Teil82

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Die Zeremonie verläuft ohne Unterbrechungen. Alles ist genauso, wie wir es geübt haben und bis auf meine zitternden Hände, die mich fast den Ring für Jaden fallen lassen, klappt alles. Die Kirche ist bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt mit Gesichtern, die mir unbekannt sind. Alle mit ernster Miene, nur Rikas Lächeln erinnert mich daran, dass dies ein glückliches Ereignis sein sollte.

Es sind so viele Leute hier, dass ich Finn gar nicht sehe, vielleicht ist das auch besser so, schließlich war er nur eine einmalige Sache. Ich werde so tun, als ob wir uns nur flüchtig kennen, denn das stimmt ja auch.

Endlich ist die Zeremonie fertig. Für meinen Geschmack war sie etwas zu christlich, ich meine, wie können diese Leute so gläubig sein und gleichzeitig eine menschenverachtende und gegen jede Regel ihres Glaubens verstoßende Organisation unterstützen? Aber vielleicht brauchen sie den Glauben, um mit ihren Schuldgefühlen klar zu werden. Falls sie so etwas überhaupt haben.

Jaden und ich treten aus der Kirchenpforte ins Freie und das strahlende Licht der Mittagssonne lässt mich für einige Sekunden erblinden. Meine linke Hand liegt in seiner Rechten und der leichte Druck meines Eherings ist noch ganz ungewohnt. Hinter mir höre ich Rika, die sich darum bemüht, dass ich mit meiner Schleppe nicht irgendwo hängen bleibe.

Als sich meine Augen an das Licht gewöhnt haben, bin ich kurz überrascht, denn im Kirchenhof stehen noch mehr Leute! Woher kommen die denn alle? Ist der Caruso Clan wirklich so groß? Ich muss Schlucken, als mir bewusstwird, was es bedeutet, nun für immer ein Teil von ihm zu sein. Doch bevor ich mir weitere ernste Gedanken machen kann, sehe ich ein bekanntes Gesicht in der ersten Reihe. Woher kenne ich ihn noch gleich? Ah ja, er war einer von den Leuten, die damals mit im Van waren, als ich Rika kennengelernt habe und meine Reise nach Italien begann. Das scheint schon ewig her zu sein... Ich lächle, vielleicht zum ersten Mal an diesem Tag, und er erwidert es, als er bemerkt, dass ich ihn erkannt habe.

Dann hebt er eine Hand und wirft etwas auf mich. Erschrocken zucke ich kurz zurück, als tausende von winzigen Reiskörnern auf mich niederregnen. Die anderen Gäste beginnen jetzt auch und in kürzester Zeit stehen Jaden und ich in einem Regen aus Reiskörnern. Überrascht muss ich lachen, irgendwie hatte ich diese Tradition nicht erwartet. Alle waren so ernst und plötzlich stehe ich hier vor der Kirche und werde mit Reis beworfen.

Jaden drückt kurz meine Hand. Auch er lächelt, es scheint echt zu sein. Dann hebt er unsere ineinander verschränkten Hände in die Luft. Die Gäste jubeln und ich höre einige "Bacio!" rufen. Diese Aufforderung lässt Jaden sich nicht zweimal sagen, er zieht mich näher an sich und drückt seine Lippen auf meine.

Nachdem wir sehr lange vor dem Kircheneingang gestanden und uns die Glückwünsche von allen möglichen, mir fremden, Personen angehört haben, ist es endlich an der Zeit, zu der nächsten Location zu fahren. Jaden und ich sitzen Stumm auf dem Rücksitzt des alten Mercedes, in dem ich heute bereits hergekommen bin. Der schwierigste Teil dieses Tages ist geschafft, ab jetzt wird nur noch gefeiert. Ein Hauch der Erleichterung macht sich in mir breit und ich lehne mich entspannt in die Polster des Sitzes zurück. Meine Hand liegt auf meinem Bauch und ich weiß, egal was nun kommt, unsere Zukunft ist gesichert. Ich habe ausnahmsweise mal die richtige Entscheidung getroffen.

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