Teil3

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Die Sonne blendet mich, als ich aus dem Gerichtsgebäude trete. Warm ist es jedoch nicht. Die Anspannung fällt aus meinen Schultern und ich hole erleichtert Luft. Ich musste nur eine Zeugenaussage abgeben, aber ich hatte so Angst. Der Koffer... Nein! Es gibt ihn nicht. Ich habe ihn nicht erwähnt. Der Unfall ist länger her, ich bin mir nicht mal sicher ob es den Koffer überhaupt gab. Vielleicht war das auch nur das Adrenalin... Ich ziehe meinen Mantel enger um mich. Die neue, schwarze Hose berührt den Boden, während ich mit meinen halbhohen Absätzen vorsichtig die Treppe hinuntersteige. "Warte" ruft jemand hinter mir. Als ich mich umdrehe, erkenne ich das Gesicht von Sam. Im Saal hatte ich keine Gelegenheit mit ihm zu reden, also bleibe ich jetzt stehen. Er sieht besser aus als an jenem Tag vor drei Monaten.

"Ich wollte mich noch bedanken, Sie haben mir erste Hilfe geleistet und sich um mich gekümmert, während ich einen Schock hatte. Vielen Dank! Ich weiß nicht, wie ich das Begleichen kann... Was haben Sie jetzt noch vor?" quillt es aus ihm hervor. Ich versuche in seinen Augen einen Hinweis zu sehen. Bedankt er sich wirklich nur für die erste Hilfe? Oder ist da noch mehr? "Ach, das ist doch selbstverständlich, dass man hilft! Ich wollte mir jetzt noch schnell was zum Essen holen und dann nach Hause." "Dann darf ich Sie wenigstens zum Essen einladen? Ich weiß wirklich nicht, wie ich meine Schuld begleichen soll..." frägt er. "Helfen sie einfach auch einem Fremden, wenn sie die Gelegenheit dazu haben" erwidere ich. "Bitte, lassen sie mich Ihr essen bezahlen!" bittet er nochmal. "Also gut, aber nur, wenn Sie auch etwas essen. Und Sie entscheiden, wo wir hingehen." gebe ich letztendlich nach. Es fühlt sich komisch an. Er ist mindestens doppelt so alt wie ich und normalerweise gehe ich nur mit Dates in Restaurants. Und einladen ließ ich mich nie.

"Mögen Sie Asiatisch?" fragt Sam, während wir in eine gefüllte Seitenstraße einbiegen. "Ja, sehr sogar!" sage ich. Warum bin ich so nervös? Eine ungute Vorahnung. Wir setzen uns in einen kleinen Asiaten gegenüber an den Tisch. Er lächelt mich an und sagt, ich solle bestellen, was ich wolle und ja nicht auf den Preis achten. Ich nehme das billigste Gericht und ein Wasser. Der Smalltalk zwischen uns scheint normal zu sein. Ich hasse Smalltalk, man kommt nie zur Sache und redet nur drum rum. Aber entspannen kann ich mich trotzdem nicht. "Ich gehe kurz zur Toilette" sage ich ihm, als ich mein Essen beendet habe. Im Bad hole ich mein Handy hervor und schalte mein GPS an. Dann mache ich eine schnelle Sprachnachricht an meine Schwester. Ich erzähle vom Gerichtsverfahren und wo ich mich jetzt befand.

Als ich wieder an den Tisch zurückkehre, tippt Sam gerade in sein Smartphone. Auf dem Tisch stehen zwei kleine Mango Schnäpse. Eine Aufmerksamkeit des Restaurants? Ich setze mich und lächle Sam an. "Ich habe bereits gezahlt" sagt er "Und nochmals vielen Dank für alles!". Dann hebt er sein Glas. "Auf meine Retterin". Peinlich berührt stoße ich mit an. Der Alkohol brennt in meiner Kehle. "Vielen Dank für das Essen! Leider muss ich jetzt los, lernen..." sage ich. Als wir aufstehen dreht es mich. Nanu? War der Alkohol so stark? Aber ich vertrage eigentlich echt viel, und dann auch noch direkt nach dem Essen...  

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