Kapitel 2

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Gedankenverloren kritzelte ich auf meinem Zeichenblock herum. Die Zeiger meines Weckers verrieten mir, dass es bereits halb zwölf war.

Langsam ließ ich den Blick durch den Raum schweifen und ein dankbares Lächeln huschte über meine Lippen. Ich bewohnte ein Einzelzimmer. Das Waisenhaus war nicht allzu groß, aber da ich schon hier war, seit ich denken konnte, gab es gewisse ... Vorteile für mich.

Ich streckte mich und ging auf das Fenster zu. Das Bankgebäude gegenüber wurde schwach beleuchtet. Gerade als ich mich schlafen legen wollte, nahm ich eine Bewegung wahr. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich vier maskierte Personen. Sie standen vor der Bank. Mehr konnte ich nicht erkennen, da es dunkel war. Plötzlich verschwand einer von ihnen im Hinterhof. Die anderen machten sich ebenfalls auf den Weg und waren kurze Zeit später aus meinem Blickfeld verschwunden.

Hope, ist es das, wonach es aussieht?, fragte meine innere Stimme.

Rein logisch betrachtet waren es vier Leute ... In der Nacht ... vor einer Bank ... und dann noch mit Masken ...

Ohne mir im Klaren zu sein, was ich gerade tat, schlich ich so leise wie möglich aus dem Zimmer, dann die Treppe runter und schnappte mir Jacke und Schuhe. Ich öffnete vorsichtig die Haustür, als mir eine kalte Brise entgegenwehte. Schnell zog ich meine Kapuze über und rannte auf die andere Straßenseite zum Hinterhof.

Dort angekommen versteckte ich mich hinter einer Mülltonne, um nicht sofort entdeckt zu werden. Langsam streckte ich meinen Kopf nach vorne, um einen Blick auf die Situation zu erhaschen. Tatsächlich: Neben einem großen, schwarzen Van saß der Typ von vorhin auf einer Kiste mit einem Laptop auf dem Schoß. Der dumpfe, blaue Schimmer des Bildschirms war gerade stark genug, dass ich sein Gesicht erkennen konnte. Ganz richtig, er trug keine Maske.

Er hatte blaue Augen und sah recht jung aus. Anfang 20, würde ich sagen. Ein paar blonde Strähnen schauten aus seiner schwarzen Maske hervor, die er nach hinten gekrempelt hatte. Ganz konzentriert starrte er in seinen Laptop, bis ein Geräusch ihn zusammenzucken ließ. Und wer hatte ebendieses verursacht? Ich.

Besser gesagt: meine anhaltende Pollenallergie.

Natürlich blieb mein Niesen nicht unbemerkt und der Typ kam in diesem Moment direkt auf mich zu. Schnell stand ich auf und wollte weglaufen, doch er packte mich am Arm. Wie war er so schnell bei mir gewesen?

Mein Kopf ratterte auf der Suche nach der perfekten Ausrede. Seine blauen Augen fixierten mich, doch anstatt kalt zu wirken, hatten sie etwas Warmes an sich. Für einen Moment dachte ich, er würde mich loslassen, doch dann griff er mit seiner freien Hand an sein linkes Ohr und murmelte: "Leute, wir haben ein Problem..."

In diesem Moment heulten Sirenen los. Mein Verdacht von vorhin bestätigte sich hiermit: es war ein Banküberfall. Und ich eine potentielle Zeugin. Wenn ich Pech hatte, war es die Bande aus den Nachrichten.

Unsere Köpfe schnellten gleichzeitig in Richtung Van, der gerade gestartet wurde. Zur gleichen Zeit rannten zwei Gestalten von vorne auf uns zu. Beide trugen jeweils zwei Sporttaschen bei sich. Ohne Rücksicht auf uns zu nehmen, rannten sie an uns vorbei.

Der Blondschopf zog mich ruckartig nach hinten. Er blieb kurz vor dem Wagen stehen und schaute die beiden Typen, die gerade ihre Taschen im Van verstauten, hoffnungsvoll an.

"Rein da!", knurrte einer der beiden und der griff des Blonden lockerte sich. Ich wurde ein wenig unsanft nach vorne gestoßen und schaute nun in zwei maskierte Gesichter. Die Tür wurde hinter mir zugeschlagen und der Wagen setzte sich in Bewegung.

Ich war gerade auf dem besten Weg dahin, mich entführen zu lassen.

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