Legato

Teil50

Laut lache ich auf während Vito, der Hausbesitzer mein Weinglas nachfüllt. Der Kater am nächsten Tag ist so gut wie sicher, aber das ist mir in diesem Moment egal. Alles ist mir egal. Nur das benebelte Gefühl, dass meine Gedanken umschleiert und mir eine Welle von Geborgenheit gibt zählt. Der Typ mir gegenüber versucht schon wieder Blickkontakt aufzubauen. Keine Frage, er ist an mir interessiert. So schlecht sieht er auch gar nicht aus, aber vielleicht ist er ein bisschen zu alt für mich. Doch je mehr ich trinke, desto unbedeutender scheint dieser Altersunterschied.

Laut tönt die Stimme von Rika durch den Raum. Sie erzählt von ihrer Schulzeit. Anscheinend ist sie in Sizilien aufgewachsen und ihre Geschichten spielen in einer kleinen Schule nahe am Meer. "Mhh, ich hätte auch mal wieder Lust auf einen Strandurlaub...", sage ich, ohne nachzudenken. "Ach Loreenaaaa, das machen wir unbedingt mal!! Ich kann dir meine Heimatstadt zeigen, da gibt's auch Schaffeeee. Meh", erwidert die nicht mehr ganz so nüchterne Rika. Schafe auf Sizilien? Der Gedanken bring ein Schmunzeln auf meine Lippen. Warum finde ich das so komisch?

Der Wein, aus Hauseigenem Anbau liegt schwer auf meiner Zunge. Langsam verabschiedet sich einer nach dem anderen und macht sich Richtung Bett auf. Je später es wird, desto unbekümmerter ist meine Stimmung. "Ich trinke, um zu vergessen!", rufe ich und kriege vor Lachen kaum einen Schluck runter. "I'm fourteen and this is deep" erwidert der Typ mir gegenüber und beginnt auch zu lächeln. Er hat hellblond gefärbte Haare und sie ergänzen sich perfekt mit seiner braungebrannten Haut. Wie alt er wohl ist? Eigentlich will ich das ja gar nicht wissen, aber wenn er diesen Subreddit kennt, kann er ja nicht soo alt sein. "Mann bin ich fertiggg", reißt Rika die Aufmerksamkeit aller auf sich. "Ich glaub es ist langsam Zeit für dich ins Bett zu gehen", erwidert Grell monoton und trinkt sein Glas leer. Dann steht er auf und zieht die Taumelnde an ihrem gesunden Arm aus dem Raum.

Jetzt sitzen wir nur noch zu dritt da. "Soll ich noch einen Wein holen?", frägt Vito. Ich will gar nicht wissen, wie viele Flaschen wir ihm heute weggetrunken haben, aber sein Weinkeller scheint eine unversiegbare Quelle des süßen Saftes zu haben. "Mach das", sagt mein Verehrer, der sich vorhin als Finn vorgestellt hatte. Erst als Vito den Raum verlässt wird mir klar, dass ich nun mit Finn allein bin. Er lächelt mich an. "Ich mag deine Augen", sagt er. Für dieses Kompliment bekommt er 5 von 10 Punkten, es ist ein bisschen Basic, aber man macht nichts falsch damit. "Danke", antworte ich nur. Die Art wie er sein Weinglas hält betont seine großen Hände. Die Sehnen treten hervor und ich erkenne Narben an den Knöcheln. Er scheint sich schon öfter geschlagen zu haben.

Langsam gleitet mein Blick nach oben, über seinen strammen Oberkörper und den Hals, an dem der Adamsapfel hervortritt, bis in sein Gesicht. Seine dunklen Augen scheinen mich zu durchdringen. Ihre Pupillen weiten sich, als mein Blick auf seinen Trifft. Ich muss schlucken. Der kleine rationale Teil in meinem Inneren, der noch nicht von dem Alkohol betäubt wurde, stellt mein Vorhaben in Frage, doch ich weiß schon jetzt, was ich als nächsten tun werde... Ich werde Finn das geben, was er will, denn ich will es auch.