Kapitel 25✅

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"Aufstehen! Oder willst du am ersten Arbeitstag zu spät kommen?" Als ich keine Reaktion zeigte, wurde ich unsanft wachgerüttelt.

"Bin schon wach!", rief ich und versuchte, den Angreifer abzuschütteln. Sofort wurde ich losgelassen und setzte mich auf, während ein unverkennbares Lachen erklang. Nialls Lachen.

"Wie siehst du denn aus?!" Ich schaute ihn verwirrt an, dann drehte ich meinen Kopf nach rechts, um einen Blick in den Spiegel zu erhaschen. Meine Haare standen wirr in alle Richtungen ab. Ich wuschelte mit meiner Hand hindurch, um sie so gut es ging zu bändigen und wandte mich an den Blondschopf: "Als würdest du so aufwachen!" Er trat ebenfalls vor, um in dem Spiegel sehen zu können und musterte seine gestylten Haare.

"Wer weiß?" Er zwinkerte mir verschwörerisch zu, dann verschwand er aus meinem Zimmer. 

Nach dem Frühstück brachte Louis mich mit dem Auto zum Firmengebäude. Dieses befand sich außerhalb von New York. Ich stieg aus und legte meinen Kopf in den Nacken, während ich die Fassade begutachtete.

"Viel Glück!", meinte Louis, bevor er das Fenster hochfuhr. Ich nickte ihm zu und zog an meinen Haaren. Oder besser gesagt, an den blonden Haaren meiner Perücke. Trisha hatte lange Haare und da der Haarschnitt ausschließlich für den Pass gedacht war, trug ich einfach eine Perücke. Ich atmete tief ein, tastete nach dem USB-Stick in meiner Jackentasche und stapfte die Treppe zur Eingangstür hinauf.

Als ich eintrat, stand ich in einer großen Eingangshalle. Von der Decke baumelten moderne Lampen, die aussahen wie Glühbirnen. Es gab zahlreiche Sitzmöglichkeiten, Pflanzen und an der Wand hingen Infomonitore. Ich folgte einem Pfeil mit der Aufschrift "Anmeldung" in den zweiten Stock.

"Guten Tag, Miss. Was kann ich für Sie tun?", fragte die junge Sekretärin.

"Hi, ich bin Trisha Becker. Heute beginnt mein Praktikum." Erstaunlich, wie leicht mir diese Lüge über die Lippen rollte.

"Einen Moment, bitte", sagte sie und wandte sich ab, um etwas in ihren Computer einzugeben.

"Ah, Miss Becker!", hörte ich plötzlich eine männliche Stimme hinter mir sagen und drehte mich um. Vor mir stand ein junger Mann mit kurzen, dunkelbraunen Haaren und einer runden Brille auf der Nase. Er streckte mir zur Begrüßung seine Hand entgegen.

"Trisha, bitte", stellte ich sofort klar und schüttelte seine Hand. Mir kam es komisch vor, gesiezt zu werden. Vor allem, wenn mein Gegenüber nur ein paar Jahre älter war als ich. Zumindest schätzte ich das.

"Okay Trisha, ich bin Flo. Du wirst die nächsten Tage für mich arbeiten. Aber zuerst schauen wir uns ein wenig in der Firma um."

Innerlich machte ich einen Freudentanz, da ich so die genaue Position des Serverraums herausfinden konnte. Flo führte mich durch lange, mit grauem Teppichboden ausgestattete Gänge. Manchmal erhaschte ich einen Blick durch die Bürotüren und staunte nicht schlecht: Dort saßen Leute vor Computerbildschirmen und tippten auf der Tastatur herum. Außerdem trugen die meisten Headsets. Irgendwie erinnerte mich das an Niall: er saß auch stundenlang vor dem Bildschirm, nur mit dem Unterschied, dass er sich Zugang zu fremden Computern verschaffte, während diese Leute das Gegenteil versuchten.

"Sicherheit ist sehr wichtig in der heutigen Zeit", redete Flo auf mich ein, doch ich bekam nur die Hälfte mit. Wo war dieser Serverraum? Wir klapperten die restlichen Etagen ab und begutachteten wirklich jeden Raum.

"Und ob du es glaubst oder nicht, das war's! Die Führung ist hiermit beendet", erklärte Flo mir und grinste. Wir waren fast eine Stunde durch die gesamte Firma gelaufen und Flo hatte mir alles gezeigt. Wirklich alles. Wenigstens wusste ich jetzt, wo sich der Serverraum befand.

Das Problem: er war (logischerweise) abgeschlossen. Wie sollte ich da reinkommen?

"Erde an Trisha?" Flo wedelte mit seiner rechten Hand vor meinem Gesicht herum und holte mich so aus meinen Überlegungen.

"Äh, ja. Danke für die Führung. Schön modern habt ihr es hier, mir gefällt der Einrichtungsstil total!" Einen Punkt auf Harrys To-Do-Liste konnte ich abhaken: sich bei den Vorgesetzten einschleimen.

"Aber jetzt ab an die Arbeit! Wir haben viel zu tun!"

Offensichtlich hatten Flo und ich verschiedene Vorstellungen vor Arbeiten: Den restlichen Tag verbrachte ich damit, Ordner einzuräumen, Papier zu schreddern und Kaffee zu holen. Und obwohl die Leute ziemlich nett waren und ich mich in keiner Hinsicht beschweren konnte, saß ich mit gesenktem Kopf im Auto, nachdem Louis mich abgeholt hatte.

Ich zerbrach mir immer noch den Kopf über die Sache mit dem Serverraum. Ich wollte die Jungs nicht enttäuschen, aber diese Aufgabe schien fast unmöglich. Natürlich ist es schwer, dort reinzukommen, immerhin war der Serverraum 'das Herzstück der Firma, wiederholte meine innere Stimme Flos Worte. Mit hängenden Schultern stapfte ich ins Wohnzimmer und ignorierte die fragenden Blicke der Jungs.

Ich kramte den Zettel, auf den ich Notizen zum heutigen Tag gemacht hatte, aus meiner Hosentasche und warf ihn auf den Tisch. Dann drehte ich mich um, ohne ein Wort zu sagen, und verschwand in mein Zimmer. Seufzend trat ich mir die Schuhe von den Füßen und warf mich aufs Bett. Es gab genau zwei Möglichkeiten: entweder kam gleich jemand in mein Zimmer gestürmt oder sie ließen mich allein.

Das zweite war der Fall, da ich keine Schritte auf der Treppe vernahm. Ich fühlte mich erfolgslos und ausgelaugt. Hatte ich es mir einfacher vorgestellt? Vermutlich. Andererseits hatte ich nicht wirklich darüber nachgedacht, wie-

"Ruby?", hörte ich eine allzu bekannte Stimme gegen meine Tür flüstern. Als ich nicht antwortete, trat Liam einfach ein und setzte sich auf mein Bett. Ich vergrub meinen Kopf im Kissen.

"Willst du darüber reden?", fragte er. Wollte ich das?

"Ich hab' keine Ahnung, wie ich das schaffen soll! Der Serverraum ist verschlossen, da komme ich nie rein! Du kannst dir deinen Plan dank mir abschminken!"

Er legte mir seine Hand auf den Rücken und strich behutsam darüber.

"Du willst aufgeben?" Ich konnte seine verwunderten Blicke auf mir spüren.

"Nein", nuschelte ich ins Kissen hinein.

"Niemand hat gesagt, dass es einfach wird. Und trotzdem machst du es super! Wir haben noch drei Tage, das wird schon! Bleib' einfach dran und schreib' dir die wichtigen Infos auf. Ob du es glaubst oder nicht, deine Notizen von heute haben uns schon weitergebracht."

Ich hob langsam den Kopf.

"Echt?"

Nickend stand er auf und lächelte mich an.

"Schlaf gut, Kleine", waren seine letzten Worte, ehe er die Tür hinter sich schloss.

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