragte ich.
„Weil er unser König ist! Wir würden unsere Treue ihm gegenüber brechen", rief Kili entrüstet aus und ich zuckte mit den Schultern.
„Na und? Müsst ihr immer alles machen, was euer König sagt, auch wenn es der größte Fehler ist, den er jemals gemacht hat?"
„Was ist nur vorgefallen, dass du dich so gegen ihn stellst, Lea?", fragte Balin traurig und mein Blick wurde hart.
„Nichts, was von großem Belang wäre. Also, was ist?"
Ich sah die Männer auffordernd an, doch sie schüttelten nur deprimiert mit den Köpfen und blieben da sitzen, wo sie waren.
„Dann eben nicht", sagte ich etwas beleidigt und ließ mich auch auf einen Stein fallen.
Jetzt weiß ich auch nicht mehr weiter.
Wir hatten alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. So viele Sachen hätten wir Mädchen verhindern können, doch am Ende lief alles so ab, wie es von Anfang an vorgesehen gewesen war. Jetzt waren wir schon hier und schafften es trotzdem nicht irgendetwas zu verändern!
Ich kämpfte gegen die Tränen an, die sich in meinen Augenwinkeln anstauten, während im Hintergrund die Schlacht im vollen Gange war und der Kampflärm fast alles übertönte.
Kili würde sterben, ohne dass wir etwas dagegen tun konnten.
Thorin würde gegen Azog kämpfen und ebenfalls sterben. Ich würde ihn verlieren, was ich mir niemals verzeihen könnte. Mir war schon längst klar geworden, dass er mir mehr bedeutete, doch wenn er nie jemanden näher an sich heran ließ, hatte ich auch keine Macht mehr.
Und Fili würde sterben, ohne dass er sich mit Franzi vertragen würde. Meine Freundin würde für immer am Boden zerstört sein und...
In diesem Moment hatte ich einen Geistesblitz. Ich wusste plötzlich, wie wenigstens Franzi und Fili für eine kurze Zeit glücklich sein könnten und gleichzeitig konnte ich mich an ihr rächen, weil sie mir den Streich gespielt hatte. Ich wusste, dass sie es hasste, in dunklen Räumen eingesperrt zu sein...
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und alle sahen mich überrascht an.
„Franzi, du musst sofort mitkommen...Jetzt!", rief ich und zog sie einfach mit mir, bevor sie irgendetwas entgegnen konnte.
„Man, Lea. Was ist denn jetzt los?"
„Erklär ich dir gleich", log ich, während ich nach einem geeignetem Raum Ausschau hielt. Nach kurzem Laufen fand ich auch einen, der früher mal als eine kleine Waffenkammer gedient haben musste. Außerdem hatte er eine schwere Holztür. Perfekt.
„Okay...also...jetzt kann ich dir alles erklären...", fing ich an, brach dann aber ab.
„Oh, verdammt. Ich hab was vergessen. Warte kurz hier, ja? Und rühr dich nicht vom Fleck!"
„Mach aber schnell. Hier ist es gruselig", entgegnete meine Freundin und ich verschwand nur mit einem: „Jaja.", wieder.
Dann lief ich den Weg zurück zum Wall und bereitete schon mal meine wunderbaren Schauspielkünste vor, die wohlgemerkt auf dem Niveau eines Kleinkindes standen, aber egal. Dann stürmte ich gespielt aufgelöst wieder die Treppe hoch.
„Verdammt! Fili, du musst sofort kommen!", rief ich aufgeregt und wedelte mit den Händen in der Luft herum.
„Was ist los?", fragte er uninteressiert, was sich aber sofort änderte, als ich sagte: „Ich weiß auch nicht...Franzi...Sie ist plötzlich zusammen gebrochen und ruft immer wieder deinen Namen...Ich...Ich hab versucht, sie zu beruhigen, doch sie hat versucht, mich zu kratzen und brabbelt nur noch irgendwas von dir...Ich...Sie ist völlig außer sich!"
Alle Zwerge waren sofort besorgt und wollten meiner Freundin helfen, doch ich versicherte ihnen, dass das nur Fili tun konnte. Dieser wurde fast krank vor Sorge und brüllte mich fast an, dass ich ihm gefälligst zeigen sollte, wo meine Freundin war. Ich rannte los, der blondhaarige Zwerg mir hinterher und ich musste ihn nur noch zu der alten Waffenkammer führen. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, als mich Fili fast im Laufen überholte.
„Wo ist sie?"
„Wir sind gleich da", schnaufte ich, weil ich schon wieder aus der Puste war.
Ich konnte Franzi schon sehen, die sich in dem halbdunklem Raum auf den Boden gesetzt hatte und kerngesund auf mich wartete.
Dann musste ich gar nicht mehr viel machen. Fili stürzte ganz von alleine in den Raum und rief völlig außer sich Franzis Namen, die verwirrt auf stand und ihn mit hochgezogener Augenbraue ansah. Ich blieb im Türrahmen stehen und musste breit grinsen. Nach kurzer Zeit kapierten beide, dass ich sie angelogen hatte und sie wandten sich wütend mir zu. Ich lachte fies.
Dann knallte ich die schwere Tür vor Filis Nase zu, der sofort darauf einschlug und etwas unverständliches brüllte.
„So, ich hab mir das jetzt mit euch beiden lange genug angesehen. Ihr werdet euch jetzt aussprechen und ich will genau hören, dass ihr euch beide entschuldigt. Habt ihr mich verstanden? Und ihr kommt nicht eher raus, bis ihr euch vertragen habt. Also, strengt euch gefälligst ein bisschen an!", schrie ich durch die geschlossene Tür und eine lange Stille entstand. Wahrscheinlich glubschten sich beide gerade gegenseitig an und wussten nicht, ob sie das jetzt machen sollten oder nicht.
„Ich höre ja gar nichts! Seid ihr noch da?", fragte ich mit einem höhnischem Unterton. Dann lehnte ich mich an die Tür und hörte zu, wie Franzi endlich anfing zu reden.

Vier Bekloppte in MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt