Teil75

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Irgendwie geht alles zu schnell und zu glatt. Jeden Tag kommt jemand neues und frägt mich Sachen, die mir eigentlich komplett egal sind. Wie soll die Torte aussehen, von welcher Marke soll mein Kleid sein und welche Blumen will ich als Brautschmuck haben? Ich antworte immer das Gleiche: Machen Sie einfach was Ihnen am besten gefällt. Doch obwohl ich somit den einfachsten Weg nehme, das Thema abzuschließen, kommen immer neue Dinge oben drauf. Habe ich doch der Floristin gesagt, sie solle alle Blumen auswählen, aber trotzdem frägt sie mich bei unserem nächsten Treffen ob ich lieber Rosen oder Wiesenblumen für den Strauß haben möchte. Es ist mir egal.

Als ich klein war habe ich mir manchmal meine Hochzeit vorgestellt. In diesen kindlichen Fantasien habe ich irgendeinen berühmten und gutaussehenden Schauspieler geheiratet und dann eine riesige Hochzeitsfeier mit all meinen Freunden und meiner Familie gefeiert. Ich habe ein wunderschönes weißes Kleid an und halte verliebt die Hand meines Seelenverwandten, während weiße Tauben in den Himmel fliegen. Kitschig, ich weiß. Als ich dann älter wurde und gemerkt habe, dass heiraten nicht ein Pflichtabschnitt im Leben einer Frau ist und es überhaupt sehr schwierig ist, einen Jungen zu finden, der sich nicht völlig unreif und blöd verhält, war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich überhaupt heiraten wollte. Als Teenager konnte ich mir auch sehr gut vorstellen, einfach alleine zu Leben und mich auf mich selbst zu konzentrieren. Und jetzt sitze ich hier, irgendwo in Italien und plane meine Hochzeit mit einem Mann, zu dem meine Gefühle eher das Gegenteil von Liebe zu seien scheinen. Wie absurd das Leben manchmal sein kann. Und jetzt muss ich mich für oder gegen Rosen im Strauß entscheiden.

Als ich mich eines Abends bei einem Telefongespräch mit Rika über diesen unnötigen Stress beschwere, frägt sie mich, ob sie schon vor der Hochzeit zu mir kommen und sich um die Planung kümmern könne. Diese Idee finde ich genial. Die Langweile bringt mich dazu, immer über die gleichen Dinge Nachzudenken. Ob ich Jaden vertrauen kann, wie meine Gefühle zu ihm stehen, ob ich wirklich so impulsiv heiraten sollte und ob nicht noch ein anderer Weg zu einem friedlichen Leben führt...

Natürlich könnte ich mich auch Hals über Kopf in die Planung der Hochzeit stürzen und jedes Detail festlegen, es wäre sicherlich eine gute Ablenkung, aber ich habe Angst, dass ich die Eheschließung am Ende noch ernst nehme.

"Jaden, wann besuchst du mich wieder?", schreibe ich ihm per Handynachricht doch erwarte keine direkte Antwort. Er ist so unglaublich beschäftigt und es beunruhigt mich, nicht zu wissen wie es um den Clan steht. Ich kann nur hoffen, dass er alles im Griff hat und niemand nachts das Anwesen anzündet. Der Schock von damals, von dieser einen Nacht in diesem Haus im Wald... Er sitzt immer noch tief. In solchen Situationen kann man nicht rational handeln, so sehr ich mich auch versuche abzuhärten. Ich habe Angst davor, herauszufinden zu was ich alles fähig bin, wenn mein Leben auf dem Spiel steht...

"Tut mir leid Ena, ich weiß nicht, wann ich wieder frei bin :( aber die Idee mit Rika finde ich gut, lade sie ruhig ein.", ist die Nachricht von Jaden, die mein Handy aufleuchten lässt. Immerhin kann ich mich jetzt auf etwas Gesellschaft freuen. Vielleicht könnte ich Rika sogar von meiner echten Geschichte erzählen? Wie ich unfreiwillig Teil dieser Organisation wurde. Vielleicht könnte sie für mich Nachforschungen über meine Eltern anstellen? Aber kann ich ihr denn vertrauen? Sie scheint zwar eine offene und fröhliche Persönlichkeit zu haben, aber gerade vor diesen Menschen sollte man sich in Acht nehmen. Und es muss bestimmt auch einen Grund haben, warum sie Teil einer Mafia Familie ist. Ich sollte sie lieber nicht unterschätzen. Sich in dieser Welt zu bewähren ist bestimmt härter, als ich es mir vorstellen kann.

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