Eisblaue Augen

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Franzi POV:
Sein Blick war leer. Dort war nichts mehr von dem Zwerg, den ich liebte. Er war fort.
Ich umklammerte Filis Hand und fuhr mit den Fingerspitzen über seine Wange. Der Schnee um ihn herum hatte sich von seinem Blut rot gefärbt und das rot vermischte sich mit dem schwarz des Okrblutes. Mir war kalt, aber nicht vom Schnee, sondern von der Leere, die ich spürte. Es war nicht mal ansatzweise so schlimm wie damals, als ich gedacht hatte, dass er mich hasste. Der Wind fuhr durch meine Haare, doch ich merkte es nicht. Ich merkte gar nichts, als hätte man jede Empfindung aus meinem Körper vertrieben.
„Ich liebe dich.", flüsterte ich immer wieder leise, obwohl ich wusste, dass er mich nicht hören konnte. Denn er war fort, an einem Ort, den ich niemals zu Gesicht bekommen würde.
Ich hatte ihn verloren, für immer.
Meine Tränen waren bereits vor geraumer Zeit versiegt und hatten diesem großen Loch in meinem inneren Platzt gemacht, das mich immer weiter zu zerstören schien. Ich hatte mir die schönsten Dinge ausgemalt. Wie wir abends zusammen an einem Kamin saßen und er mir Geschichten erzählte. Wie er mich seiner Mutter vorstellte.
Wie er mir immer wieder sagte, dass er mich liebte.
Alles war zerstört.
„Ich liebe dich.", hauchte ich und drückte ihm sanft einen Kuss auf die Stirn. Vorsichtig schloss ich seine Augen, weil ich seinen eisblauen Blick nicht mehr sehen konnte. Er schien mich an zu schreien und zu verurteilen. Mich dafür verantwortlich zu machen, dass er tot war.
Ich war ganz allein an einem Ort, den ich nicht mein Zuhause nennen konnte und hatte gerade das Wichtigste in meinem Leben verloren. Der Wind heulte durch die jahrhundert alten Gänge des Rabenberges und ich schrie meine Frust und Trauer heraus, in der Hoffnung, dass er sie weit weg tragen würde.
„Franzi!"
Ich hatte es kaum gehört, doch es war da gewesen. Ich hob den Kopf und sah mich um. Erst sah ich niemanden, doch dann erblickte ich Emmi, die mit ihrem Schwert in der Hand auf mich zu rannte und ziemlich rote Wangen hatte.
Nur langsam kam ich auf die Füße und wollte mich im selben Moment, in dem ich stand, wieder fallen lassen. Emmi konnte mich gerade noch rechtzeitig auffangen, bevor ich umkippte.
„Franzi, ich kann ihm helfen.", sagte Emmi und half mir, mich wieder zu setzten.
„Niemand kann ihm helfen. Er ist...er ist...", ich konnte es nicht. Nicht noch einmal aussprechen und mir damit eingestehen, dass er wirklich tot war.
„Ich kann ihm helfen. Weißt du nicht mehr?", fragte Emmi und zog ihre Kette hervor. Ich blinzelte kurz, doch dann verstand ich.
„LOS!", brüllte ich plötzlich und schlug mir dann die Hand vor den Mund. „Tut mir leid, Emmi."
Emmi tätschelte mir leicht die Schulter und beugte sich dann über Fili. Genau wie Lea damals bei Thorin, legte sie ihm die Kette auf die Brust und schloss dann die Augen.
„Konzentrier dich.", flüsterte ich und Emmi öffnete wieder die Augen.
„Was glaubst du, tu ich hier?", fragte sie ironisch. Ich zuckte nur mit den Schultern und Emmi schloss genervt wieder die Augen.
„Du schaffst das.", murmelte ich und jetzt stöhnte Emmi entnervt auf.
„Franzi, wie wäre es mal mit einer Minute Stillschweigen? Schließlich rette ich hier deinen Schatz und nicht meinen.", fauchte Emmi und ich biss mir auf die Unterlippe. Emmi machte nach einem Seitenblick auf mich wieder die Augen zu und konzentrierte sich. Sie legte ihre Kette auf Filis Brust und atmete tief durch. Einen Moment lang passierte nichts, doch dann begann die Kette unter ihren Fingern rot an zu glühen. Das Leuchten wurde immer heller, bis es unerträglich wurde und ich die Augen schloss. Dann war es fort und ich riss die Augen wieder auf. Emmi hatte ihre Hand mit der Kette weggenommen und beobachtete, wie Fili sich nicht rührte. Plötzlich schlug sie ihm mit der geballten Hand auf seine Brust und im nächsten Moment schnappte Fili nach Luft. Emmi grinste zufrieden, stand auf und ging.
„Fili!", flüsterte ich und zwang mich auf die Füße. Ich ging ein paar wackelige Schritte und ließ mich dann wieder neben ihn fallen.
„Fili.", flüsterte ich wieder und er hörte mich. Langsam öffnete er die Augen und guckte mich an. In seinem Blick lag so viel Liebe und Wärme, dass mir prompt wieder die Tränen in die Augen stiegen.
„Du lebst.", murmelte ich und lachte leise. Scheiß Euphorie versteht sich...
„Franzi.", hauchte Fili und hob vorsichtig eine Hand. Er strich mir über die Wange und lächelte leicht. Ich schmiegte mein Gesicht in seine Hand und küsste sanft die Handinnenfläche.
„Ich hatte einen seltsamen Traum, givashel", fuhr er fort und setzte sich langsam auf. Ich stützte ihn sofort und half ihm, sich dann gegen die Steinwand zu lehnen.
„Ich hab geträumt, ich sei gestorben. Dieser Schmerz...doch du warst da...und dann war der Schmerz weg...", erklärte er und griff nach meiner Hand.
„Du bist nicht tot. Du lebst.", sagte ich und strich ihm mit meiner freien Hand zart über die Wange.
„Ich liebe dich.", flüsterte Fili und ich lächelte.
„Ich liebe dich auch.", murmelte ich.
Dieser Kuss war sogar noch besser als der Erste. Er war zärtlich und sanft und doch spürte ich die Leidenschaft. Fili vergrub eine Hand in meinem Haar und zog mich noch ein Stück näher zu sich heran. Meine Hand lag auf seiner Brust, bis er zusammen zuckte und ich mich schlagartig von ihm löste.
„Ist alles okay?", fragte ich ängstlich und Fili nickte. „Es tat nur kurz weh."
Er streckte die Arme aus und erst nach kurzem Zögern kuschelte ich mich an ihn.
„Versprich mir, mich nie wieder zu verlassen.", hauchte ich und lauschte dem immer gleich bleibenden Schlagen seines Herzen.
„Versprochen.", murmelte er und drückte mich. Das Loch in meinem Inneren war fort und ich spürte meinen rasenden Herzschlag. Meine Finger fuhren vorsichtig über den zerrissenen Stoff seines Hemdes, das immer noch Blut durchtränkt war und ich zitterte leicht. Immer wieder musste ich mir sagen, dass er wieder da war, dass er lebte, dass er mich liebte.
Fili legte sanft seine Hand auf meine und ich blickte auf. Es war, als würde sein Blick Bände sprechen und mir so vieles sagen.
„Das ist zwar jetzt furchtbar peinlich, aber seit wann liebst du mich?", fragte ich und wartete gespannt auf eine Reaktion. Fili schien einen Moment zu überlegen, bevor er mir antwortete: „Ich denke, ab dem ersten mal als du Thorin die Stirn geboten hast. Ich hab dich dafür bewundert, dass du so viel Mut hattest."
„Aber Bewunderung ist ja eigentlich nicht...", sagte ich und Fili lachte. Mit einem Stöhnen hörte er auf und verzog das Gesicht.
„Darf man bei dir denn überhaupt keine Geheimnisse haben?", fragte er und ich schüttelte den Kopf.
„Na schön.", fing Fili an „Ich hab es gemerkt, als wir uns damals in der Höhle in den Nebelbergen unterhalten haben. Du bist eingeschlafen und hast dich an mich gelehnt. Du sahst so friedlich aus und schön. Danach hab ich mich total schlecht gefühlt, weil ich dachte, dass Kili dich ja auch liebt."
„Tja, ich würde sagen, das beweist nur, dass ihr beide einen guten Geschmack habt.", sagte ich mit einem Grinsen und Fili nickte lächelnd. Doch in diesem Moment fiel mir etwas ein.
„Kili!", flüsterte ich und sprang auf. Fili sah mich irritiert an, doch ich hatte jetzt keine Zeit, ihm das zu erklären.
„Du musst dich verstecken. Irgendwo, wo dich niemand findet.", sagte ich und hob mein Schwert auf, das neben mir auf dem Boden gelegen hatte. „Bitte, tu das für mich."
„Wieso?", fragte Fili und versuchte auf die Füße zu kommen. Ich griff nach seinen Armen und half ihm.
„Ich kann dir das nicht sagen. Du musst mir einfach nur vertrauen.", sagte ich und reichte Fili dann mein Schwert. „Ich weiß, es ist nicht unbedingt ein Männerschwert, aber es wird reichen."
Fili schloss seine Hand um den Griff und zögerte.
„Komm mit mir.", flüsterte er und strich mir über die Wange.
„Ich muss noch was erledigen.", erwiderte ich und lächelte zuversichtlich. „Komm erst raus, wenn du die Adler am Himmel siehst, okay?"
Fili nickte und ich nickte ebenfalls. Dann küsste ich ihn noch einmal und drehte mich dann um. Ich musste Kili helfen. Entweder er durfte nicht sterben oder ich musste ihn aus dem Reich des Todes wieder holen.
„KILI!", brüllte ich und rannte eine weitere Treppe hoch. Ihr wisst gar nicht, wie viele Treppen und Gänge dieses kleine Türmchen hatte. Da ich Fili mein Schwert gegeben hatte, hatte ich jetzt meinen Bogen von der Schulter genommen und schoss auf alles, was hässlich war und sich bewegte. Dabei hätte ich beinahe Tauriel abgeschossen. Zu schade, dass sie gerade noch ausweichen konnte. Ich hatte mich entschuldigt und meinen Pfeil wider an mich genommen. Bei einigen anderen machte ich das auch, denn ich hatte keine Lust plötzlich ohne Pfeile da zu stehen. Außerdem hatte ich mir auch drei Orkmesser genommen und sie in meinen vielen Taschen an der Hose gesteckt.
„KILI!", brüllte ich wieder und dann hörte ich noch jemanden rufen. Es war Tauriel und das konnte nichts Gutes bedeuten.
„Halt die Schnauze, Tauriel.", fluchte ich leise und rannte ihrer Stimme hinterher.
„KILI!", rief Tauriel wieder und endlich sah ich sie.
„Tauriel, sei leise.", rief ich ihr zu und sie drehte sich zu mir um. Dummerweise kam in diesem Moment Bolg aus einem Gang gerannt, erwischte sie voll und knallte sie mit Schwung gegen die nächste Treppe. Tauriel griff jetzt ebenfalls an, zog ein Messer und begann aus zu weichen, Ausfallschritte zu machen und Bolg mit ihrem Messer zu bedrohen. Eigentlich sieht es eher aus wie ein Tanz als wie ein Kampf, überlegte ich und blieb keuchend stehen.
Im nächsten Moment ging alles ganz schnell. Tauriel wurde fast abgemurkst, dann kam Kili und rettete sie. Ich konnte nur hilflos zusehen, wie Bolg Kili packte und sein Keulen-Messer-Dings in seinen Bauch rammte. Tauriel keuchte, als Bolg seine Waffe wieder aus Kili zog und den jetzt toten Zwerg fallen ließ.
„Monster!", brüllte Tauriel und sprang auf die Füße.
„Das stand jetzt aber nicht im Text.", murmelte ich und zog einen Pfeil aus dem Köcher. Tauriel sprang Bolg an, doch dieser wollte sie über den Rand des Abgrunds werfen. Mit letzter Kraft drehte sie sich, stieß sich von einem Felsen ab und stürzte zusammen mit dem Ork in die Tiefe. Mein Pfeil, den ich nur Sekunden zu spät losgelassen hatte, flog haarscharf an ihnen vorbei und killte einen Vogel.
„Scheiße!"

Vier Bekloppte in MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt