Kapitel 22✅

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"Nein. Immer noch da." Etwas enttäuscht schaute Harry auf seinen Block.

"Vielleicht ist das ein Teil von mir. Den wird man nicht so einfach los", versuchte ich zu erklären. Wir waren gerade dabei, mich auf mein Praktikum vorzubereiten. Harry sah das eher als Casting für eine Rolle. Immerhin hatte er damit nicht ganz unrecht. Das einzige Problem war, dass meine Augen zu funkeln begannen, wenn ich Lügen erzählte. So wie bei ihm. Eigentlich recht praktisch, doch jetzt wäre es einfach gut, wenn ich das kontrollieren könnte.

"Ich kann es unterdrücken; versuch das mal", forderte er mich auf. Ich schaute ihm durchdringlich in seine grünen Augen. Sie funkelten. Also eine Lüge. Ich verschränkte meine Arme.

"Dein 'Unterdrücken' funktioniert nicht", stellte ich schadenfroh fest.

"Dann sind wir wohl beide schlechte Lügner."

"Und wenn ich wirklich mit Sonnenbrille aufkreuze? Eine im Waisenhaus musste mit ihrer optischen Sonnenbrille zur Schule, weil ihre normale kaputt war", warf ich ein. Ja, Madeleine war damals die Lachnummer des Tages. Wenigstens schien die Sonne, als wir das Schulgebäude verließen und ihr Aufzug machte einigermaßen Sinn.

"Leider sieht die liebe Trisha Becker einwandfrei und braucht keine Brille", knurrte er etwas genervt. Trisha Becker sollte mein Deckname während des Praktikums sein. Bevor ich etwas erwidern konnte, ging die Tür auf und Louis kam herein.

"Bereit fürs Umstyling?", fragte dieser breit grinsend. Das hatte ich total vergessen! Heute wollte mir ein Bekannter von Louis, der zufällig Friseur war, einen neuen Look verpassen. Wir fuhren in die Stadt und erreichten den kleinen Frisörladen an einer Straßenecke. Harry rutschte nervös auf seinem Stuhl herum. Auch er wurde heute umgestylt. Liam meinte, lange Haare wären auffällig, deshalb bekamen wir beide Kurzhaarfrisuren. Bye, bye, Locken!

Irgendwie tat er mir leid; sie waren doch ein Teil von Harry. Naja, er würde immer der verrückte Lockenkopf bleiben. Mir selbst machte es nichts aus. Vermutlich brauchte ich dann nur halb so lange, um meine Haare zu föhnen und das war der beste Vorteil, den sich ein Mädchen vorstellen konnte.

"So ... fertig!", meinte Dan, Louis' Bekannter. Er entfernte die Augenmaske von meinem Gesicht und verschaffte mir so freie Sicht auf den Spiegel. Ganz recht, ich hatte die ganze Zeit nicht gewusst, was Dan mit meinen Haaren anstellte. Er bestand darauf, dass es eine Überraschung werden sollte. Mit geschlossenen Augen nahm ich das Geschnipsel der Schere, das Sprühen des Sprays und die anderen Geräusche viel genauer wahr.

Langsam öffnete ich meine Augen und traute diesen in ersten Moment kaum: meine Haare waren etwa auf Kinnlänge gekürzt worden und umrahmten mein Gesicht perfekt. Außerdem waren sie kastanienbraun! Dan hatte sie fransig geschnitten und noch geföhnt, um sie voluminöser aussehen zu lassen.

"Danke! Es sieht unglaublich aus!", bedankte ich mich, als ich den Blick wieder vom Spiegel abwenden konnte.

"Unglaublich gut, will ich hoffen", sagte Dan und grinste mich an. Ich stand auf, um meine neue Frisur Louis und Harry zu zeigen, doch ich konnte sie nicht finden. Ich ließ meinen Blick durch den beinahe leeren Raum schweifen.

Neben mir saß ein junger Mann mit braunen, kurzen Haaren, der sich nervös im Spiegel betrachtete. Erst als ich seine grünen Augen bemerkte, erkannte ich ihn.

"Harry? Bist du das?", fragte ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

"Äh, kennen wir uns?" Er starrte mich verwirrt an.

"Ich bin's! Hope!"

"Nein, das ... echt?! Sorry Kleine, hab dich nicht erkannt."

"Ich mich ja auch fast nicht", gab ich etwas kleinlaut zu.

"Es fühlt sich ganz ungewohnt an, findest du nicht?"

"Aber sowas von! Irgendwie fehlt was ... besonders im Nacken ist es auf einmal so frisch." Harry lachte laut auf. Seine Grübchen kamen dabei zum Vorschein. Wenigstens waren seine Locken nicht vollkommen verschwunden. So konnte ich ihm seine Haare verwuscheln, was ihm nach wie vor nicht gefiel. Er bemerkte mein schiefes Grinsen und starrte mich mahnend an.

"Fahren wir nach Hause? Und wo ist Louis?", wechselte er schnell das Thema. Ich zuckte ratlos mit den Schultern.

Wo war unser Chaot abgeblieben?

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