Kapitel 31✅

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Wir bogen in eine Seitenstraße ab und ich fand mich schließlich in einem großen Innenhof wieder. Die umrandenden Häuser hatten den typisch spanischen Flair. In der Mitte des mit Palmen bewachsenen Hofes befand sich ein Brunnen aus Stein. Der gesamte Platz wurde von verschiedenen Lichtquellen erhellt, doch am hellsten strahlte der Mond am Himmel. Die Atmosphäre war unglaublich. Überall feiernde, tanzende und lachende Menschen. Ich folgte den Jungs weiter durch die Menge, bis wir vor einer Bar am Ende des Platzes Halt machten.

"Da du offiziell etwas trinken darfst, dachten wir, wir führen dich ein wenig ins Nachtleben ein", erklärte Liam mir. Sofort war ich hellwach.

"Also so halb offiziell in Europa", warf Louis ein.

Grinsend ließ ich mich auf einen der Barhocker plumpsen und beobachtete den Typ hinter der Bar. Er mixte geschickt mehrere Getränke auf einmal und schob die fertigen Cocktails den jeweiligen Kunden zu.

"Was darf's sein?", fragte Niall.

"Keine Ahnung!", rief ich über die Musik und das Stimmengewusel hinweg. Ich hatte noch nie etwas getrunken geschweige denn wusste ich, was gut schmeckte. Schlussendlich durfte ich an den Getränken der Jungs nippen und entschied mich für eine gespritzte Variante von Weißwein. Oder war es Prosecco? Jedenfalls schmeckte es irgendwie süßlich; nach Holundersirup. Alles andere begeisterte mich nicht so. Alkohol schmeckte zusammengefasst ziemlich bitter und war gemeinsam mit Kaffee zurecht ein Erwachsenengetränk.

Die Stimmung hob sich, je später es wurde. Immer mehr Leute drängten sich auf die Tanzfläche und ich beobachtete die verschiedenen Leute unterschiedlichster Altersklassen, wie sie gemeinsam abfeierten. Trotzdem zählte ich mit Abstand zu den jüngsten Gästen, soviel stand fest. Andererseits lag es wohl daran, dass sich kein Junge in meinem Alter mir nähern würde, solange Liams wachsames Auge auf mir ruhte. Er hatte sich bereiterklärt, nichts zu trinken und den Aufpasser zu spielen, schließlich ging die Reise morgen weiter.

Das nutzten Louis, Harry und Niall natürlich aus und bestellten sich einen Drink nach dem anderen. Ich konnte sie in gewisser Weise verstehen, immerhin hatten in den letzten Wochen hart gearbeitet, irgendwie zumindest.

Nach einiger Zeit war mein Getränk leer und ich verspürte den Drang, tanzen zu gehen. Vermutlich lag das an den rhythmischen spanischen Liedern, die aus den Boxen dröhnten oder am Alkohol. Aber so viel konnte es nicht gewesen sein, oder? Ich stand auf und deutete auf die Tanzfläche, um Liam Bescheid zu geben. Ohne auf seine Antwort zu warten, arbeitete ich mich durch die Meute und fand mich schließlich zwischen tanzenden Körpern wieder. Im Hintergrund hörte ich Liams erstickte Rufe, die jedoch von der lauten Musik verschlungen wurden.

Plötzlich ertönten die Klänge einer Gitarre und ich erkannte das Lied sofort. Nicht umsonst handelte es sich hierbei um den Sommerhit des Jahres. Die anderen Leute schienen das ebenfalls bemerkt zu haben und jubelten lautstark. Ich schloss meine Augen und begann, mich im Takt der Musik zu bewegen. Die Melodie riss mich mit und beförderte mich für eine kurze Zeit woanders hin. Beim Refrain sangen manche Leute laut mit und ich stimmte mit ein, ohne den Text zu kennen, der übrigens auf Spanisch war. Die entstandenen Lücken füllte ich einfach mit Gesumme auf: "Despasito, nananananana, despasito, nananana ... Laberinto, mhmmm Manuscrito!"

Als das Lied zu Ende war, jubelte die Menge erneut laut auf und ich warf lachend die Arme in die Luft. Mit Abstand der beste Geburtstag aller Zeiten! Im Nachhinein hätte ich wohl besser nicht so voreilig mit meinen Aussagen sein sollen.

Etwas entsetzt stellte ich fest, dass ich mich verirrt hatte beziehungsweise keinen der Jungs erblickte. Der einzig Vernünftige, also Liam, spielte nicht nur den Aufpasser für mich, sondern musste auch seine inzwischen betrunkenen Kollegen im Auge behalten. Kein Wunder also, dass ich ihn aus dem Blickfeld verloren hatte. Schließlich verließ ich die Tanzfläche und fand die Bar von vorhin wieder. Von Liam keine Spur. Ich erkannte Louis, der fast vom Barhocker rutschte und verträumt in den Himmel starrte.

"Hey, wen haben wir denn da?", fragte er, als er mich erblickte. Ich konnte die Alkoholfahne bis hierhin riechen. Harry saß neben ihm und wurde auf mich aufmerksam, als Louis ihn an stupste.

"Schau mal! Sie ist immer noch da!", lallte Louis und zeigte auf mich. Verwirrt musterte ich ihn.

"Vielleicht träumst du, James hat gesagt, er will sie nach dem Auftrag loswerden!", erklärte der Lockenkopf, der ebenfalls zu viel getrunken hatte. Interessant, auch bei Alkoholeinfluss hielt er sich an die falschen Namen. Aber zurück zu seiner Aussage: Wovon redete er? Liam wollte mich loswerden?

Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Plötzlich verspürte ich ein komisches Gefühl in der Magengegend. Ich fühlte mich ausgenutzt und total fehl am Platz. Außerdem war ich wütend. Auf diesen Lügner und auf mich, da ich so naiv gewesen war. Wie konnte ich nur eine Sekunde denken, dass ich dazugehörte? Dass mich Liam tatsächlich mochte? Unter einem besorgten Blick von Niall, der die ganze Sache mitbekommen hatte, verschwand ich durch die Masse an Leuten.

Ich musste weg von hier!

Erleichtert stellte ich fest, dass sich Nialls Zimmerkarte immer noch in meinem Besitz befand, als ich in meine Hosentasche griff. Er hatte sie mir vorhin zugesteckt und ich war unglaublich froh darüber. Keine weitere Nacht wollte ich mit Liam in einem Zimmer verbringen.

Ich bahnte mir den Weg durch die Menschenmenge, die Rufe hinter mir ignorierte ich. Es waren Liams Rufe, ironischerweise. Wie er mich gefunden hatte, wusste ich nicht, aber er sollte bloß wegbleiben. Ich stapfte die Stufen zum Zimmer hoch und hielt die Magnetkarte an die Tür, dann verschwand ich in Nialls Zimmer.

Seufzend lehnte ich mich gegen das Fenster, welches auf einen Balkon führte, und umschlang meine Beine mit den Armen. Wieso hatte ich nicht nachgedacht? Konnte ich echt so leichtgläubig sein, dass ich dachte, ein Verbrecher etwas Anderes im Sinn hatte, als sein Eigenwohl? 

Die Fragen würde ich demjenigen an den Kopf werfen, der soeben meine Überlegungen unterbrochen hatte, indem er zur Tür hereinkam. Zu meiner Überraschung handelte es sich um den blauäugigen Blondschopf und nicht Liam. Da ich im Dunkeln saß, schaltete Niall zuerst das Licht an, warf seine Jacke aufs Bett und kam schließlich auf mich zu. Ohne den Augenkontakt abzubrechen, ließ er sich neben mir nieder und eine Zeit lang schwiegen wir einfach.

Bis er das Wort ergriff und die Stille zunichtemachte: "Tut mir leid, dass wir deinen Geburtstag versaut haben."

Verwundert streckte ich meine Beine aus. "Was kannst du dafür? Liam ist hier das-", doch ich wollte nicht ausfallend werden, also ließ ich den Satz so stehen.

"Ich kann's dir nicht übelnehmen."

Kurz schwieg ich, dann sprach ich meine Gedanken aus: "Ist es also wahr? Er wollte mich nur ausnutzen?"

"Anfangs wollte er das, aber mit der Zeit hat sich seine Einstellung geändert. Klar, der Vorteil war, dass du nun bei uns bleiben musstest, aber ich glaube nicht, dass er es übers Herz gebracht hätte, dir etwas anzutun."

Ich schluckte. Auch wenn Niall überzeugend klang, war der Gedankengang trotzdem total erschreckend. Ich legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab und bevor ich einnickte, half er mir auf und ich legte mich auf die linke Seite seines Bettes. Er verschwand ins Bad und ich zog mir die Decke zu den Schultern hoch.

"Schlaf gut. Morgen sieht alles anders aus, glaub' mir", murmelte Niall, dann schaltete er das Licht aus und ich hörte ihn regelmäßig atmen.

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