Kapitel 70

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8. November

9:22 Uhr - Niall

Das Erste, das ich wahrnahm, waren stechende Kopfschmerzen. Wie nach einer zu krassen Partynacht. Ich blinzelte und wusste im ersten Moment nicht, wo ich mich befand. Dann klärte sich die Sicht und die Konturen eines Raumes zeichneten sich ab.

Langsam setzte ich mich auf und fasste mir an den Kopf. Ich ertastete etwas Weiches, das dort nicht hingehörte. Fast in Zeitlupe versuchte ich aufzustehen und humpelte dann ans andere Ende des Raumes, um zum Waschbecken mit Spiegel zu gelangen. Tatsächlich: jemand hatte mich verarztet und mir einen weißen Verband um den Kopf gebunden. Nur wozu? Was genau war gestern passiert? Ich hatte keine Ahnung.

Verschwommene Bilder wanderten durch meine Gedanken, als ich versuchte, mich daran zu erinnern. Leider wusste ich nicht, ob es sich dabei um Realität oder Einbildungen handelte. Die schwere Tür neben mir klackte und glitt kurz darauf auf. Die Dame, die mich und die Jungs verhaftet hatte, schaute mich zuerst verwundert an, dann entspannten sich ihre Gesichtszüge.

"Schön zu sehen, dass Sie sich erholt haben", meinte sie freundlich und zog die Tür hinter sich zu, dann klickte es erneut.

"Wovon genau, wenn ich fragen darf?" Vielleicht konnte ich so das schwarze Loch in meinen Gedanken füllen.

"Bei ihrer Panikattacke gestern haben Sie sich unglücklich den Kopf gestoßen und waren anschließend bewusstlos. Schlussendlich wurden Sie von einem Arzt untersucht und schliefen den restlichen Tag in diesem Bett." Genau dort ließ sie sich gerade nieder. Filmriss gekittet, würde ich sagen. In Gedanken ging ich ihre gesagten Worte durch und stieß auf "Panikattacke". Ich schloss die Augen und dachte an den Anfang zurück. Es fühlte sich so an, als hätte die Vergangenheit mich eingeholt.

Ich hatte diese Angst vor engen Räumen schon immer gehabt. Während der Schulzeit achtete ich nicht darauf, doch als der Stress der Ausbildung hinzukam, erschienen diese plötzlichen Angstattacken häufiger. Natürlich sprach ich mit meiner Familie, Freunden und Ärzten, aber so ganz wollte es nicht verschwinden. Jedenfalls kam die Zeit, in der Liam mich nach New York einlud. Ich wusste, was er dort trieb und ganz wohl war mir dabei nicht. Schon allein die Tatsache mit dem Schulabbruch sagte einiges über seine Veränderungen aus.

Das Positive an der ganzen Sache war jedoch: Liam ließ mich meine Angst vergessen. Und das fast vollkommen. Ich hing mit seinen Kumpels ab, feierte bis zum Morgen und hatte Spaß ohne Ende. Mein Kopf hatte keine Zeit, sich Sorgen zu machen. Nach unserem ersten "Einbruch" ins Museum waren meine Gedanken auf etwas komplett Anderes fixiert. Ich glaubte mich zu erinnern, dass ich seit diesem Zeitpunkt keine Angst mehr hatte.

Bis Hope auftauchte.

Naja, die Panik kehrte nicht schlagartig zurück, ich machte mir lediglich Gedanken darüber, was ich tun sollte, wenn die Attacken zurückkehrten. Je schnelllebiger unser Leben wurde, desto weiter rückten auch diese Gedanken in den Hintergrund und zurück in Irland war ich vollkommen frei. Bis schließlich alles aufflog und mir klar wurde, was das bedeutete: nämlich für lange Zeit eingesperrt werden. Und zwar in einen engen Raum.

"Sind Sie anfällig für solche Panikattacken?", fragte die Frau und holte mich zurück in die Gegenwart.

"Ja, also... n-nein, ich-"

"Nur keinen Stress. Wir haben genug Zeit, um alles in Ruhe zu besprechen", meinte sie ruhig. Dann kam ich ihrer Bitte nach und erzählte ihr von meinen Ängsten. Ob das nun gut oder schlecht war, was ich hier tat, blieb dahingestellt.

12:15 Uhr - Hope

Tag zwei in der Hölle und ich war um keinen Deut schlauer. Wieso konnten die mir nicht einfach sagen, was hier abging? Wo waren die Jungs? Wie würde es weitergehen? Und vor allem: wie lange musste ich in diesem bescheuerten Raum noch verharren?

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