Kapitel 65✅

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3. November

Ich konnte es kaum glauben, dass wir tatsächlich wieder in London waren. Es hatte wenige Stunden gebraucht und schon hatte mich der Charme der britischen Metropole verzaubert. 

Bevor wir gestern abgereist waren, schrieb ich Leroy und erklärte ihm, dass unser geplanter Ausflug nach Dublin wohl ausfallen würde. Zu meinem Glück waren die Tickets, die er mir geschenkt hatte, auf kein bestimmtes Datum fixiert und galten somit das ganze Jahr. So viel Zeit blieb uns nicht mehr, aber wir würden das hinbekommen.

Izzy traf ich, als wir unsere Koffer ins Auto schleppten. Völlig begeistert erzählte ich ihr von unserem Kurztrip und umarmte sie zum Abschied herzlich.

"Komm' ja heil zurück, am Montag hat der Chor einen Auftritt und alle zählen auf dich!"

Richtig, ich hatte mich dazu bereiterklärt einen Solopart in einem unserer Lieder zu übernehmen. Wenn das mal gut ging.

Wir machten einen Zwischenstopp bei Harry und Louis, damit sie ebenfalls packen konnten. Nach dem Stromausfall waren sie nicht mehr nach Hause gegangen und hatten bei uns übernachtet. Wir hatten alle im Wintergarten bei Niall geschlafen und die halbe Nacht gesungen. Liam zog mich kurz vor dem Schlafengehen beiseite und meinte: "Wie ich's gesagt habe. Eure Karaoke-Nacht." Ich konnte nur grinsen und schnappte mir Niall kurz darauf, um mich mit einer Umarmung bei ihm zu bedanken.

Kurze Zeit später hatte ich englischen Boden unter den Füßen. Dieses Mal stiegen wir jedoch in einem anderen Hotel ab. Zu meinem Erstaunen war es unglaublich nobel und im Barock-Stil gehalten. Zumindest kam mir das als Erstes in den Sinn, als ich die hohen Decken, die verschnörkelten Tapeten und die goldenen Kronleuchter im Eingangsbereich erblickte. Schon bei der Ankunft wurde uns die Tür aufgehalten und nach dem Einchecken bekamen wir Erfrischungsgetränke. Das Personal hier schien viel Wert darauf zu legen, dass sich die Gäste sofort wohl fühlten. Weil unsere Zimmer noch nicht fertig waren, ließen wir unser Gepäck im Hotel und setzten uns in die nächste U-Bahn.

Diese brachte uns an einen wunderbaren Ort, in den ich mich sofort verliebte. Greenwich. Etwas außerhalb von London befand sich dieser Teil der Stadt. Ein großer Park begrüßte uns mit offenen Toren. Auf einem Hügel befand sich ein Observatorium. Von dort aus hatte man eine Wahnsinns Aussicht auf eine Skyline, die mich an New York erinnerte. Hochhäuser türmten sich in der Ferne auf, davor befand sich die Greenwich University, ein weißer Gebäudekomplex. Louis erklärte mir auch, dass das große weiße Zelt in der Ferne die O2-Arena war.

"Dort steigen regelmäßig Konzerte und wenn ich mich recht erinnere, wurden dort auch die Olympischen Spiele abgehalten."

"Das olympische Dorf sehen wir uns morgen an. Ich hoffe, du bist schwindelfrei", meinte Liam daraufhin und ich schaute ihn verwirrt an.

Am nächsten Tag klärte sich jedoch alles auf. Im olympischen Dorf ragte ein riesiger Turm aus der Erde, den man entweder zu Fuß oder durch eine Spiralrutsche verlassen konnte. Natürlich machte ich Urlaub mit vier Adrenalinjunkies und wir durften uns ins schwarze Loch stürzen. Zuerst fotografierte Harry noch die Skyline, die sich uns von hier oben bot, und dann stürzten wir uns ins Vergnügen.

Wir bekamen lächerlich aussehende Kopfbedeckungen und Armschoner, dann standen wir in der Schlange und warteten. Die Leute, die vor uns hinunterrutschen, kreischten zum Teil so bescheuert, dass Niall und ich uns vor Lachen nicht mehr halten konnten. Als es schließlich ernst wurde, traute sich keiner der Jungs, als Erster zu rutschen.

"Ladies first", war Harrys schwache Ausrede und trotzdem ging ich darauf ein. Ich bekam einige Sicherheitsanweisungen und legte mich dann auf den Stofffetzen, der zum Hinunterrutschen vorgesehen war. Ein letztes Mal warf ich einen Blick zu den Jungs, die mich allesamt anlächelten, dann verschwand ich im Dunkeln.

"Juhu!", schrie ich so laut ich konnte.

Darauf folgten die aufregendsten 45 Sekunden meines Lebens. So lange dauerte es, bis ich unten sicher ankam. In meinem gesamten Körper kribbelte es und als die Mitarbeiterin mir aufhalf, zitterten meine Hände.

"Und, wie war's?", fragte sie und nahm die Ausrüstung entgegen.

"Der Wahnsinn!"

Keine zehn Sekunden später hörte ich ein viel zu hohes Kreischen aus der Rutsche und konnte kaum glauben, dass Niall dieses verursacht hatte.

"Seit wann klingst du wie ein Mädchen?", fragte ich direkt und hielt mein Lachen so gut es ging zurück.

"Wenigstens war ich einfallsreicher. 'Juhu' kann jeder", hielt er mir vor und stand ebenfalls auf. Wir warteten auf die anderen Jungs, die im ersten Moment die verstörtesten Gesichtsausdrücke aufsetzten und kurz darauf laut loslachten.

"Das war der Hammer!", kreischte ich Liam ins Ohr und holte mir ein High Five bei Harry ab.

"Bleibt das jetzt den ganzen Tag so?" Hoffnungsvoll schaute er zu Louis, der nur mit den Schultern zuckte. Natürlich verließ mich der Adrenalinkick im Laufe des Tages. Trotzdem konnte ich nicht aufhören, idiotisch vor mich hin zu grinsen.

"Ich kenne dich einfach nicht", meinte Louis schlicht und hielt sich eine Hand schützend vors Gesicht, so als würde er fotografiert werden. Harry leistete nebenbei einen tollen Job als Fotograf. Auf der Speicherkarte befanden sich mindestens 50 Fotos von meinem Grinsekatze-Lächeln. 

Und obwohl ich nicht dachte, dass man den Tag toppen konnte, schaffte es Harry doch. Auch er hatte Mitleid mit meinen Schuhen und zerrte mich deshalb in den nächstbesten Laden, um mir neue zu kaufen. Er blieb meinem Geschmack durch und durch treu, indem er mir erneut Sneaker von Vans aufschwatzte. Dieses Mal in schwarz und sie reichten mir bis über die Knöchel. Als wir den Laden verließen, holte ich sie sofort aus dem Karton und zog sie an. Den Rest des Tages lag ich Harry mit "Danke!" im Dauerrepeat in den Ohren und sorgte dafür, dass Louis fast ausrastete.

"Okay, es REICHT!", setzte er dem ein Ende und schaute mir amüsiert zu, wie ich erschrocken zusammenzuckte.

"Endlich Ruhe", seufzte er und steckte die Beine auf der Parkbank aus. 

"Wenn du willst, kann ich hier und jetzt anfangen zu singen. Ich-"

"Schon gut, schon gut!", unterbrach er mich, "es tut mir leid, okay? Aber bitte sing' nicht in der Öffentlichkeit, sonst haben wir eine Lärmklage an der Backe." Manchmal war Louis wirklich charmant. Nur heute eben nicht.

Wir ließen den Tag im Park ausklingen, obwohl es nicht besonders warm war. Langsam schlenderten wir zum Ausgang und dann zurück in unser nobles Hotel. Die Suite unter dem Dach war übrigens der Oberhammer: sie war so groß wie unser Wohn- und Esszimmer zusammen, verfügte über zwei Bäder und ein Klavier stand in der Mitte des Raumes. Harry hatte sich dieses Zimmer unter den Nagel gerissen und ich wollte auch hierbleiben, denn der Blick aus dem Fenster hatte es in sich. Man konnte auf die beleuchteten Straßen Londons hinabsehen. 

Als wir in der Lobby standen, erklärte Liam mir, dass wir am letzten Abend im Restaurant des Hotels essen gehen würden. Leider hatte ich nichts Schickes zum Anziehen eingepackt, doch Liam war mir einen Schritt voraus. Als Harry und ich ins Zimmer stolperten, lag mein neues und einziges Kleid auf meiner Betthälfte. Wie machte er das immer?

"Hast du was gesagt?", fragte Harry, der auf einem der Ohrensessel saß und seine Schuhe auszog.

"Ich? Nein", meinte ich nur. Ich ließ mich auf dem Bett nieder und entledigte mich ebenfalls meinen Schuhen, dann warf ich noch einmal einen Blick auf das Kleid. Wenn dieses Abendessen kein besonderer Anlass war, wusste ich auch nicht weiter.

Es wurde besonders, leider wurde ich mir dessen erst viel zu spät bewusst.

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