Teil1

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Metall trifft auf Leder. Der Ring an meinem Finger gibt ein kleines Klirren von sich, als er auf das Lenkrad meines Audis trifft. Im Takt des Liedes. Immer und immer wieder. Es ist Freitagnachmittag und ich rase über die Autobahn. Die Musik ist laut aufgedreht. Der Bass dröhnt. Die Scheibenwischer fliegen hin und her, doch ich beachte sie gar nicht. Mein Blick liegt auf der Straße vor mir. Schon unglaublich, wie sehr ich mich daran gewöhnt habe Auto zu fahren. Ich habe seit über einem Jahr meinen Führerschein. Der Gedanke daran, dass ich nun auf dem Fahrersitz sitze und mit meinem Ring das altbekannte Geräusch erzeuge, über das ich mich früher aufgeregt habe, ist surreal.

Metall trifft auf Beton. Es kracht. Ich weiß nicht genau was das war, aber es war laut. Unpassend. Man hört scheppern, klirren. Ich kralle mich in mein Lenkrad. Vor mir ist irgendetwas passiert. Ich sehe Wahnlichter aufblinken. Immer und immer wieder. Die Musik schalte ich aus und das Wahnsignal an. Ich werde langsamer. Dann sehe ich es. Der Laster steht quer über zwei Spuren. Ein Auto ganz links, rauchend und mit Schäden, ein anderes weiter vorne, ohne Stoßstange. Der Unfall ist nur Sekunden alt. Die wenigen Autos vor mir werden noch langsamer und fahren vorbei. Ein rotes fährt an den Rand und bleibt stehen. Ich sollte auch stehenbleiben! Ob ich noch genügend erste Hilfe kann? Oh Gott, grade habe ich mich noch erwachsen und sicher gefühlt.

Ich halte an der rechten Seite an. Ziehe die grelle Wahnweste aus der Seitentür und steige aus. Es ist kalt. Mitte Oktober. Ein bewölkter Tag, doch gerade regnet es nicht. Ein Mann, der Fahrer des roten Autos, das vor mit stehengeblieben ist, schaut mich an. "Sie kümmern sich um den silbernen Mercedes und ich schaue nach dem anderen Auto!" ruft er mir zu. Eine Sekunde verstreicht bis ich verstehe. Ich renne auf das Auto, dem die Stoßstange fehlt, zu. Es steht schief. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass die Fahrertür des Lkw's geöffnet wird. Also geht es dem Fahrer wenigstens gut. Der Mercedes ist nun direkt vor mir. Ein neuer Wagen, noch glänzend. Ich umrunde ihn und öffne die Fahrertür. Ein Mann sitzt dort. Noch ganz geschockt hält er das Lenkrad umklammert. Die Airbags sind nicht aufgegangen. Er zittert. Ein Blick auf die Rückbank verrät mir, dass er allein im Wagen ist. Ein glück, keine Kinder. Ich beuge mich näher an ihn. "Sind Sie verletzt?" Was für eine blöde Frage, er hat ja offensichtlich einen Schock. Vorsichtig beuge ich mich näher in den Innenraum des Wagens und öffne seinen Sicherheitsgurt. Er scheint sich aus seiner Starre lösen zu können. "Wie heißen Sie?" frage ich ihn, während er versucht aus dem Wagen zu steigen. Ich stütze ihn so gut es geht. Er ist größer als ich und wahrscheinlich etwas über dreißig. "Sam, Sie?" bringt er hervor. "Ich bin Loreena" antworte ich ihm. Wir gehen langsam an den Rand der Autobahn. Das Gras ist feucht, also setzt er sich auf den Beton. "Mir ist schlecht. Mein Kopf!" stöhnt der Mercedesfahrer. Vielleicht eine Gehirnerschütterung oder ein Schleudertrauma? Ich habe nichts mit Medizin zu tun. Aber ich weiß, dass ich ihn bei Bewusstsein halten muss. 

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