9. Dezember
Fast zwei Wochen musste ich warten, bis ich endlich Besuchererlaubnis bei den Jungs bekam. Bis dahin verbrachte ich viel Zeit mit Izzy, weil sie nicht wollte, dass ich ständig nachdachte. Wenn ich in meinem Zimmer saß, ließ ich meinen Gedanken freien Lauf und kam zu den dümmsten Szenarien, die fast Albträumen glichen. Seit Izzy das wusste, schleppte sie mich jeden Tag woanders hin.
Die Tage wurden kürzer und das Wetter immer kälter. Es schneite noch ein paar Mal, dann lag eine schöne Schneeschicht im Central Park. Auch so etwas, was wir oft taten: wir gingen spazieren. Einfach den Blick schweifen lassen, die verschneite Landschaft bewundern und Eichhörnchen beobachten. Wir entdeckten neue Ecken der Stadt, saßen stundenlang in Cafés, nur um im Dunkeln nach Hause zu gehen und alle Lichter leuchten zu sehen.
Jetzt saß ich auf meinem Bett und zog mir meinen Pulli über. Ich war ziemlich aufgeregt, denn ich hatte die Jungs seit der Verhandlung nicht mehr gesehen. In den Nachrichten war es zum Glück auch ruhig um sie geworden. Shawn rief etwas Unverständliches von unten, vermutlich, dass ich kommen solle, und ich stand auf. Schnell schnappte ich mir Liams Mütze, meinen Rucksack und rannte dann die Treppen hinunter.
Während wir aus der Stadt fuhren, bemerkte ich, dass es leicht schneite. Als Shawn das Auto schließlich anhielt, wurde mir ein wenig mulmig zumute. Das Gefühl verstärkte sich, als wir das Gefängnis betraten und einige Sicherheitschecks durchlaufen mussten. Schnell nahm ich Liams Mütze wieder entgegen, nachdem sie durch den Scanner gelaufen war. Sofort fühlte ich mich ein wenig besser. Dieses Gefühl hielt jedoch nur kurz an. Ich fand mich in einer Art Warteraum wieder. Zwischen Shawn und Janice sitzend blätterte ich durch das Magazin, das ich interessant fand.
Dann wurde ich von einem Officer aufgerufen und mein Herz machte einen großen Hüpfer. Ich fühlte mich wie in einem Film. Der Raum, den ich nun betrat, wurde von einer Glasfront in der Mitte getrennt. Überall gab es kleine "Kabinen", in denen man mit einem Telefon mit der Person auf der anderen Seite sprechen konnte.
Hart schluckte ich. So hatte ich es mir nicht vorgestellt. Ich hatte die Jungs sehen wollen, also so richtig. Und ohne Glasscheibe zwischen uns. Noch mehr erschreckte mich etwas anderes: anstatt alle Jungs vorzufinden, saß nur Liam vor mir, als ich mich setzte. Sofort schnappte ich mir den Hörer und sprach: "Wo sind die anderen?" Ich musste mich zusammenreißen, um nicht auszurasten.
"Dir auch ein Hallo, Hope", meinte er trocken.
"Sorry, aber wo sind sie denn jetzt?"
Liam musterte mich gleichgültig und setzte dann zur Erklärung an: "Wir dürfen nicht alle gemeinsam mit dir reden. Tut mir leid."
Und ab dort war es bei mir vorbei. Irgendwo in meinem Kopf brannte eine Sicherung durch.
"Das ist doch alles nicht fair! Ich will nur meine Familie sehen, das ist alles! Ganz ehrlich, wenn ihr euren bescheuerten Deal nicht gemacht hättet, wäre ich jetzt bei euch; auf der anderen Seite! Ich-"
"Was für einen Deal meist du?" Janice stand wie aus dem Nichts hinter mir und erschreckte mich damit beinahe zu Tode.
"Ja Hope, was für einen Deal meinst du?", fragte Liam mit Nachdruck. Erst jetzt begriff ich, dass ich viel zu laut herumgeschrien hatte.
"Ich-"
"Hope, kommst du kurz? Wir müssen schnell etwas besprechen." Janice führte mich zum Ausgang und ich wagte es nicht, Liam anzusehen. Trotzdem spürte ich seine Blicke auf mir.
"Okay, was ist eigentlich los?" Janices Stimme klang anklagend und gleichzeitig versuchte sie, nicht auszuflippen.
"I-ich wollte die Jungs einfach sehen. Alle gemeinsam. Ohne Hindernis zwischen uns."
"Hope, ich weiß, dass du, nein, lass es mich anders sagen: Deine Familie ist dir unendlich wichtig; das ist mir meine auch. Aber hier herrschen nun einmal andere Regeln. Auch wenn du den Beamten versicherst, dass sie nicht gefährlich sind oder so, sie gelten immer noch als kriminell. Sonst wären sie nicht hier, verstehst du?"
Ja, leider.
"Und das mit dem Deal ist nicht unbedingt etwas, das in die Öffentlichkeit gehört", meinte sie abschließend und zwinkerte.
"Also gut, dann werde ich-", ich deutete auf die Tür, um mein Gespräch mit Liam fortzuführen, doch Janice hielt mich davon ab.
"Einen Moment, ich muss da etwas klären." Sie verschwand und ich setzte mich zu Shawn, der halb auf seinem Sessel eingeschlafen war. Nun schreckte er hoch und gähnte. Kurze Zeit später kam Janice zurück.
"Ich habe eine kleine Überraschung für dich!" Sie strahlte mich an, als wären Weihnachten und Ostern auf einen Tag gefallen.
Die kleine Überraschung war in Wirklichkeit viel größer: wir wurden aus dem Wartezimmer durch einige Gänge geführt und schlussendlich landete ich in einem kleinen Raum. Ohne Glasscheibe. Aber noch besser war etwas anderes: alle vier Jungs standen nun vor mir. Ich konnte einen Jubelschrei kaum unterdrücken und wusste nicht, wem ich zuerst in die Arme fallen sollte. Es war kein Wunder, dass wir bei unserer Gruppenumarmung beinahe umfielen.
"Hope, du bist so dämlich!", kam es von Louis, als ich kurz darauf alle einzeln umarmte.
"Ja, ich habe dich auch vermisst!", gab ich frech zurück.
"Lange nicht gesehen. Woher hast du deine tollen Schuhe?", neckte Harry mich und ich wuschelte ihm dreist durch seine Haare.
"Mann Cookie, das Essen hier ist total mies! Ich vermisse dich!", quengelte Niall herum, während ich ihm um den Hals fiel.
"Ich kann Abhilfe schaffen." Schnell kramte ich in meinem Rucksack und holte eine Tüte voller Kekse heraus. Mir egal ob man das durfte oder nicht.
"Hope, du bist die Beste, ehrlich!" Niall sah zwar immer noch ziemlich fertig aus, trotzdem erfüllte sein Lachen den ganzen Raum, dann wanderte mein Blick zu Liam.
"Schicke Mütze." Seine Mundwinkel zuckten ein wenig. Sofort stiegen mir Tränen in die Augen und ich fiel in seine Arme. Am liebsten hätte ich ihn nie mehr losgelassen. Ich vergrub mein Gesicht in seinen langweiligen Gefängnisklamotten und konnte ihn einfach nicht fest genug drücken.
Später ließen wir uns auf den Sitzgelegenheiten im Raum nieder und redeten. Über alles, was uns in den Sinn kam. Fragen über die letzten Wochen stellte ich wenig. Ich quasselte ziemlich schnell, weil ich glaubte, zu wenig Zeit zu haben. Louis verglich mich mit einem Wasserfall und alle lachten.
Unglaublich, was für eine Stimmung in diesem Raum herrschte. Es war, als würden wir in einer Glaskuppel sitzen; weit weg von unserem eigentlichen Standort. Schließlich erinnerte Janice uns an unsere begrenzte Zeit und wir fingen mit der Verabschiedung an.
"Louis, ich habe dein Skateboard in unserem alten Haus gefunden. Ist es okay, wenn ich es benutze?"
"Dann weiß ich, dass es in guten Händen ist. Also ja." Ein letztes Mal umarmte ich diesen Chaoten.
"Harry, sollten deine Haare je wieder zu lange werden, dann stehe ich persönlich mit Schere und Kamm hier, kapiert?" Ich grinste frech und formte eine Schere mit meinen Fingern.
"Deal", kam es vom Lockenkopf, ehe auch er noch einmal gedrückt wurde.
"Niall, halte ja die Ohren steif. Und verliere niemals dein Lachen. Es ist unglaublich kostbar."
"Cookie, du bist unglaublich kostbar." Der mittlerweile Braunhaarige umarmte mich und sah mich dann mit seinen blauen Augen an. Ein flehender Ausdruck war zu erkennen. "Hol mich hier raus!", riefen sie, ganz sicher.
"Liam, du bist ein klasse Dad. Vergiss das nie."
"Werde ich nicht, bestimmt. Aber da wäre noch etwas ..." Liam trat vor und flüsterte etwas in mein Ohr.
"Das kriege ich hin. Irgendwie." Etwas verunsichert grinste ich, doch Liam nickte mir selbstsicher zu. Ich schaute sie alle noch einmal an; scannte jeden Einzelnen per Blickkontakt und winkte zum Abschied. Dann verschwanden sie.
Zurück blieb der leere Raum.
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Catch us if you can
Fanfiction"Wovor hast du Angst?" Genau das hatte sich in seinen Augen wiedergespiegelt. Angst. "Das hatten wir bereits, ich-" "Jaja, du nennst es Respekt", winkte ich ab, "Ich dachte, vielleicht hat sich deine Einstellung in der Zwischenzeit geändert ..." Er...