40. She's Hurling Her Soul Out

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Mein Kopf schmerzte nicht mehr. Mein Kiefer fühlte sich an, als würde er kein Eigenleben mehr führen, das gleiche galt für meine Nase.
Ich fühlte mich leicht. Eine schwere Last wurde mir genommen.
Das spürte ich noch bevor meine Sinne wieder meinem Willen folgten.
Mein Atem ging ruhig, um mich herum hörte ich niemanden Reden.
Erleichtert stellte ich fest, dass auch meine Erinnerungen noch fest an ihrem Platz saßen.
Nicht erleichtert ließen die letzten Minuten vor meiner Ohnmacht meinen Puls nun in die Höhe schießen.
Ich musste in ein Krankenhaus gebracht worden sein, nachdem ich im Gericht vor schmerzen und schwäche zusammenbrach, denn neben mir hörte ich ein kontrolliertes und schnelleres Piepen.
Durch die Ruhe hörte ich das angespannte aufatmen zweier Personen.
Die Kraft meine Augen zu öffnen, die besaß ich noch nicht. Aber die anhaltende Ruhe um mich herum signalisierte mir, dass es keinen Drang dazu gab.
Ich fühlte mich sicher, wusste dass ich nicht mehr in Gefangenschaft hing, sondern wieder auf freiem Fuß wanderte.
Ich hörte das Tempo meines Pulsschlags ein weiteres Mal beschleunigen, als meine Gedanken weiter wanderten, die Erinnerungen in meinem Kopf sich zu festen Bildern formten und nicht nur die Absicherung blieben, dass ich in Sicherheit hier lag.
Adriano.
Ob die Polizei Salice rechtzeitig erreicht hat? Ob sein Geständnis Adriano retten konnte? Ob es grade im richtigen Moment im Gericht gelandet ist?
Adrianos panischer Blick kam mir vor Augen, als ich kraftlos und stotternd im Gericht zusammenbrach.
Er saß in Handschellen gekettet vor der Staatsanwältin, unfähig mich vor meinem Fall zu bewahren.
Saß er immer noch da? Bangte um seine Freiheit und um meinen gesundheitlichen Verbleib, oder gehörte er zu einer der beiden Personen, die sich mit in diesem Zimmer befanden?
Ich wollte ihn als den freien Mann sehen, für den er in den letzten Monaten mit mir so hart und händeringend gekämpft hat. Nach all der Zeit in die er sich das Trauern um seinen Vater kaum erlaubt hat, konnte er nun endlich loslassen, den Hass laufen lassen, ihm einen Namen und ein Gesicht geben: Kathalena Giulani, seine eigene Schwester.
Auf mich dagegen wartete die Freiheit noch.
Ich hatte es aus den Fängen von Kathalena geschafft und bin mit Spuren davon gekommen, die verblassen würden. Aber da gab es auch noch eine andere Angelegenheit der ich mich nun stellen musste, der ich mich stellen wollte.
Und die wäre Leighton.
Er wusste alles über Adriano und mich, dass ich ihn nicht mehr so liebte wie zuvor, ihn nie so lieben könnte wie ich es mit Adriano tat, dass ich schwanger von ihm war.
Leighton fing mich im Gericht auf, er wartete davor, mit dem Glauben ich würde lebendig auftauchen. Zwar nicht seines Willen, sondern um Adriano, aber er war da und er schien nicht mehr als würde er mich Tod sehen wollen.
Mit ihm über die nächste Zeit, die Zukunft zu reden, würde mir dennoch nicht angenehm werden.
„Denkst du sie wird überrascht sein, uns zu sehen?"
Leightons federweiche stimme brach die sichere und unberührte Ruhe im Krankenhauszimmer.
Ein Lachen folgte, eines dass ich aus hundert Kilometer Entfernung erkannte. „Ich glaube nicht, dass sie etwas so schnell überrascht, Leighton." erwiderte Adriano, in seiner Stimme genau so wenig Gewicht und die gleiche Sorglosigkeit wie auf meiner Seele.
Er war hier, beide waren hier und sie schlugen sich nicht die Köpfe ein, sie redeten.
Sie redeten wie damals, als sie die besten Freunde waren.
„Sicher? Sie war so überrascht davon, dass du wieder in Amerika bist, dass sie glatt vergessen hat mich noch zu lieben."
In Leightons Stimme lag nicht ein Hauch davon, dass er Adriano vorwürfe machte, dass meine Gefühle für ihn nur eine Fassade waren, hinter die ich vor kurzem selber erst blicken konnte.
„Der Punkt geht an dich."
Beide Männer lachten nun. Unbeschwert, wie alte Freunde.
Ich glaubte meinen Ohren kaum und nahm daher die Kraft meine Augen aufzuschlagen.
Im Zimmer war es dunkel. Nur eine ganz blasse Lampe brachte ihr Licht in den Raum.
Ich blinzelte ein paar mal.
Links und rechts wurden meine Hände sanft, liebevoll und erleichtert gedrückt.
„Guten Abend Dornröschen."
Mein Kopf drehte sich träge und noch Müde und bezirzt von dem Gefühl der Geborgenheit, nach links. Zu Adriano.
Er lächelte. Er lächelte wie damals, wenn er mich wegen Kleinigkeiten aufzog, wenn er mich mit seinen provozierenden Fragen zur Weißglut trieb und ich davor war durchzudrehen, weil mir die Möglichkeiten ausgingen klar zu antworten.
„Lange zu schlafen war schon immer ihre Leidenschaft."
Meine rechte Hand wurde gedrückt.
Ich drehte den Kopf zu Leighton.
Seine blauen Augen ruhten auf mir, besahen mich froh, dass ich endlich wieder im Bewusstsein wanderte.
„Dramatische Auftritte nicht, ich glaube das müssen wir nochmal üben, Principessa."
Adriano führte meine Hand an seine Lippen und küsste meinen Handrücken hauchfein.
So hatte er mich nicht mehr genannt, seit fest stand, dass wir uns nie wieder sehen sollten. Jetzt küsste er meine Hand.
Allein dass er sich das in Leightons Anwesenheit getraute, nachdem er wusste dass über uns beide die Hölle ausgebrochen ist, versicherte mich in meiner Vermutung, dass ich in meiner mentalen Abwesenheit irgendetwas verpasst haben musste.
„Was..." Meine Stimme blieb mir im Hals stecken.
Ich brauchte dringend etwas zu trinken, so trocken wie sich meine Stimmbänder anfühlten.
„Psst." Leighton legte mir seinen Zeigefinger auf die Lippen.
„Ruh dich aus. Du warst mehr als nur schwach, als du im Gericht zusammengebrochen bist." wies er mich fürsorglich an.
„Außerdem glauben wir nicht, dass deine Nerven vertragen werden, was wir dir zu sagen haben." Adriano schloss meine Hand in seine und fuhr liebevoll mit seinen Daumen über meinen Handrücken.
Die wärme die von seiner Berührung durch meinen Körper ging, schaffte es mich noch müder zu machen, als ich es schon war.
„Trinken..." krächzte ich. „Kommt sofort." Leighton sprang von seinem Stuhl auf und verschwand keine Sekunde später aus dem Zimmer auf den hell beleuchteten Gang.
„Du hast uns alle einen Schrecken eingejagt, der war jenseits von gut und böse, Kai." schmunzelte Adriano und setzte sich zu mir aufs Bett.
„Ich... ich musste..."
Adriano nahm mich in seine Arme und hielt mich wie eine Puppe aus Porzellan, die in seinen Armen jeden Moment zerspringen könnte, wenn er zu fest drückte.
„Ich weiß. Ich hätte nichts anderes an deiner Stelle getan."
Ich ließ meinen Kopf gegen seine Brust sinken und lauschte dem Herzschlag unter dem weißen Hemd, dass er trug.
„Du weißt gar nicht, wie erleichtert ich bin, dass jetzt alles vorbei ist."
Adriano fuhr mir über den Kopf und streichelte meine Wange.
Ich schloss die Augen, fast schon dabei in der Sorgenlosigkeit des Moments in den Schlaf zurück zu driften.
„Ist... ist alles vorbei?"
Er legte seine Hand an meine Wange, strich hypnotisierend und beruhigend über meine Haut.
Ich blinzelte ihn müde an.
Mein Kopf begann dumpf zu pochen.
Was auch immer für Schmerzmittel ich bekommen hatte, die Wirkung begann ein wenig Nachzulassen.
„Ja, ja das ist es." bestätigte er mir, küsste meine Stirn ganz sanft.
„Meine Schwester wurde aus ihren eigenen Reihen verraten. Sie haben Salice..."
Meine Augen fielen zu. Es reichte zu hören, dass Kathalena ihre Strafe bekommen hat, den Rest und das Mitglied ihrer Reihen so wie die Geschichte dazu, die kannte ich.
„Wir erzählen dir Morgen alles, Kaileigh." murmelte Adriano mir zu und küsste behutsam und vorsichtig meine Wange.
Ein stummes Lächeln formte sich auf meinen Lippen.
Alles ist vorbei. Adriano war frei.
Die Tür zum Zimmer ging auf, wohl möglich Leighton.
Seine Stimme bestätigte es mir kurz darauf schon.
„Du konntest ihr schon damals nicht fernbleiben." seufzte er.
„Aber ich war nicht mal zwei Minuten weg, wie ist sie so schnell wieder eingeschlafen?" fragte er sich selbst.
Ich schlief noch nicht, aber ich wusste dass mir nichts mehr passieren konnte, wenn ich meine Augen geschlossen hielt und außerdem war ich von den grausamen letzten Tagen noch zu erschöpft.
Ich hätte Tage schlafen können um den Mangel der letzten Tage aufzuholen.
„Sie fühlt sich sicher." sprach Adriano mir aus der Seele.
„Sie fühlt sich in meiner Nähe so sicher, wie ich mich in ihrer, deshalb konnte ich damals nicht von ihr fernbleiben."
Der Rest des Gespräches der beiden ging bei mir unter. Meine Müdigkeit packte mich und riss mich zurück in den erholsamsten und entspanntesten Schlaf, den ich das letzte mal so hatte, nachdem ich mit Adriano in Italien angekommen bin.

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