Kapitel 49✅

37 1 0
                                    

29. August

Müde kämpfte ich mich aus dem Bett. Ein Blick auf den Wecker verriet mir, dass es bereits halb zehn war. Wenn ich diesen Schlafrhythmus beibehielt, würde ich beim Schulanfang nie aus dem Bett kommen.

Die letzten Tage hatte ich fast durchgehend bei Izzy verbracht. Sie erzählte mir von der Schule und dass ich doch bitte nicht so aufgeregt sein solle. Einfacher gesagt als getan. Ich war unglaublich aufgeregt. Schon als Niall mit mir die Schuluniform abholte, trat ich die ganze Zeit von einem Bein aufs andere. Als ich den Stapel voller Kleider in den Händen hielt, rannte ich durch den Garten und wäre fast gestolpert. 

Als ich mich schließlich dunkelblauem Pulli, passendem Rock und Strümpfen im Spiegel betrachtete, erkannte ich den gigantischen Unterschied zu Amerika. In der Highschool hätte mir jeder den Vogel gezeigt, wenn ich dort so aufgetaucht wäre. Hier war es normal. Von Izzy wusste ich, dass dieses "Einheitskleidung-Tragen" bereits in Kinderschuhen anfing. Begeistert drehte ich mich vor dem Spiegel um mich selbst und hüpfte dann durchs Wohnzimmer. Von Liam konnte ich mir genervte Bemerkungen anhören, da ich die Sicht zum Fernseher versperrte. Also zog ich ab und verschwand erneut zu Izzy nach Hause.

Wir diskutierten über Fächer, erzählten von Erlebnissen und tauschten Hobbys aus. Bei meinen Erzählungen blieb ich so nahe wie möglich an der Wahrheit, denn lügen war unglaublich anstrengend. Ich erzählte vom großen Haus, meiner Schulzeit, den Reisen und meinen Skateskills.

"Cool, dann nehmen die Jungs dich gerne zur Halfpipe mit!" Meinte sie damit Finn und den Rugbyspieler? Ich hatte so vieles über ihn gehört, aber ihn bis jetzt nicht getroffen.

Ich tapste in Kuschelsocken und Einhorn-Schlafshirt ins Esszimmer. Es war erstaunlich ruhig. Sonst war der Tisch gedeckt, heute lag dort nur Liams Handy und ein Zettel.

"Hatten noch einen wichtigen Termin. Sehen uns beim Mittagessen im Pub. J und C." Wow, nicht mal genug Zeit hatten sie, um ihre Namen auszuschreiben. Schien ein sehr wichtiger Termin zu sein. Leicht genervt griff ich nach dem Handy. Es war wohl für den Notfall, denn es ließ sich ohne Code entsperren.  Ich scrollte durch die Kontakte. Eigentlich war das gar nicht nötig, da Liam so gut wie keine Nummern eingespeichert hatte. Blöderweise schaffte ich es dennoch, 'Collin' anstatt 'Chris' zu erwischen und schon wurde Louis' Nummer gewählt. Bevor ich auflegen konnte, erklang bereits seine Stimme.

"Schon auf Achse, Geburtstagskind?"

"Äh, Collin? Wer hat Geburtstag?", fragte ich verwirrt. Louis schien zu kapieren, wen er am Hörer hatte und stellte eine Gegenfrage: "Hat er es dir nicht gesagt?"

Was gesagt? Am anderen Ende der Leitung hörte ich es rascheln, dann fand ich endlich die richtigen Worte.

"Wenn ich das richtig verstehe, dann hat James heute Geburtstag?"

"Ja, genau."

Okay, das war nicht gut. Wieso wusste ich nichts davon?

"Wo bist du gerade?", fragte ich und in meinem Gehirn begannen sich die Zahnrädchen zu drehen. In Sekundenschnelle hatte ich einen Plan entwickelt, um Liam an seinem Geburtstag überraschen zu können. Was dachte er sich dabei, mir nichts davon zu sagen? Es war einfach nur unfair! Immerhin hatte ich von ihm so viel bekommen.

"Wo soll ich denn sein? Zuhause natürlich!", sprach er etwas genervt.

"Schön, ich komme!" Ich legte auf, bevor er etwas einwerfen konnte. Schnell schlüpfte ich in frische Klamotten, schnappte mir meine Schuhe und holte aus der großen Tüte mit Geschenken Nialls Backmischung. Öl und Wasser würde Louis sicher irgendwo haben, hoffte ich zumindest.

Louis wohnte nicht weit von unserem Haus, also lief ich auf dem Gehsteig in schnellen Schritten zu seiner Wohnung. Vor der Haustür musste ich erst überlegen, wie sein Nachname lautete.  Völlig verwirrt und mit zerzausten Haaren öffnete er mir die Tür und ließ mich eintreten. Ich stellte meine Schuhe neben seine schwarzen Sneaker, dann trat ich in die Küche.

"Eine Frage: Wieso bist du hier?" Abwartend verschränkte er die Arme vor der Brust und blieb im Türrahmen stehen. Nur in Boxershorts.

"Notfallplan. Ich brauche ein Geschenk für James." Dabei hielt ich die Backmischung hoch.

"Und da kommst du zu mir?" Verwirrt hob er eine Augenbraue.

"Naja, ich dachte, wenn er frühzeitig nach Hause kommt, dann ist die Überraschung im Eimer."

"Dir ist schon klar, dass sie dich zum Essen abholen wollen, oder?"

"Dann sag ihnen, dass ich bei dir bin. Hast du irgendwo Öl?"

Louis' Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, dann löste er sich aus seiner Haltung und kam auf mich zu. Schweigend stellte er mir die benötigten Sachen zur Verfügung und machte das Radio an. Dann verschwand er in sein Zimmer. Ich heizte den Ofen vor und begann, den Teig anzurühren. Die Masse war ziemlich dickflüssig und es war schwer, sie in die Muffinförmchen zu befördern. Ein Wunder, dass Louis überhaupt ein Blech dahatte. Frisch angezogen kam er in die Küche zurück und schaute mir über die Schulter. Ich mühte mich währenddessen ab, nicht zu kleckern oder mein Shirt zu versauen.

"Im Gegensatz zum Skaten scheinst du das Backen echt draufzuhaben", triezte Louis mich und sofort flog ein Geschirrtuch in seine Richtung.

"Was denn? Die Wahrheit tut manchmal weh!"

"Genau wie das hier!", rief ich und stürzte mich samt Löffel für den Teig auf ihn. Wir kugelten über den Boden und verdreckten dabei die halbe Küche.

"Ruby kann nicht skaten!"

"Gar nicht wahr, du Vollidiot!" Das ließ ich mir nicht gefallen. Ich befreite meine Hand aus seinem festen Griff und schmierte ihm den Teig, der am Löffel klebte, mitten ins Gesicht. Empört kreischte er auf, dann schnappte er sich den Löffel und rächte sich.

Minuten später standen wir genervt im Bad und säuberten unser Gesicht. Der Kampf brach erneut aus, als wir zur gleichen Zeit nach dem Handtuch griffen. Wir rannten zurück in die Küche, während wir um das Handtuch zankten. Leider war der Boden von Spuren unseres vorigen Kampfes übersäht und ich rutschte aus. Bevor mein Körper jedoch Bekanntschaft mit dem Boden machte, wurde ich aufgefangen.

"Aufpassen, du Wirbelwind!" Seine blauen Augen funkelten fürsorglich und mahnend zugleich. 

"Danke", brachte ich gerade so hervor. Er half mir auf die Beine zu kommen, dann schoben wir die Muffins in den Ofen und beseitigten die Sauerei.

Später gammelten wir auf der Couch und zappten durch das Vormittagsprogramm. Als ich meinen Kopf auf seiner Schulter ablegte, wurde mir eines klar: ich hatte eine neue Seite an Louis entdeckt.

Seine Schokoladenseite.

Catch us if you canWo Geschichten leben. Entdecke jetzt