17. The remaining Ghost of you

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Stumm bewegten sich Adrianos Lippen mit, als er über seinen Dokumenten brütete und mit geradem Rücken an seinem Schreibtisch saß.
Passgenau schmiegte sich das schwarze Jackett an seine Schultern.
Adriano sah aus, als würde ihm die Kanzlei gehören.
Da ich ihn auf Distanz zu mir saß, wurde mir bewusst, wie viel Mut ich aufbringen musste um mich gegen ihn aufzulehnen.
Ich war mir nun sicher, dass seine gesunde füllige Figur von Muskeln und nicht von gutem Essen geprägt wurde.
Ohne großen Aufwand könnte Adriano seine Widersacher mit einem Schlag ausschalten.
Ich biss die Zähne zusammen und blickte auf meinen Monitor. Mit dem Zeigefinger scrollte ich durch die Googlesuche-Ergebnisse für sommerliche Brautkleider.
Alles hatte, zwei Wochen nach dem größten Fehler meines Lebens endlich so eingepegelt, wie es hätte sein müssen.
Adriano saß auf genauen fünf Metern Abstand zu mir und hatte alles was er zum Arbeiten brauchte.
Leighton wusste nicht was ich hinter seinem Rücken trieb und getrieben hatte. Celine kaufte mir ab, dass ich nicht geraucht hatte und meine Gefühle für Leighton normal tickten.
Sie währenddessen gönnte sich die Fortsetzung ihrer damals so Verhängnisvollen Beziehung mit Cole.
Eine Meldung ploppte auf meinem Computer auf und zeigte mir, dass Haylee soeben ein weiteres Dokument geschickt hatte, welches wichtig für Adriano sein könnte.
Ich öffnete es und druckte es auf direktem Weg aus.
Ich sah, wie Adriano zusammenzuckte.
Meine Mundwinkel regten sich. Kaum zu glauben, dass sich so ein Schrank wie er vor dem leisen brummen meines Druckers erschreckte.
"Du könntest mich gerne vorwarnen, bevor du mir etwas ausdruckst." brummte Adriano an seinem Arbeitsplatz ohne aufzuschauen.
Mir lag ein bissiger Kommentar auf der Zunge, doch da ich mich dazu entschlossen hatte nicht mehr als nötig mit ihm zu reden, zeigte ich ihm die kalte Schulter, schloss mein E-Mail Programm und scrollte weiter durch die viel zu teuren Kleider.
Leighton und ich hatten noch kein mögliches Datum für eine Hochzeit festgelegt, doch fest stand, dass wir irgendwann im Sommer heiraten wollten.
Darauf hatte ich mich mit ihm eingelassen, ich hatte mich ihm so hingegeben, wie es für mich als seine Verlobte und für meine Gewohnheit sein musste.
Den fatalen Parkbesuch mit Adriano hatte ich fast vergessen.
Die Betonung ruhte auf fast, denn selbst wenn alles beinahe wie vorher war, beschrieb Adriano in meinem Büro auch nur ein fast normal.
Zuhause mag alles normal sein, vor Leighton, vor meinen Freunden, doch in mir arbeitete es auf allen Bahnen meiner Nerven, dass ich mich zusammen behielt und mich nicht an die Wochen zurück erinnerte, in den Adriano mir zu sehr ans Herz gewachsen ist.
Das merkwürdige war, obwohl ich mich in diesen gegen alles um mich herum gestellt hatte, hatte ich mich so wohl und eigenständig gefühlt, wie schon lange nicht mehr. Ich sorgte bei meinen Freunden und in meiner Beziehung für ziemlichen Wirbel.
Jetzt jedoch, da ich allen wieder in den Kram passte, bis auf meinen Arbeitspartner, da fühlte ich mich in einen Käfig gedrängt, der mir zuvor nie aufgefallen ist.
Mein einziger Ausweg diesem zu entkommen hatte ich mir durch etwas geschafft, was nicht mal Adriano schmecken würde, wenn er davon wüsste.
Ich hatte angefangen zu rauchen.
Nicht kettenrauchermäßig, sondern wenn ich nicht mehr wusste wohin mit dieser Enge in meiner Brust, die mich in den letzten beiden Wochen zu erdrückte.
Für wenige Minuten musste ich keinem anderen gefallen, außer mir. Das ließ mich wenig rebellisch und überlegen fühlen. Müsste ich mein inneres mit Musik beschreiben, würde dieses, wenn ich meine Gedanken in die Luft pustete, nach allen Imagine Dragons Songs in einem Topf gemixt klingen.
Adriano stand von seinem Schreibtisch auf und schritt mit bedachten Schritten zu dem Whiteboard, dass er sich ohne meine Zustimmung vor wenigen Tagen ins Büro rollte.
Auf diesem hatte er alle bisherigen wichtigen Ergebnisse zusammengefügt und versuchte zwischen diesen einen sinnvollen und verdächtigen Zusammenhang zu finden.
Bisher kam dabei nur überschaubar viel zusammen.
Sicher war sich Adriano, dass hinter dem Mord an seinem Vater nur ein Mafiaclan stecken konnte, der es auf den Erfolg Jacopo Giulanis abgesehen hatte.
Von Vorteil wäre es, und das verdeutlichte Adriano mir in den letzten Wochen immer wieder, wenn wir gemeinsam aus ermittlungstechnischen Gründen nach Catania fliegen würden, um in seinem Heimatort nach Spuren zu suchen.
Außerdem könnte Domenico so auch auf die Dateien von Giulanis Computer zugreifen, denn das Hackertalent hatte den Computer der öffentlichen Mafialegende so gut verschlüsselt, dass er nicht mal selber herankam um die Daten von ihm aus nach Amerika zu schicken.
Ich lehnte  jeden einzelnen Versuch Adrianos ab, mich aus dem Land zu bekommen und zu riskieren das etwas passieren könnte, was mein ganzes Leben erneut aus den Fugen riss.
Die beiden Männer, aus dem Video, in dem Jacopo Giulani im Parkhaus bedroht wurde, die konnte Adrianos Kontakt nicht herausbekommen, da sie tatsächlich so gut verschleiert waren, dass sie keine Gesichtserkennung dieser Welt enttarnen konnte.
Aufgrund der Geste war Adriano sich vor Wochen sicher, dass man sich bewusst nicht irgendwelche Idioten gesucht, sondern ein Clan selber Hand angelegt hatte.
Aus den Fetzen, die Adriano in seinem suchen nach Zusammenhängen vor sich hinmurmelte, konnte ich mir zusammenreimen, dass er genau den Clan vermutete, der seine Mutter am helllichten Tage vor zehn Jahren in ihrer Boutique erschossen hatte, so wie ein knappes Jahr später seine ältere Schwester.
Mein persönlicher Tipp war ja, dass Jacopo Giulani in etwas steckte, was er keinem anvertraut hat, vor allem Adriano nicht weil es so schrecklich gewesen sein musste, dass er befürchtete sein Sohn könnte ihm den Rücken kehren. Jacopo wollte sich selber wieder aus dem Mist ziehen, aber war kläglich daran gescheitert und alle nötigen Infos die zur Klärung dessen und des Mörders gebraucht wurden, befanden sich in dem prächtigsten Anwesen Catanias. Versiegelt hinter tausendfach bewachten Mauern, zwei Hochsicherheitseingängen, in einem palastähnlichen Gebäude und versteckt in einem Computer, der so Geschützt war, dass ihn nicht mal ein angeblicher Hackmeister wie dieser Domenico seinen eigenen Salat entschlüsseln konnte.
Der perfekte Stoff für einen schlechten Krimi, könnte man meinen.
Oder die perfekte Idee für die nächste abendliche Folge irgendeiner Navi CIS Serie.
"Ich hab Hunger." warf Adriano in den Raum, schob etwas an seiner Tafel herum und tappste schwerfällig zurück an seinen Tisch.
"Ich geh im Stardust etwas essen, falls du mit möchtest." lud er mich ein und sah das erste mal an diesem Tag direkt in meine Richtung.
"Natürlich rein geschäftlich und wenn du willst, setze ich mich an den Tisch, der am meisten entfernt von dir steht, Kaileigh." redete er beiläufig auf mich ein.
Ich blickte von meinen Kleidern auf und sah zu wie er sich sein Handy und sein Portmonaie in die Tasche seines Jacketts schob.
Dabei ließ er sich viel Zeit.
Ich wusste dass es ihm gar nicht passte, dass ich ihn auf Distanz hielt. Adriano war ein Mensch, der wollte reden, viel reden und das so leicht und unbesorgt wie nur möglich. In den letzten Wochen hatte er immer wieder versucht über meine gesetzte Grenze hinaus mit mir zu plaudern, doch ich wies ihn, so leid wie es mir tat, ab.
Auch ich hasste es mich mit anderen anzuschweigen, doch ich musste Adriano gegenüber stark bleiben, nicht wegen mir, wegen mir könnte ich sofort wieder munter mit ihm über die alten Zeiten reden, sondern wegen meinem Leben, dass ich im Griff halten musste.
Entweder hielt ich Leighton, mein Leben, auf Abstand und riskierte ihn zu verlieren oder ich wies Adriano ab, bei dem ich nicht viel zu verlieren hatte.
Da war die Entscheidung doch klar.
"Ich komme mit." schneller redend als ich denken konnte, sagte ich zu.
Adriano zog die Stirn kraus und sah mich überrascht an, als ich meinen Computer herunterfuhr und nach meiner Handtasche griff.
Jedoch wollte ich nicht mit, weil er mich gefragt hatte, sondern weil auch ich über die letzten Stunden Hunger bekommen hatte.
Dass ich dabei einen meiner mir gestellten Grundsätze brach, dämmerte mir ein, als Adriano die Tür zum Vorraum aufhielt.
Haylee lehnte sich über den Schreibtisch und besah uns verwundert.
Auch ihr war nicht entgangen, wie kalt Adriano und ich in unserem Umgang geworden sind.
"Wir gehen etwas zu Mittag essen Haylee, möchtest du auch etwas?" fragte Adriano sie und schritt an mir vorbei, um mir die Tür zum Flur aufzuhalten.
"Nein danke. Meine Mutter hat mir etwas mit gegeben." lehnte sie perplex ab und deutete auf die gelbe Brotbüchse auf ihrem Tisch.
"Ich fahre mit meinem Wagen. Wenn du willst kannst du mit der Straßenbahn fahren und wir treffen uns am Stardust, oder auch nicht, wie du willst." erklang Adriano kühl, als wir im Fahrstuhl ins Foyer des Gebäudes herabfuhren.
Ich biss die Zähne zusammen. Wenn ich mich richtig erinnerte, würde die nächste Bahn erst in zehn Minuten an der Station halten und etwas in mir wollte, wenn möglich eher als Adriano am Stardust sein, weshalb ich die Straßenbahn verwarf und weitere Grenzen in den Wind schoss.
"Ich fahr bei dir mit. Hab keine Lust zu warten." nüchtern straffte ich meinen Rücken und zuppelte an meiner Handtasche herum. „Was für eine Überraschung." blubberte Adriano an sich gerichtet und brachte einen zynischen Laut von sich.
Ohne ein weiteres Wort verließen wir den Fahrstuhl.
Adriano zog an mir vorbei durch das Foyer und mit eiligen Schritten folgte ich ihm.
Ich hatte mühe mit ihm mitzuhalten und bereute, gesagt zu haben, dass ich bei ihm mitfahre.
Das war nicht richtig. Ich sollte jetzt die Richtung der Haltestelle anvisieren und nicht Adriano in seiner breiten und großen Statur, wie er sich elegant durch die Leute schummelte, die ihm entgegen kamen.
Ich rannte fast in jeden rein, nur um am Ball zu bleiben.
"Kannst du mal einen Gang runter schalten? Ich komm nicht hinterher!" fuhr ich ihn an, als er zu seinem geheimen und gut versteckten Parkplatz einbog.
Unangetan zuckte Adriano mit den Schultern. „Ich will nicht das mich irgendein anstrengender Paparazzi auf offener Straße erwischt."
Ich zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts.
Der Trubel um ihn und den angehängten Mord hatte sich in den letzten Wochen deutlich beruhigt und abgenommen. Auf den Titelseiten aller Zeitschriften dieser Welt wurde nun wieder über Kyle Jenners Botoxlippen spekuliert.
"Deine Story verkauft sich nicht mehr." kommentierte ich trocken und sah Adriano dabei zu, wie er seinen Autoschlüssel zückte und seinen hellen Jaguar aufschloss.
Adriano ignorierte mich und steuerte stur auf die Fahrertür zu.
Tatsächlich hatte ich erwartet, dass er mir zuerst die Tür aufhalten würde.
Das sollte mich nicht verletzen, immerhin hielten wir uns auf Distanz, mehr oder weniger mühsam.
Dennoch schnürt sich mir die Lunge zu, dass er seine Höflichkeiten vorhin gewahrt hatte um Haylee zu zeigen wie gut er erzogen wurde.
Mir dagegen konnte das komplett egal sein.
"Willst du das ich dich anfahre?" meckerte Adriano und deutete auf seine Luxuskarosserie.
Ich riss mich von der Kälte in meinem Innern los und stolperte zur Beifahrertür, um neben ihm auf engen Raum einzusteigen.
Nach ihm schnallte ich mich an und rückte auf meinem Sitz nach Außen.
Adriano atmete tief durch und ließ seinen Wagen aufbrummen, bevor er vom Parkplatz rollte und sich in die Straßen reihte.
Stur starrte ich aus dem Fenster und schlang die Arme um mich.
Das Radio blieb aus und zwischen Adriano und mir herrschte eine angespannte Stimmung, so angespannt, dass ich die Blitze in der Luft  auf meiner Haut spürte.
Es war keine gute Anspannung.
Mir lag auf der Zunge mit irgendeinem Gesprächsthema anzufangen. Locker und leicht, wie er es ab und an bei mir versuchte, aber ich wusste ich würde tiefer in die aufreißende Wunde greifen, die entstand als ich mit ihm gemeinsam einen Fuß aus meinem Büro gesetzt hatte.
Würde ich jetzt in diese Ruhe hinein etwas sagen, dann waren die letzten Wochen um sonst für mich, für Leighton, für alle um mich herum, außer für Adriano.
Ich musste mir eingestehen, dass die Arbeit mit ihm mehr spaß gemacht hatte, als er an meinem Tisch saß und hin und wieder seine Scherze gerissen hatte, oder einfach mit mir redete.
Jetzt waren wir wie Fremde, mal wieder.
"Wie lange wollen wir das eigentlich noch durchziehen?" plätscherte Adrianos Stimme nüchtern in die Ruhe seines Jaguars.
Ich tat so, als hätte ich ihn nicht gehört.
"Ich vermisse es  normal mit dir zu reden, Kai."
"Immer noch Kaileigh für dich." berichtigte ich ihn kühl und straffte den Rücken.
"Dieses anschweigen will uns beiden nicht liegen. Für dich kann das doch nicht wirklich die beste Lösung sein mit mir zu arbeiten." Ignorierte Adriano meine Anmerkung.
"Es war deine Idee dich an einen anderen Tisch zu setzen und kaum noch mit mir zu reden."
"Es war meine Idee mir einen Extratisch in dein Büro stellen zu lassen und vielleicht keinen gepflegten Small Talk mehr zu führen. Aber es war nie die Rede davon, dass wir uns kalt, wie zwei Eisberge anschweigen." berichtigte er mich und bremste an einer Ampel.
Ich verkniff es mir zu seufzen.
"Gehst du so mit allen deinen Klienten um? Kalt und distanziert?" löcherte Adriano mich spöttisch.
"Für gewöhnlich gehören meine Klienten keinem Teil meines Lebens an." gab ich ihm keine direkte Antwort.
Insgeheim war ich in der Kanzlei dafür bekannt, dass meine Klienten sich in meinen Händen wohl fühlten und ich ihnen auch gerne einen Tee anbot, wenn es in meinem Büro etwas zu bereden gab.
"Dann behandle mich wie einer deiner normalen Klienten." verlangte Adriano von mir.
"Wie einen meiner normalen Klienten? Du findest es normal, dass ich dich mit an meinem Job arbeiten lasse?" fragte ich entrüstet.
Ich meine selbstverständlich würde ich ihn einen Tee nach dem anderen anbieten und mich als Lob dafür auch noch von ihm küssen lassen, denn genau so würde es zwischen uns aussehen, wenn ich ihn normal behandeln würde.
"Ob es dir passt oder nicht, gewöhne dich daran, wie ich mit dir umgehe, wenn nicht such dir einen anderen Anwalt, aber lass dir gesagt sein, dass die sich von dir bestimmt nicht in die Karten schauen lassen." forderte ich ihn aufgebracht auf.
Adriano wusste darauf keinen Rückschlag mehr und schwieg. Ich wusste, dass er sich niemanden anderen suchen konnte, da ich die einzige Anwältin war, die er trotz allem Bedingungslos vertraute und so lange wie er zu einem Ergebnis kommen würde, ließ ich ihn auch arbeiten. Selbst wenn ich ihm gegenüber kein Vertrauen mehr besaß.
Adriano lachte auf und drückte aufs Gas.
"Jetzt fangen wir genau so an, wie zu beginn." erkannte er.
"Wir meckern uns gegenseitig an, geben fiese Bemerkungen und tun so als können wir uns nicht leiden."
Äußerlich tat ich so, als würde mich das in keinster Weise stören. Es war richtig so miteinander umzugehen. Wir hätten unseren Umgang nie ändern sollen.
Tief in mir drin hatte ich die Schnauze voll vor ihm auf kalt und unnahbar zu tun, nur um meinen Pelz zu wahren.
"Halt an." befahl ich ihm.
Ich konnte nicht länger mit ihm in einem Auto sitzen bleiben, wenn der Eisberg, den ich mir mühsam zusammengebaut hatte, drohte zu schmelzen.
"Ich laufe zum Stardust."
Adriano hielt nicht an.
"Wir fahren nicht zum Stardust und nur weil du jetzt mehr mit mir redest als in den letzten beiden Wochen, lasse ich dich nicht abhauen." machte er mir streng klar.
Ich schielte die Tür herab zur Klinke und spielte für den Bruchteil einer Sekunde mit dem Gedanken einfach aus dem Wagen zu springen.
"Vergiss es."
Als hätte Adriano meine Gedanken gelesen, griff er neben sich und verriegelte die Türen.
"Das ist Freiheitsberaubung." brummte ich und schielte ihn grimmig von der Seite an.
"Das ist es nicht, weil du zugestimmt hast mit mir zu fahren und ich dich nicht tot von der Straße kratzen will. Das würde weder mir noch deinem Verlobten gefallen." wies er mich eisig zurecht.
Ich schluckte und gab mich der Situation hin.
Es hatte keinen Zweck, ich hatte mich selber in dieses Kaninchenloch gestürzt und kam nicht mehr heraus.
Vor einem teuer aussehenden Italiener hielt Adriano und entsicherte seinen Wagen für mich.
Er stieg aus und lief um den herum, wohl um einen weiteren Versuch zu starten mir wieder näher zu kommen.
Doch ich wusste abzulehnen.
Schwungvoll stieß ich die Tür auf und verfehlte seinen Körper knapp.
"Ich bin mir sicher von deinem Gehalt kannst du mir keine neue Tür für meinen Jaguar kaufen." bemerkte Adriano.
Ich biss mir auf die Lippe und verkniff darauf zu erwidern.
Kopfschüttelnd schritt Adriano los.
Mit hängendem Kopf folgte ich ihm zum Eingang, den er ohne Acht auf mich aufzog und einfach durchging.
Ich hielt die Tür vom zufallen auf und trat in das modern gehaltene Restaurant.
Adriano zog zielstrebig an den Tischen vorbei.
Auf meinen hohen Schuhen stöckelte ich durch das ruhige Restaurant und fand Adriano an dem abgelegensten Tisch im ganzen Saal wieder.
"Was für eine Ehre, die Dame entscheidet sich mit mir an einem Tisch zu sitzen."
Ich ballte meine Hände zu Fäusten, als ich mich ihm gegenüber auf den Stuhl setzte.
Hatte er nicht vorhin noch davon gesprochen wie sehr es ihm gegen den Strich ging, dass wir so redeten wie zu Beginn seines Erscheinen in meinem Leben?
Jetzt fing er selber damit an.
Ich wusste dass dies nur zur Demonstration dessen galt, wie er mich in den letzten Wochen wahrgenommen hatte.
Adriano traf einen nicht mit losen Worten. Er überlegte genau was er sagte oder tat und schoss damit zwischen die Augen.
Bei einem Menschen hatte er die Ausnahme gemacht, bei einem einzigen hatte er nicht Spiegel gespielt und das war Leighton, der ihn heute mehr hasste, als damals.
Ich starrte an Adriano vorbei durch das Restaurant.
Viel Schmuck und Dekoration besaß es nicht. Es war das Typ Restaurant in denen teure, wichtige Geschäftsessen stattfanden und nicht viel auf Ambiente gegeben wurde.
Unser tonloses Schweigen und die Kälte am Tisch wurde für wenige Momente gebrochen, in denen ein Kellner bei uns auftauchte uns die Karten aushändigte und die Tagesempfehlungen herunter ratterte.
Mit verlierendem Appetit blätterte ich durch die angebotenen Speisen und verbat es mir einen Blick auf die Preise zu wagen.
"Wann haben du und deine bessere Hälfte vor euch das Ja-Wort zu geben."
Adriano hob den Kopf und blickte mich anprangernd an. Seine Speisekarte hatte er nicht angerührt.
Als italiener wusste er genau was auf der Liste eines solchen Restaurant stand.
"Was?" murmelte ich, glaubte mich verhört zu haben.
Adriano lehnte sich schnaufend zurück und verschränkt  die Arme vor der Brust, als seien ihm diese zu schwer.
"Ich habe dich gefragt, wann du vor hast zu heiraten." sprach er direkt aus und mied es zu mir zu sehen.
"Das ist doch das was du sicherlich unbedingt mal machen willst, mit dem Verlobten den du doch so sehr liebst. Außerdem hast du heute nach Brautkleidern gegoogelt."
Aus meiner ursprünglich unüberlegten und zuversichtlichen Idee wurde eine Waffe, die Adriano mir an die Schläffe hielt. „Deine Verlobung und die anstehende Hochzeit sind doch außerdem die Gründe wieso du mich nach unserem Kuss geschlagen hast und mich nun wie Luft behandelst." war Adriano sich bewusst und löste eine Hand aus der Verschränkung um mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln.
"Selbst wenn, das hätte dich rein gar nichts anzugehen." fauchte ich.
Ich straffte meinen Rücken, als ich von der Karte aufblickte und seinen anprangernden und durchdringenden Blick wahrnahm.
Ich hielt es keine Sekunde aus ihn zu erwidern und vertiefte mich in die Speisekarte.
"Das hat es, weil du meinen Kuss erwidert hast Kaileigh, und weil du mich geküsst hast." erinnerte er mich schmerzhaft.
"Da muss sich mir als gewissenhafter Mensch die Frage stellen, wieso du das getan hast. Du hättest mich auch genau so gut von dir weg stoßen können, aber das hast du nicht, du hast dich an mich geklammert, wie..."
Ich unterbrach ihn in dem ich mit der Hand auf den Tisch haute, ansetzte etwas zu sagen, aber keine Worte fand.
"Nachdem ich dich geküsst habe, hättest du mich einfach schlagen und gehen können, aber du hast mich erneut geküsst. Warum?"
Sein sturer Blick, der sich unentwegt auf mich gerichtet hatte, verbrannte meine Haut.
Warum ich seinen Kuss erwidert und ihn von mir aus geküsst hatte? Das Warum konnte ich mir nicht logisch erklären, genauso wenig die Gefühle, die mit mir durchgingen.
Diese beiden Küsse, die unbedeutend für mich sein sollten, hatten, nun als ich seit Wochen daran dachte, beinahe den gleichen Effekt auf mich wie das Nikotin, das angefangen hatte ein Teil von mir zu werden.
"Liebst du deinen Verlobten wirklich so sehr, wie du es mir zwanghaft versuchst zu zeigen? Wärst du ehrlich und aufrichtig zu ihm hättest du ihm schon lange erzählt mit wem du hier und jetzt zusammen arbeitest. Du wagst es ja nicht mal in meiner Nähe seinen Namen auszusprechen."
Nahm er es sich heraus mir meine Liebe zu Leighton anzukreiden.
"Es mag mir Leid tun, dass ich dich geküsst habe, aber ich bereue es nicht dir offensichtlich die Augen geöffnet zu haben."
Jetzt hatte er genug auf mich eingeredet, dass mein Topf gefüllt war und überkochte.
"Was bitte soll mir daran die Augen geöffnet haben?" stellte ich ihn zischend zur Rede und warf die Arme in die Luft. „Ich habe einen anderen Mann geküsst, der mir nichts bedeutet und für den ich offensichtlich nichts mehr empfinde ich..."
Adriano nahm sich die Frechheit heraus mich zu unterbrechen.
"Du lügst, wenn du sagst, dass ich dir nichts mehr bedeute und das weißt du selber. Wäre es anders, hättest du meinem Kuss nicht so verzweifelt und leidenschaftlich erwidert, du hättest gar nichts getan und mich nur geohrfeigt." redete er mir ein und hob seinen Kopf mit dem Wissen, dass er nicht im Unrecht tappte.
"Ich war überfordert." erklärte ich knapp, nicht von mir selbst überzeugt.
"Warst du nicht. Du hast beim Tanzen mitbekommen, was ich vorhatte. Als du von mir abgehauen bist, hättest du dich einfach wieder von mir befreien können.
"Ich war erschrocken, überfordert, verzweifelt, alles aber garantiert habe ich dabei nichts für dich gefühlt!" machte ich ihm klar, doch er wusste das meine Reaktion auf seine Worte das Gegenteil von mir verriet.
"Dann musst du wirklich verzweifelt gewesen sein, wenn du meinen Kuss erst erwiderst mich dann schlägst und wieder küsst." heuchelte er mir Mitleid und neigte den Kopf.
Ich war kurz davor an die Decke zu springen und Adriano den Hals umzudrehen, doch ich wurde gezwungen mich zurück zu halten, als der Kellner wieder ankam und nach unserer Bestellung fragte.
Adriano beorderte irgendetwas unaussprechliches italienisches. Ich beließ es bei einem einfachen Salat und einem Glas Wasser.
Mein Gegenüber plapperte auf den Keller in seiner Muttersprache ein, dieser nickte und verschwand ohne weitere Anmerkungen wieder.
Unbehagen lauerte in der Luft. Adriano beobachtete mich genaustens, als würde er mich davon abhalten wollen aus dem Restaurant zu flüchten.
Alles in mir Schrie danach vor Adrianos forschenden Augen Achtung zu nehmen, die mehr herausgefunden hatten als sie sollten.
Er hatte es indirekt an mir ablesen können, dass Leighton nur ein vorgeschobener Grund dafür war mich auf Distanz zu ihm zu halten. Adriano hatte erkannt, dass sich in mir Gefühle ihm gegenüber angebahnt hatten, die viel zu sehr an die erinnerten, die ich damals für ihn hatte.
"Ich könnte dich hier und jetzt einfach küssen." hegte Adriano seinen nächsten verletzenden Schlachzug gegen mich. „Du bist in bester Verfassung über dich selbst, du hast keinen Grund überfordert oder verzweifelt zu sein."
Er lehnte sich über die Tischkante und verschränkte die Arme an dieser.
"Das kannst und wirst du nicht bringen." entgegnete ich ihm und starrte auf die Stelle zwischen seinen Augenbrauen. „Ich fühle nichts für dich, das habe ich dir soeben klar gemacht und wenn du eine weitere Ohrfeige haben willst, dann nur zu." forderte ich ihn auf.
"Ich steh auf schmerzen, Kaileigh." grinste Adriano provozierend und brachte mich damit auf Hochtouren. Ich stand kurz davor aufzustehen und zu gehen.
Doch etwas hielt mich hier und dieses Etwas war ganz fest damit verbunden was ich bei unseren Küssen gefühlt hatte, womit es mich fesselte, mir aber nicht passte.

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