18.2 You really missed a lot

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Ich hatte zwei minimale Probleme, nachdem Leighton mich letzte Nacht in Schlaf geküsst hatte.
Erstens: Wie sollte ich ihm bitte begegnen, wenn er wieder aufwachte und vermutlich von nichts wusste und Zweitens: So wie er gestern ausgesehen hatte, würde er nicht wieder so schnell in sein Elternhaus finden.
Daraus folgte, dass ich keinen Plan hatte wie ich mit Leighton verfahren sollte und nicht mal wusste ob er sich nicht sogar schlafend gestellt hatte. Die andere resulierende Folge war, dass ich am Samstag zu Arthur wollte und noch nach etwas suchen musste, wie ich meinen besten Freund abladen konnte.
Jedoch gestaltete sich der Schlafkuss als wesentlich größeres Gewicht auf meinen Nerven, weshalb ich es nur halb Lebendig in die Schule schaffen würde.
Ich war hundemüde als mein Wecker klingelte, denn die ganze Nacht hatte ich schmerzlich daran gedacht was wäre, wenn Leighton vielleicht doch in mich verliebt sei und genau deshalb Arthur hasste?
Sinn würde es machen. Seit er mich das erste mal angesprochen hatte, stand mein bester Freund mit Arthur auf Kriegspfad. Umgedreht konnte man davon eher nicht sprechen, wenn Arthur sein Leben aufs Spiel setzte und mit Leighton eine Partnerarbeit einging, von der er noch nichts wusste.
"Leighton... aufstehen." gähnte ich und rüttelte an seiner Schulter.
Unangenehmerweise ruhte sein Kopf, so wie vor seinem Einschlafen auf meiner Brust. Sein Arm hing locker über meinem Bauch.
"Nein..." brummelte Leighton und zog mich an sich, um noch ein Bein über meine zu legen.
Ich sog die Luft ein und verkniff mir ein Seufzen. Seit über fünfzehn Jahren gab es keinen dem ich mehr vertraute, aber seit gestern war zwischen uns etwas verloren gegangen. Zumindest von meiner Seite ihm gegenüber. „Wir müssen in die Schule." wieder rüttelte ich an Leighton und hob seine Hand, um sie von mir zu nehmen.
Müde hoben sich seine schweren Lider und entblößten seine blauen müden Augen.
"Ich will nicht in die Schule, Kai." murmelte Leighton, klang aber dennoch erholter als ich.
Immerhin hatte er mit dem Kopf auf meinen Brüsten geschlafen und mich geküsst, ihm musste es im Gegensatz zu mir bestens gehen. Ich wollte mich viel lieber erneut umdrehen und etwas Schlaf erhaschen.
"Doch das willst du. Wir alle vermissen dich am Mittagstisch und du hast mächtig etwas verpasst."
Ich atmete innerlich auf, als Leighton seinen Kopf hob und sich neben mir aufsetzte. Ihn störte es gar nicht, wie er zur hälfte auf mir gelegen hatte, das hatte es nie und mich bis heute auch nicht.
"Du hast zum Beispiel verpasst, dass Celine Caleb ein blaues Auge verpasst hat." wieder gähnte ich und streckte mich nach allen Seiten aus, bevor ich mich auf die Beine kämpfte um nicht mehr neben Leighton zu liegen.
"Da wäre ich zu gerne dabei gewesen und hätte noch mal drauf gehauen." lachte er mit müder und tiefer Stimme und verkroch sich in meiner Decke, als würde er in seinem heimischen Bett liegen.
Seine blonden Haare hingen ihm zerzaust im Gesicht und durch seine halb offenen Augen leuchtete das Blau in ihnen förmlich.
"Ich glaube da wäre keiner von uns dabei gewesen. Das ist beim aufstehen passiert." versaute ich Leighton das Bild Caleb ein zweites blaues Auge zu verpassen.
"Viel lieber würde ich aber erfahren, wie du aus dem Matheunterricht bei Mr. Lark geflogen bist." grinste Leighton schelmisch, so als hätte er nicht gestern Abend weinend in meinen Armen gehangen und mir mitgeteilt, dass er sein ganzes Leben lang offiziell belogen wurde.
Das merkte man ihm gar nicht an, vielleicht wollte er es sich auch nicht anmerken lassen. An seiner Stelle hätte ich das auch gemacht, mir einreden, dass meine eigene Mutter meinen Vater und mich nicht mit einem anderen hintergangen hatte und der Mann, der mich aufgezogen hat auch mein leiblicher Vater ist.
"Das... das ist eine lustige Geschichte." murmelte ich und konnte ihm absolut nicht in die Augen schauen und verraten, dass ich wegen Arthur gehen musste, nur weil wir uns unterhalten hatten und Mr. Lark keinen Körperkontakt in seinem Unterricht duldete.
"Die kann ich dir auf dem Schulweg erzählen." tat ich locker ab und suchte in meinem Schrank nach etwas zum anziehen.
Leighton pellte sich aus meinem Bett und sah an sich herab.
Gestern stand er in seinen normalen Alltagssachen vor meiner Haustür und genau so ist er neben mir auch eingschlafen.
"Ich kann meinen Dad fragen gehen, ob er dir drüben etwas zum anziehen holt." meinte ich, da ich wusste, dass er so nicht in die Schule gehen würde.
"Das... das muss er nicht." murmelte Leighton und zog an seinem Piercing, seine wache und muntere Fassade brach für einen Moment, so als würde ihn in den Sinn kommen was eben in seinem Leben passiert war..
So wie ich ihn einschätzte, ist er ohne jegliche Bemerkung aus dem Haus seiner Eltern entkommen und zu mir geflüchtet. „Du hast einen Stapel von meinen Sachen in deinem Schrank." gähnte er wieder ganz der von eben. Schwerfällig stand Leighton mit seinen zwei Metern aus meinem Bett auf und tappste verschlafen zu mir an den Schrank.
Anscheinend musste er wirklich geschlafen haben, als er mich geküsst hatte, sonst würde er sich bestimmt ganz anders benehmen.
Ich machte ein paar kleine Schritte weg von ihm. Zum einen, damit er an seinen Stapel Klamotten in meinem Schrank konnte und zum anderen weil ich ihm tatsächlich nicht zu nahe sein wollte.
"Stimmt." gestand ich murmelnd ein und sah Leighton dabei zu, wie er sich durch meine Sachen wühlte, bis er etwas für sich entsprechendes gefunden hatte.
Ein wenig unangenehm war es mir schon, wenn ich bedachte dass auch meine Unterwäsche in meinem Schrank lagerte.
Wieso störte mich das überhaupt? Ich hatte mich schon so oft vor meinem besten Freund umgezogen und gesehen hatte er auch schon alles.
Wir waren beide Menschen, an uns gab es keine zu großen Unterschiede.
Als Leighton sich etwas zusammen gesucht hatte verschwand er zu meiner Erleichterung im Bad, so dass ich mich beeilen musste mein Outfit für heute zusammen zu stellen.
Es bestand aus einer schwarzen langen Jeans und einem etwas eleganter geschnittenem weinroten Pullover mit einem feinen Stoff.
Eilig zog ich mich in meinem Zimmer um, und genau als ich mir als letztes meinen Pullover über den Kopf gezogen hatte, rauschte Leighton wieder zurück zu mir, damit wir gemeinsam in die Küche zu meinen Eltern gehen konnten, um zu Frühstücken.
Beim Essen ließ ich Leighton nicht aus den Augen.
Ich hatte immer noch das dumpfe Gefühl, dass er das in der Nacht bei vollstem Bewusstsein getan hatte.
Doch Leighton wollte nicht auffallen, er verhielt sich tatsächlich so wie immer, wenn auch ein wenig ruhiger als sonst. Wenn man seine familiäre Lage betrachtete, dann war das nachzuvollziehen, dass er sich in dem Frieden meiner Eltern nicht ganz wohl fühlte.
"Leight, wie war es in Annapolis?" sprach Dad das völlig falsche Thema an, als er nach einem Toast griff und es mit Nutella beschmierte.
Leighton hielt inne und setzte seine Kaffeetasse wieder ab.
"Es... es... ähm..." stammelte er und sah hilfesuchend in meine Richtung.
"Mom, Dad!" sprudelte ich dazwischen und hippelte aufgeregt auf meinem Stuhl herum. „Wusstet ihr, dass es eine Zelle gibt, die man weder einer menschlichen noch einer pflanzlichen zuordnen kann? Das Ding liebt außerdem Haferflocken und kann denken." quasselte ich aufgeregt über die neuste biologische Erkenntnis.
Überrumpelt blinzelten meine Eltern sich an und schüttelten lachend die Köpfe. „Nein davon haben wir noch nichts gehört." lachte Mom und ich konnte erkennen, dass sie sich zusammen reimen konnte, wie wenig Leighton über seinen Ausflug reden wollte.
"Aber das hört sich sehr interessant an." ging sie auf meine Ablenkung ein.
Leighton atmete erleichtert aus und murmelte mir ein kaum hörbares Danke zu.
Ich erwiderte es mit einem halbherzigen Lächeln und redete vollkommen fokussiert über meinen neusten Lernstoff in Biologie, wovon ich mir einen großteil an der Nase herbei ziehen musste, da wir noch nicht zu viel über diese komische Zelle erfahren hatten, die höchstwahrscheinlich sogar ein Pilz sein sollte.
Als es an der Zeit war aufzubrechen, hielt ich in meinem plappern inne und hatte kaum etwas von meinem Frühstück geschafft.
Innerhalb von wenigen Sekunden stopfte ich mir mein Marmeladentoast in den Mund, während Leighton sich bereits in den Flur verabschiedete, um seine Jacke und Schuhe anzuziehen.
"Jetzt kannst du uns aber sicherlich verraten, was in den letzten beiden Tagen bei Leight los war, oder?" fragte mein Vater mich, als ich meinen Teller auf Mons stellte.
Ich schüttelte den Kopf.
Meinen Eltern vertraute ich mit ganzen Herzen, aber ich wusste genau wann ich etwas sogar vor ihnen geheim halten sollte. Sie würden ein gigantisches Ding draus machen und Leighton, der nur wenige Meter weiter auf dem Flur stand, würde mitbekommen haben dass ich eines seiner derzeitig größten Geheimnisse an meine Eltern gegeben hatte.
Über das andere was er mir offensichtlich verheimlichte, über das wollte ich mir eigentlich keine Sorgen machen, obwohl es mir dennoch den ganzen Morgen im Hinterkopf herumflog.
War Leighton in mich verliebt?
In irgendeiner Zeitung bei meinen Großeltern hatte ich mal gelesen, dass man im betrunkenen Zustand und im Halbschlaf am ehrlichsten und offensten war, selbst wenn man nicht die komplette Kontrolle über sich besaß. Gerade das Unterbewusstsein setzte dann ein und sagt oder tut Dinge, die man sich sonst nie trauen würde.
In diesem Gedanken versunken verabschiedete ich mich für den Tag von meinen Eltern und griff im gehen durch den Flur nach meiner Tasche.
An der Garderobe stand bereits Leighton und sah verträumt auf irgendeinen Punkt der mintgrünen Wand im Flur.
Ich setzte meine Tasche wieder ab und zog mir meinen Wintermantel und und meine Stiefel an.
Leighton belächelte mich.
"Kaileigh, es schneit nicht mal, du brauchst keine Stiefel."
Ich zuckte mit den Schultern.
"Aber in den letzten Tagen hat es geschneit und außerdem ist es kalt und ich will nicht frieren." merkte ich an und schwang meine Tasche in einer Routinebewegung über meine Schulter, bevor ich an Leighton vorbei rauschte und ihm die Tür öffnete.
Würde Leighton mehr von mir halten, als eine beste Freundin, dann würde er den Part übernehmen und mir die Tür aufhalten.
Doch das hatte er bis jetzt noch nie gemacht, auch hatte er mich nie mit dieser eindringlichen Geduld angeblickt, wie Arthur.
"Was hast du eigentlich geträumt?" fragte ich Leighton beiläufig auf dem Weg zur Schule und versenkte meine zitternden Hände in meine warmen Manteltaschen.
"Wie?" harkte Leighton nach.
"Naja was du geträumt hast." wiederholte ich.
"Warum willst du das wissen?" lachte Leighton auf und ich spürte, wie sich seine Laune dem kalten Wetter um uns herum anglich.
"Weil... weil...."
Ich spürte meine Wangen rot werden.
Leighton wirkte absolut nicht so als wüsste er, was er im Schlaf getan hatte.
"Weil du extrem Unruhig geschlafen hast." zauberte ich mir zusammen.
Das Leighton im Schlaf zuckte und mir manchmal blaue Flecke tritt, das war nicht selten, hatte sich jedoch in dem vergangenen Jahr etwas beruhigt.
"Ich hab nichts geträumt, Kaileigh. Ich wusste nicht mal dass ich eingeschlafen bin, bis dein Wecker geklingelt hat und es aufeinmal hell war."
Ich glaubte ihm. Er zögerte bei seiner Antwort nicht, stotterte nicht und redete in fester und sicherer Stimme, die mit seiner sinkenden guten Laune an Gefühl und leben verlor. Irgendwie machte es das nur noch schlimmer jetzt allein mit Leighton zu sein.
Er wusste wirklich nicht was er getan hatte.
Nicht dass mir sein Schlafkuss etwas bedeutet hatte, es brachte für mich eben nur einen riesen Riss in unsere stabile Freundschaft, denn sollte es wirklich so sein, dass ich ihm mehr bedeutete, dann hätte er doch schon lange mit mir darüber geredet.
Bisher konnten wir immer über alles ohne jegliche Probleme reden, wobei das Thema Beziehungen und Liebe immer auf einer gewissen Distanz blieb. Dafür hatte ich Celine und er Monty.
Andererseits hatte ich mit ihm auch nie über meine Gefühle für Arthur geredet, wieso erübrigte sich von selbst, aber wäre alles anders gekommen, dann wäre Leight vielleicht der erste gewesen, der nach mir selbst, davon erfahren hätte.
"Kaileigh?"
Leightons Selbstbewusstsein war auf einmal komplett abgeklappt.
"Ich habe angst meinen Eltern wieder gegenüber zu treten." ging es ihm ganz plötzlich durch den Kopf. „Das es etwas neues ist, dass ich einfach über Nacht verschwinde, das ist es nicht. Aber ich habe das verdammte Gefühl, dass mir nicht nur der Mann fremd vorkommt, der mich aufgezogen hat, sondern auch meine eigene Mutter."

DeadendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt