Kapitel 46✅

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Langsam öffnete ich meine Augen. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre ein Laster drübergefahren. Als ich mich aufsetzte, verschwamm meine Sicht und ich sah für einen kurzen Moment Sternchen. Ich schüttelte den Kopf, um mein Augenlicht wiederzuerlangen, wurde aber mit einem stechenden Schmerz im Kopf bestraft. An meinem Geburtstag hatte ich auch getrunken, doch damals war am nächsten Tag alles in Ordnung gewesen.

Mit einem Mal erschienen mir Finns gestrige Worte logisch. Ich hatte einen Kater! Wenn Liam schon bei Kuchen so ausrastete, was würde er dazu sagen? Vermutlich konnte ich ihm die nächsten Tage nicht in die Augen sehen. Unglaublich schlechtes Gewissen durchflutete mich.

Ich rieb mir übers Gesicht, dann wankte ich in Richtung Esszimmer und versuchte dabei, nicht den Türrahmen zu küssen. Der Duft von frischen Pancakes stieg mir in die Nase. Am Tisch saßen Liam und Niall, beide in ihr Frühstück vertieft.

"Na, wen haben wir denn da?", fragte Liam, als er mich bemerkte. Ich konnte nicht genau sagen, woran es lag, aber die Art, wie er den Satz aussprach, verunsicherte mich. Wortlos ließ ich mich auf einem Stuhl nieder und trank in gierigen Schlucken das Wasserglas vor mir leer. Niall musterte mich etwas besorgt und warf kurz darauf eine Brausetablette in das übrige Wasser. Dann warf Liam ihm einen vielsagenden Blick zu und er verschwand in die Küche.

"Wir haben einiges zu besprechen."

Schon wieder diese komische Stimmlage. Mein Kopf schmerzte erneut. Ich war erstaunt, als Liam ganz ruhig blieb und nicht wie gewöhnlich herumschrie. Wirklich, es war beeindruckend. Während des Gesprächs spürte ich, wie sehr er sich bemühte, um nicht ausfallend zu werden. Das schätzte ich.

Trotzdem sollte ich nicht vergessen, dass er mir gerade eine Standpauke erteilte, also kam es, wie es kommen musste: Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben Hausarrest. Und das in einem Haus, indem ich nicht einmal achtundvierzig Stunden lebte. Natürlich waren die Schmerzen nicht Strafe genug. Liam brummte mir gleich drei Tage auf. So hatte ich keine Chance, mit Izzy zu reden.

Ich verkroch mich nach dem Frühstück in mein Zimmer und dachte nach. Im Waisenhaus gab es so etwas wie Hausarrest nicht. Dort bekam man zusätzlichen Abspüldienst. Da dieser so oder so verrichtet werden musste, kam es auf ein paar Mal mehr oder weniger nicht an.

Gerade fiel mir auf, dass meine Geschichte im Moment auf Standby lief. Ich war zu beschäftigt, selbst Ruby zu sein, um die andere weiterzuentwickeln. Kurzerhand beschloss ich, meine Protagonistin durch eine wilde Partynacht zu schicken. Inklusive dem nächsten Morgen. Ich kramte nach meinem blauen Notebook und schnappte mir einen Stift. Ich musste lediglich meine Situation beschreiben. Zufrieden las ich das fertige Kapitel durch, dann trank ich den letzten Schluck von meinem Brausewasser. Es zeigte Wirkung und mein Kopf fühlte sich nicht mehr so schwer an.

Das schlechte Gewissen blieb. Auch wenn Liam nicht sauer wirkte, bemerkte ich die Enttäuschung in seinen Augen. Gab es gegen Gefühlschaos denn keine Tabletten?

Bei Liam lief Hausarrest nicht etwa wie in einem Knast ab. Ich konnte mich im Haus frei bewegen und durfte fernsehen. Er achtete lediglich darauf, dass ich das Haus nicht verließ. Selbst wenn er einkaufen musste, stellte er Niall als Wachhund ein. Als miserablen Wachhund, wie ich feststellte. Er war durch und durch bestechlich.

Da wir kein Internet im Haus hatten, konnte ich keine neuen Bücher auf den E-Reader laden. Also schickte ich Niall los, um mir in der nächstbesten Bücherei Lesestoff zu besorgen. Meine Harry Potter Bücher musste ich schweren Herzens in Amerika zurücklassen. Sie brauchten zu viel Platz im Koffer. Einzig das Radio und meine Kinderfotos fanden zwischen Shirts und Socken Platz.

Begeistert starrte ich auf den Bücherstapel, der sich auf dem Esstisch auftürmte. Niall hatte gute Arbeit geleistet. Wie versprochen belohnte ich ihn mit Schokokeksen. Leider war es alles andere als einfach, da er mir den halben Teig vor dem Backen wegfutterte.

"Finger weg!", rief ich, als ich ihn zum x-ten Mal in der Küche erwischte.

"Sorry Cookie, aber ich glaube, ich bin süchtig." Er setzte ein unschuldiges Lächeln auf und ich musste sofort lachen.

Mittlerweile war der letzte Tag des Hausarrests und nachmittags standen Harry und Louis vor der Tür. Beide hatten geheimnisvolle Tüten dabei. Als sie das Zeug im Wohnzimmer abluden, platzte ich vor Neugierde. Auf dem Esstisch stand nun ein Kuchen mit Kerzen, drum herum lagen kleine Geschenke. Okay? Wer hatte Geburtstag und wieso wusste ich nichts davon? Wenn es einer der Jungs war, dann fand ich es ziemlich unfair, dass mir niemand davon erzählt hatte. Ich hätte mir zeitig ein Geschenk überlegen können, aber nun stand ich mit leeren Händen da. Jedoch kam alles anders, als ich gedacht hatte.

"Nachträgliches Geburtstagsfest!", flötete Harry, als ich verwirrt in die Runde starrte. Meinen Erinnerungen zufolge war mein Geburtstag durchaus gefeiert worden.

"Was wäre ein Geburtstag ohne Kuchen mit Wunschkerzen?", fragte Louis und zündete die Kerzen an.

"Leute, das hätte nicht sein müssen, immerhin waren wir in-"

"Es war meine Idee. Ich habe darauf bestanden", unterbrach Liam mich und die anderen Jungs nickten zustimmend. 

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