Teil68

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Über die nächsten Wochen rhythmisiert sich mein Leben auf der Villa langsam. Morgens frühstücke ich meist allein, Jaden hat den ganzen Tag zu arbeiten, aber am Abend treffe ich ihn stets für ein romantisches Dinner, mal unter offenem Himmel, mal auf dem Balkon oder in dem pompösen Speisesaal. Wir sprechen über belanglose Dinge und die anfängliche Scheue ist nun vollständig verflogen. Wir lachen zusammen und ich sehe in seinen Augen, dass die Zeit, die er mit mir verbringt ihm seine Anspannung nimmt. Manchmal gehen wir nach dem Essen gemeinsam in meine Räumlichkeiten, um uns zu vergnügen und manchmal schauen wir einfach nur einen Film und Kuscheln dabei. Ich muss mich selbst immer wieder daran erinnern, dass ich das nicht freiwillig mache. Ich spüre die Gefahr, mich in der Einfachheit dieser Routine zu verlieren.

Mit dem Handy, dass Jaden mir an jenem ersten Abend geschenkt hatte, konnte ich nicht besonders viel anstellen. Ich war überzeugt, es währe ein großer Triumpf, aber letzten Endes kann ich damit nur Jaden schreiben (er schickt mir täglich einen Morgengruß und fragte mich mittags, was ich so tat). Natürlich hatte ich im ersten stillen Moment, versucht meine Eltern anzurufen. Es war mir schwergefallen, mich nach all der Zeit an die Festnetznummer zu erinnern und nachdem ich die ersten paar Versuche in den Sand gesetzt hatte (ich hatte vergessen, dass ich auch noch die deutsche Vorwahl hinzufügen musste), gelang es mir schließlich, alles richtig einzuwählen. Doch zu meiner Enttäuschung bekam ich nur ein: „Kein Anschluss unter dieser Nummer" zu hören. Was ist nur los verdammt? Also bringt mir das Handy so gut wie gar nichts. Zuerst war ich frustriert und nachdem auch bei den Handynummern niemand oder die falsche Person mit „Sie haben sich verwählt, tut mir leid" ranging, begann ich langsam mir sorgen zu machen. Doch auch diese Sorgen verschwammen mit dem Luxus, der zu meiner Alltäglichkeit wurde. Gutes und hochwertiges Essen, abwechslungsreich und lecker. Außerdem lernte ich nach und nach die Leute, die hier arbeiten kennen und mit einigen konnte man sich sogar ganz gut unterhalten. Manchmal half ich in der Küche und führte dabei sehr viele interessante Gespräche. So habe ich auch erfahren, dass Jaden der Sohn von Valentino ist. Was zum Henker?! Man sah mir meinen Schock wohl an, den daraufhin wurde mir gar nichts mehr gesagt. Sie hatten wohl Angst, etwas mir absichtlich Vorenthaltenes preiszugeben.

Ich bin jetzt bestimmt schon über 3 Monate hier in Italien, denn die warmen Tage wurden noch unerträglich heißer und nun merke ich, wie sie sich wieder etwas abkühlen. Ich glaube, ich habe mich damit abgefunden, hier zu leben. Es ist schließlich kein schlechtes Leben, aber auf jeden Fall weit entfernt von dem, was ich mir in meinen Teenage Jahren vorgestellt habe. An mein altes Leben denke ich kaum noch, denn es war langweilig und liegt sowieso hinter mir. Ich kann eh nix dran ändern, also muss ich mein hier und jetzt beeinflussen. Zu dieser Erkenntnis zu gelangen ist schon ein großer Vorschritt. Trotzdem gibt es da eine Sache, die mich immer noch verfolgt, egal wie sehr ich sie zu vergessen versuche. Die Tatsache, dass ich eine Mörderin bin. Auch daran kann ich nichts mehr ändern. Nie wieder. Und meine Verdrängungsversuche machen es nur noch schlimmer, denn sobald ich ein paar Tage nicht daran denke, werde ich in meinen Träumen heimgesucht. Ob Jaden sich wohl darüber wundert, dass ich so oft schweißgebadet in seinen Armen aufwache, den Tränen nahe? Danach gefragt hat er mich jedenfalls noch nicht. Wobei er selbst auch nicht gerade gut zu schlafen scheint. 

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