Krönungsvorbereitungen

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Anne POV:
Lea war weg. Sie hatte sich vor unseren Augen in Luft aufgelöst. Thorin hatte den ganzen Erebor zusammen gebrüllt und mehrere Suchtrupps jeden Winkel des Berges absuchen lassen, doch sie war nirgendwo gewesen. Auch Emmi und Franzi waren unauffindbar, weshalb Fili am Boden zerstört war und Legolas hatte sich daraufhin irgendwo hin zurück gezogen, wo ihn niemand nerven sollte. Wenn ich in Thal an dem Haus vorbei ging, in dem er sich verschanzt hatte, hörte ich manchmal wie etwas splitterte oder laut klirrte. Doch manchmal hörte man auch nichts, so als wäre das Haus immer noch verlassen.
Im Erebor hatten die Zwerge sich nach einigen Wochen geweigert immer und immer wieder den Erebor zu durchsuchen, um am Ende eh nichts zu finden. Das ganze war jetzt ca. zwei Wochen her und so langsam trafen die ersten Gäste für die Krönung ein. Die Erste war Thorins Schwester Dís gewesen, die mit einigen Freunden die Reise zum Erebor als eine der Ersten angetreten hatte. Sie hatte mich sofort umarmt und begonnen mich für die Vorbereitungen der Krönung einzuspannen und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel man für eine Krönung vorbereiten kann.
Neben dem Krönungssaal, der geputzt, geschmückt und in den die ganzen Bänke gestellt werden müssen, wird auch noch der ganze restliche Erebor geputzt und jeder, der sich darin befand. Außerdem musste Thorin richtige Klamotten bekommen, das Essen musste besprochen werden, denn es war ja wichtig, ob es sieben oder acht Gänge geben sollte und ob es in Ordnung wäre, ob man Hühnchen aus Minhiriath servieren dürfte, weil die Zwerge aus den Blauen Bergen da so ihre Bedenken hätten. Noch dazu mischte sich Elladan bei der Auswahl der Salate ein und am Ende ging alles drunter und drüber.
Damit wurde aber nur ein kleiner Teil von allem genannt, was hier so abläuft. Irgendwann weigerte Elladan sich dann den Erebor zu betreten, weil er sich in seiner Elbenheit beleidigt fühlte und schloss sich Legolas und seinem...was er da auch immer tat, an. Ich konnte ihn nur dazu überreden das zu lassen, indem ich ihm versprach bei ihm in Thal zu schlafen und die meiste Zeit über von dort aus alles zu organisieren. Dieses Versprechen machte mir nicht wirklich was aus, da ich mir immer noch Sorgen um Elladan machte. So eine Schussverletzung war nicht lustig und obwohl Oin meinte es würde ihm schon viel besser gehen, sah ich dennoch, wie Elladan das Gesicht verzog, wenn er Schmerzen hatte. Außerdem war die Stimmung in dem Berg so deprimierend, dass man sie beinahe greifen konnte. Fili war traurig und schlich mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf wie ein geschlagener Hund durch die Gänge des Erebors und sonst versteckte er sich bei seinem Bruder. Doch noch schlimmer war Thorin.
Er verließ niemals sein Zimmer und brüllte rum, sobald irgendjemand rein kam. Ich hatte versucht mit ihm zu reden und ihm zu erklären, wo Lea war, doch er hatte sich in seinem Bett verkrochen und sich geweigert mir zu zuhören. Egal wo Lea war, sie war nicht bei ihm und deshalb ging es ihm schlecht und ihr wohl auch. Dís hatte mir irgendwann erklärt, dass Zwerge nur einmal in ihrem Leben wirklich lieben können und danach nie wieder eine Bindung eingehen. Aber dem ganzen setzte erst Kili richtig die Krone auf. Er war genervt von seinem Bruder, von seinem Onkel und von der Tatsache, dass er irgendwann König werden müsste, da Thorin und Fili ohne Partner auch keine Kinder bekommen würden.
Um alledem aus dem Weg zu gehen, hatte ich mich am Ende entschieden Elladans Beispiel zu folgen und von Thal aus zu arbeiten.
„Anne?"
Bards Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich bemerkte, dass ich den Erebor angestarrt hatte. Der Drachentöter sah mich besorgt an, doch bevor er fragen konnte, drehte ich mich schnell um und fragte: „Kann ich dir helfen?"
Ich wusste, dass er nicht so schnell aufgeben würde, aber er schien in diesem Moment zu verstehen, dass es mir nicht gut genug ging, als dass ich ihm erzählen würde, warum es mir nicht gut ging.
„Dís sucht dich. Sie wollte wissen, für welche Pastelltöne du dich wegen der Dekoration entschieden hast...und sie meinte irgendwas von Blumen und...und die Stoffe für irgendwas sind angekommen...oder sowas in der Art...", Bard seufzte und runzelte die Stirn.
Ich konnte nicht verhindern, dass ich anfing zu kichern, während ich beobachtete, wie Bard sich große Mühe gab das zu wiederholen, was Dís gesagt hatte und dennoch keine Ahnung hatte. Er zog eine Grimasse und fuhr sich durch die Haare.
„Danke Bard. Ich werde sie suchen gehen.", sagte ich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und klopfte ihm auf die Schulter.
Es dauerte am Ende nicht lange, bis ich Dís gefunden hatte. Sie war auf dem Marktplatz und organisierte den Wiederaufbau und die Verschönerung von Thal. Manchmal fragte ich mich, wie sie das alles auf die Reihe bekam und am Ende doch nichts vergaß. Ich wich einem Mann mit einem Korb voller Rosen aus, der sich leicht über mich beschwerte und ging zu den Zwergen, die wie Dirigenten in der Mitte stand.
„Hey.", sagte ich und duckte mich unter einem Holzpfal weg.
„Ach, da bist du ja. Brad hat dich offensichtlich gefunden. Ich muss wissen, wann du und Elladan heute zur Anprobe kommt und wie weit du mit den Blumengestecken für die Tische bist. Ich bin immer noch der Meinung, dass wir die Blumen aus dem Düsterwald, die wir von Thranduil bekommen haben nicht verwenden sollten. Ja, sie sind schon schön aber sind sie so angebracht? Außerdem brauche ich deine Farbauswahl für die Servierten und ich bin mir immer noch nicht so ganz sicher, ob die Farben von Thorins Krönungstunika sich nicht mit dem Umhang beißt. Könntest du dir das bitte nochmal angucken? Außerdem brauche ich noch die...", ich nahm all diese Aufgaben und Informationen auf und notierte sie in meinem Kopf auf einer Liste. Diese Fähigkeit hatte ich während meines Studiums erlernt, da mein Ausbilder immer so viel von mir verlangt hatte.
„Hast du alles verstanden?", fragte mich Dís und ich nickte.
„Wir hätten heute Abend Zeit für die Anprobe und die Blumengestecke sind fertig und liegen bereits fertig im Erebor ich habe sie gestern dorthin bringen lassen. Ich habe die Blumen aus dem Düsterwald aber verwendet, weil ich es unhöflich gegenüber Thranduil fand sie nicht zu verwenden und außerdem scheinen sie sehr unscheinbar, doch wenn es dunkel wird fangen sie an zu leuchten, was ich sehr schön finde.", erklärte ich Dís. Sie nickte und meinte: „Okay ich bin heute Abend in der Küche und dann können wir uns in der Schneiderei treffen und dort über dein Kleid für die Krönung reden."
Ich nickte und drehte mich um, um meine Aufgaben für heute in Angriff zu nehmen. Die unangenehmste Aufgabe war definitiv die Sache mit der Krönungstunika, wofür ich mich mit Thorin auseinandersetzte musste. Mit einem Seufzen schlängelte ich mich durch die geschäftig umher laufenden Menschen, Zwerge und Elben und entdeckte Bain am Rande des Platzes. Ich hob die Hand und winkte ihm zu. Er sah mich, lächelte und winkte zurück. Ich wich noch einer Frau aus, die mit drei vollbeladenen Körben unterwegs war und stand dann neben Bain.
„Hey.", sagte ich.
„Hallo.", erwiderte Bards Sohn und grinste.
Ich hatte Bain seit der Schlacht nicht mehr gesehen, sondern nur seine Schwestern, die zusammen mit einigen anderen den Wiederaufbau von Thal koordinierten.
„Ich hab es gehört. Herzlichen Glückwunsch!", sagte Bain und ich dankte ihm lächelnd. Er meinte meine Verlobung mit Elladan, die sich wie ein Lauffeuer in ganz Thal verbreitet hatte.
„Ich brauche deine Hilfe, Bain. Tilda hat mir erzählt, dass du dich um die Transporte zwischen Thal und dem Erebor kümmerst und ich muss zum Berg. Kannst du mich da irgendwie hinbringen?", fragte ich. Bain schaute auf ein Stück Pergament, das er in der Hand hielt und überlegte kurz.
„Da hast du Glück. In zehn Minuten fährt ein Karren mit Stoffen zum Berg. Wenn du schnell genug bist, dann kannst du da mitfahren. Sie fahren vom Osttor los."
Ich drückte Bain einen Kuss auf die Wange, bedankte mich und beeilte mich zum Osttor zu kommen.
Gerade noch rechtzeitig konnte ich den Karren aufhalten und den Fahrer überreden mich mit zu nehmen.
Es dauerte dreißig Minuten, bis wir das Tor zum Erebor erreichten. Ich bedankte mich bei dem Fahrer und lief in den Berg. Drinnen war ein noch schlimmeres Gedränge als in Thal. Hunderte von Zwergen kamen und gingen, stritten, halfen dabei eingestürzte Gänge wieder aufzubauen, nahmen die Schmieden wieder in Betrieb oder halfen bei den Vorbereitungen für die Krönung. Alle fünf Meter musste ich anhalten, um irgendwelche Aufgaben zu verteilen oder Fragen zu beantworten. Als ich dann endlich in einen weniger belebten Gang abbiegen konnte, atmete ich auf. Ich lehnte mich einen Moment gegen eine Wand und dankte Mahal, dass es in Bruchtal wesentlich ruhiger vor sich ging. Franzi würde hier viel besser rein passen als ich, obwohl sie immer aufpassen müsste, dass Lea nicht zwischen all den Zwergen verloren ging oder hinfiel. Aber Lea würde alle Zwerge perfekt koordinieren können und alles würde wie am Schnürchen laufen bei den Vorbereitungen der Krönung, während Franzi sich um den Wiederaufbau von Thal und des Erebors kümmern würde und einige Zwerge zusammenstauchen würde, damit sie schneller arbeiteten. Emmi würde wahrscheinlich ein heilloses Durcheinander auslösen, aber dann würde ebenfalls alles glatt laufen.
Ich vermisste meine Freundinnen, aber sie waren nicht mehr hier. Ich hatte mich mit Gandalf bereits darüber unterhalten, wieso ich denn noch hier war und die andern nicht und wir waren zu dem Ergebnis gekommen, dass ich nicht zurückkehren könnte, da ich in meiner Welt...da ich tot war und die anderen nicht.
Als ich in diesem Gang an mein Gespräch mit Gandalf zurück dachte und an die letzten Momente, die ich auf der Erde gehabt hatte, jagte ein Schmerz durch meinen ganzen Körper und ich hatte das Gefühl, als würde etwas mir die Haut von den Knochen brennen. Ich riss die Augen auf, die ich geschlossen hatte und keuchte auf. Der Schmerz wurde zu einem dumpfen Pochen unter meiner Haut und ich blickte auf meine Hände, die aber noch völlig normal aussahen.
Ich stieß mich von der Wand ab und schob die unangenehmen Gedanken beiseite. Ich sollte mich auf meine Aufgaben hier konzentrieren, erinnerte ich mich und machte mich auf den Weg zu Thorin.

*

Die Gemächer des Königs lagen weiter oben im Berg, genau wie die Gemächer der Königin und der restlichen engsten Familie. Thorins Räume waren die zweitgrößten, nur die der Königin waren noch größer. Ich stand vor der Tür aus Mahagoni, die mit goldenen Mustern verziert war und überredete mich selbst zu klopfen.
„Na los Anne, du kannst das.", murmelte ich zu mir selbst und hob die Hand, um zu klopfen. Kurz bevor meine Knöchel auf das Holz aufschlugen, zögerte ich. Eigentlich hatte ich keine Lust mich Thorins deprimierender Stimmung auszusetzten, seinen Wutanfällen oder den tollen Zwerg, der mich über ein Jahr lang durch ganz Mittelerde gejagt hatte, weinen zu sehen. Ich seufzte, als ich daran dachte, was Dís jetzt sagen würde und klopfte schließlich doch.
Von drinnen kam nicht mal ein herein, dennoch öffnete ich die Tür und betrat das Zimmer.
Mal so nebenbei, habt ihr euch jemals überlegt, wie Zwerge frische Luft und Sonnenlicht in ihren Berg bekamen? Ich meine selbst wenn ihr Fenster in solche Gemächer baut, bringen die ja nicht wirklich viel. Ich hatte dasselbe Bofur gefragt und er hatte mir daraufhin irgendeinen Wissenschaftlichen Schwachsinn erzählt, mit Lichtbrechung und Luftdruck und...ich denke dann habe ich aufgehört zuzuhören. Aber zurück zu Thorin.
Im Inneren der Gemächer war es ziemlich dunkel. Im Kamin verglühten noch die letzten Holzspäne und die Kerzen, die überall im Raum verteilt waren und sonst ein wunderschönes Licht gaben, waren runtergebrannt und zu einem See aus Wachs geworden.
„Thorin?", flüsterte ich in den leeren Raum hinein und blickte mich um. Ich befand mich in einer Art Vorraum, von dem mehrere Türen abgingen. Ich schlich zu einer von ihnen, klopfte leise und versuchte die Tür zu öffnen, doch es funktionierte nicht. Ich betrachtete das helle Holz und entdeckte auf dem Türknauf ein kleines Symbol. Es war eine Krone, aber es war nicht die des Königs. Ich seufzte, denn diese Tür musste wohl zur gemeinsamen Wohnung des Königs und der Königin führen.
Ich drehte mich zur zweiten Tür, welche sich öffnen ließ und gelangte in ein geräumiges Badezimmer. Der Boden war mit Holz ausgelegt und in einer Ecke des Raumes stand eine große Badewanne. Eine Art Waschbecken stand zu meiner Rechten und mir gegenüber befand sich die Toilette...jedenfalls glaube ich, dass es eine Toilette war.
Da ich eindeutig wieder im falschen Zimmer gelandet war, ging ich zur letzten Tür und atmete noch einmal tief durch, bevor ich klopfte und eintrat.
Der Anblick, der sich mir bat war schrecklich. Der Raum war völlig zerstört und von zerstörten Dingen überflutet. Thorin musste während der letzten Tage alles in diesem Raum kaputt gemacht haben, da ich aufpassen musste, wo ich hintrat. Thorin entdeckte ich erst, als ich bis auf zwei Meter an ihn ran gekommen war. Er saß in einem imposanten Sessel, den Kopf in den Nacken gelegt und einen leeren Bierkrug in der Hand. Ich konnte seine Alkoholfahne sogar bis hier riechen und versuchte meinen Brechreiz zu unterdrücken, als ich etwas Dickflüssiges neben seinem Stuhl und in seinem Bart entdeckte, von dem ich lieber nicht so genau wissen wollte, was es war. Ich seufzte leise, als ich das Elend des Königs sah und schlüpfte wieder aus dem Zimmer.
Mit Oris Hilfe schaffte ich es Dwalin und Balin aufzutreiben, die mir halfen Thorin zu wecken, ins Badezimmer zu schaffen und in die Badewanne zu legen. Ich ließ die drei dann alleine, weil ich nicht genau wissen wollte, wie es dann weiter ging und guckte stattdessen bei Fili vorbei. Ihm ging es auch nicht viel besser, aber Kili kümmerte sich um seinen Bruder und passte auf, dass er nicht in demselben tiefen Loch verschwand wie Thorin.
Irgendwie schaffte ich es dann doch noch mit Thorin seine Tunika zu besprechen und noch einiges daran abzuändern. Danach flüchtete ich in den unteren Bereich des Erebors, so weit weg von Thorin wie nur irgendwie möglich und kümmerte mich um die Verteilung des Blumenschmuckes.
Es war später Nachmittag, als ich endlich wieder zurück in Thal war und die Sonne fing bereits an unter zu gehen, als ich endlich alle Aufgaben von Dís erledigt hatte. Elladan und ich aßen noch zu Abend, bevor wir uns dann zusammen auf den Weg zurück in den Erebor machten, um zu unserer Anprobe zu kommen. Wir verließen gerade das Haus, als ich ein lautes Fluchen und Schreien aus einer Nebengasse kommen hörte. Eine verängstigte Katze rannte uns entgegen und ein älterer Mann, kam aus der Gasse gesprintet und fluchte irgendwas davon, dass der Teufel vom Himmel gefallen wäre. Ich blickte Elladan an, der wie aus Reflex einen Dolch gezogen hatte und zusammen näherten wir uns der dunklen Gasse.
„Das kann ja wohl nicht wahr sein! Bei Mahal, dann muss man unbedingt an so einem Ort wieder aufschlagen. Wieso tust du mir sowas an, was habe ich getan?", brüllte jemand und fügte dann noch ein paar unschöne Worte hinzu, die ich jetzt lieber nicht wiederholen möchte. Ich schielte um die Ecke, und als ich sah, wer da Zeter und Mordio schrie, begann ich zu lachen.

Vier Bekloppte in MittelerdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt