15. Not like we used to

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Bekleidet in einem alten und viel zu großem Flanellhemd von Leighton und in Sportshorts von mir saß ich in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag am Flügel.
Ich blickte gedankenverhangen durch das große Fenster auf die beleuchteten Straßen Washingtons.
Noch immer huschten Autos unaufhaltsam durch die Straßen, wie am Nachmittag, als ich mit Adriano unterwegs gewesen bin.
Augen zukneifend zog ich meine Knie an, schlang meine Arme um sie und legte meinen Kopf auf ihnen ab.
Leighton schlief tief und fest, ganz in seinen himmlischen und guten, unwissenden Träumen.
Meine grausamen Alpträume dagegen hielten mich wach, so wie in den Nächten der vergangenen Wochen.
Doch bisher träumte ich diese! Ich träumte davon wie Leighton als Godzilla und Adriano als King Kong die Straßen D.C.s zerstörten, träumte davon wie Leighton als Jigsaw Adriano dazu brachte sich sämtliche Körperteile abzutrennen, nur damit er wieder ans Tageslicht konnte.
Keiner dieser Träume hatte etwas realistisches an sich, keiner dieser Träume würde je so eintreten. Sie waren Bilder aus meiner Fantasie und Filmen, die ich bereute gesehen zu haben.
Die Küsse im Park hatte ich nicht geträumt, genauso wenig wie dieses elektrisierende Kribbeln dass mir durch den ganzen Körper ging und mich jeglicher Beherrschung beraubt hatte.
Langsam öffnete ich meine Augen, zählte stumm die Wagen, die durch die Straßen fuhren, um an alles zu denken, doch nicht an meinen Nachmittag.
Ich habe mir ein Taxi bestellt, nach dem ich aus dem Park geflohen bin, nur dann festzustellen, dass ich weder nach Hause, noch in mein Büro oder ins Stardust konnte.
Im Büro wartete Haylee auf mich und hätte mich ausgefragt, wieso ich plötzlich einem Zombie in seiner blässe konkurrierte.
Zu Hause gab es Leighton, dem ich nicht mehr ohne Scham in Gesicht schauen konnte.
Celine im Stardust hätte mich grün und blau für mein Vergehen geschlagen, wenn ich es ihr denn überhaupt erzählt hätte und sie nicht mit Cole beschäftigt wäre.
Verzweifelt schickte ich das Taxi weg und zog stattdessen ziellos über die Fußwege.
In meinem Kopf war alles weg, was ich zum denken brauchte. Ich hatte auf Autopilot umgestellt. Da war kein kribbeln mehr, kein schlechtes Gewissen gegenüber meinem Verlobten, dass mich in voller Montur erwarten und erstechen sollte.
Ich startete den zweiten Versuch ein Taxi zu rufen, mit dem ich zurück zur Kanzlei gefahren bin, mit der Hoffnung Adriano nicht zu begegnen.
Zu meinem Verderben war er da, kauerte auf seinem Stuhl meinem Gegenüber und schlief friedlich über seinen Aufzeichnungen.
Ich ließ ihn sitzen, gab ihm kein Zeichen, dass ich mich in seiner Nähe befand und tat etwas ganz gruseliges.
Wenige Minuten beobachtete ich ihn, als wäre er eine fremde Lebensform.
Etwas war heute passiert, etwas hatten diese verdammten Küsse mit mir gemacht und das wollte ich nicht.
Genauso wenig wollte ich Adrianos Kuss erwidern, ihn schlagen und dann nochmals küssen.
Ich schnappte mir meine Tasche vom Kleiderständer und ließ den schlafenden Mafioso in meinem Büro allein zurück.
Entschlossen verließ ich das Gebäude und startete meinen Weg nach Hause.
Aber nach dem Tanz und den Küssen in der Nation Mall mit Adriano, war dies die aller schlechteste Entscheidung des Tages.
Leighton empfing mich viel zu herzlich. Endlich setzte das schlechte Gewissen ein.
Adrianos Worte wollten mir nicht aus dem Kopf gehen, wie ein Mantra hatten sie sich in meine Gedanken eingebrannt.
'Anscheinend liebst du deinen Verlobten nicht so sehr, wie du wohl denkst'
Ich liebte Leighton, und wie ich es tat. Mit ihm hatte ich mein ganzes Leben verbracht.
Leighton, nach seinem Empfang und meinem Nachmittag, herzlich zu begrüßen wollte mir nicht gefallen.
Mit abwesenden Gedanken schenkte ich ihm einen Kuss und hatte mich bis vor dem Abendessen im Schlafzimmer vor ihm versteckt.
Ich hatte mich nicht in die Nähe meines Verlobten getraut, aus angst dass er mir ansehen könnte, was ich getan hatte, dass er mir ansehen konnte dass ich ihn seit Wochen um meinen aktuellen Fall belog.
Sollte es so sein, dann ließ er sich in seinem munteren und unbeschwertem Plaudern beim Essen nicht stören.
Ich starrte auf die Stelle zwischen seinen Augenbrauen, meißelte mir ein folgsames Lächeln auf die Lippen und hörte ihm zu.
So wie es immer war, so wie es für mich für immer sein sollte.
Beim Essen hätte ich, trotz dem Streit den ich mit Sicherheit ausgelöst hätte, Leighton geradewegs die Wahrheit über alles sagen sollen. Die Wahrheit über alles was mir im Moment durch den Kopf ging.
Als er über seine wunderbare Traumhochzeit redete, hätte ich ihm ins Wort fallen und ihm klar machen sollen, dass ich im Moment andere Dinge sorgten und dass diese daraus bestanden, dass ich einen komplizierten Fall aufgebrummt bekommen hatte.
Den Fall, bei dem Leighton mir wünschte ihn nicht mal mit der Kneifzange anzurühren.
Ich hatte es abbekommen den Mord an Adrianos Vater aufzuklären, den Mord des Vaters meiner Jugendliebe, die mich aus der Situation küsste.
Aber natürlich hatte ich nicht erwidert, sondern ihn geschlagen, so wie sich das für eine feine Verlobte gehörte - dass ich nicht lache...
Der Teil würde reichen, damit aus Leighton ein blutrünstiger Jigsaw wurde.
Ich seufzte laut und versteckte mich in Leightons altem Lieblingshemd.
Es roch nach ihm, nach seinem Lieblingsparfüm, welches ich ihm jedes Jahr zu Weihnachten und zu seinem Geburtstag schenkte und welches ich nur an seiner Kleidung oder an ihm mochte und welches auch nur dort einen eigenartigen entspannenden Effekt auf mich ausübte.
Im Moment wollte mich Leightons Geruch und sein Kleidungsstück an meinem Körper nicht beruhigen und mir vergewissern, dass alles bestens sei und wieder gut werden würde.
Eher stach es mit schlechtem Gewissen auf mich ein und brannte an meinem Oberkörper.
Es war als sengte es mir die Haut ein und zeigte mir, dass ich seiner nicht mehr würdig war.
Doch das war ich. Ich war Leighton würdig, in Adrianos Netz ließ ich mich nicht bringen.
Der Tag heute war Beweis genug, dass er zu viel Einflussbesaß, dass ich ihm zu viel Sympathie entgegenbrachte, die ich nicht für jemanden wie ihn haben dürfte.
Adriano ist für mich die Definition des Begriffs Teufel und dennoch hatte ich ihm im übertragenen Sinne meine Hand zum Tanz gereicht.
Ich hatte mit Adriano einen gefährlichen Walzer getanzt, dessen Töne ausklangen. Viel zu schnell hatte er mich mit seiner charmanten Art dazu gebracht meine Mauern zu Fall zu bringen.
Es war sein Plan mich nach dem langsamen und ruhigen Tanz im Park zu küssen, obwohl er wusste dass ich einen Partner hatte, dass ich jemanden an meiner Seite hatte den ich liebte, wirklich liebte.
Meine Augen brannten. Tränen schummelten sich aus ihnen.
Wenn ich daran dachte Leighton zu lieben, wieso begann ich zu weinen?
Wieso fehlte plötzlich etwas? Warum fühlte es sich so leer an, an Leighton zu denken, wenn es mich sonst immer vor stolz und Freude schauerte?
Vielleicht war es genau das was Adriano mir heute genommen hatte, die Unbeflektheit Leighton noch nie hintergangen zu haben, ihn noch nie belogen zu haben. Das musste diese Leere in mir sein, die ich seit dem Kuss mit mir mit trug, welche sich mit meinem schlechten Gewissen paarte.

DeadendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt