Teil61

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Gerade, als ich mein Frühstück beende, lässt sich jemand neben mich aufs Sofa. Dieser unverkennbare Geruch. Es ist Jaden. „Guten Morgen, Ena.", sagt er leise.

Sein Präsenz neben mir ist mir viel mehr bewusst als sonst. Ich spüre seine Aura. Er ist so nah, doch wir berühren uns nicht. Er atmet ein. Er atmet aus. Ich nehme seine bloße Existenz mit jeder Zelle meines Körpers war.

Jaden legt langsam einen Arm um mich. Innerlich zucke ich zurück doch nach außen hin bleibe ich gelassen. Ich hasse ihn, aber seine Berührungen sind wie eine Droge für mich. Sie schenken mir Zuversicht. Lügen mir eine Sicherheit vor, die es nicht gibt. Menschen brauchen Menschen. Egal wie sehr man sich wünscht, allein zu sein, ganz ohne andere Lebewesen geht es nicht.

Es ist so ungewohnt, seine vertrauten Hände zu spüren. Wie lange waren wir getrennt? Wie lange war es her, dass ich seine Nähe zum ersten Mal erlebt hatte und wie lange war es her, dass seine Berührungen zu einem Albtraum wurden? Wenn ich an dieses eine, Letze und grausame Mal denke, dass er mir aufgezwungen hatte, sollte ich dann nicht Angst, Wut und schrecken spüren? Doch jetzt gerade, mit Jadens Hand auf meiner Schulter, spüre ich nichts. Weder Wut noch Freude.

Mir geschehen schreckliche Dinge, doch ich habe auch schreckliche Dinge getan. Ich schätze mal, das ist es, was man Karma nennt. Das Gleichgewicht wird eingehalten. Vielleicht ist es auch anders herum. Mir wurden grausame Dinge angetan, die mich wiederum dazu verleitet haben, unmenschliche Taten auszuüben. Egal wie rum es war, das Endergebnis ist dasselbe. Hier sitzen wir. Jaden und Loreena. Zwei grausame Menschen, denen Leid angetan wurde und die aus Rache an der Welt oder vielleicht auch aus purem Narzissmus selbst gewalttätig wurden.

Jaden zieht mich näher an sich. „Ich habe dich vermisst", flüstert er mir ins Ohr. Habe ich ein Recht ihn zu hassen? Ich drehe langsam meinen Kopf in seine Richtung. Wir blicken uns jetzt direkt in die Augen. Ich lächle leicht. „Ich weiß."

Einige Zeit sitzen wir einfach nur stumm nebeneinander. Ich weiß nicht, was ich sagen soll und ihm scheint es ähnlich zu gehen. Wir beobachten die Naturkulisse vor uns und sind in unseren eigenen Gedanken gefangen. Ich versuche mich daran zu erinnern, wann ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Es war an dem Tag meiner Entführung, dem Gerichtstag gewesen. Er hatte die Eingangstür jenes Hauses geöffnet, irgendetwas komisches gesagt und mich dann in einen gruseligen Kellerraum gebracht. Aber warum hatten sie mich überhaupt in dieses Haus gebracht? Es hätte weitaus weniger umständliche Wege gegeben, um für mein Schweigen zu sorgen. Warum hatten sie mich nicht... eliminiert?

„Jaden?", sage ich, ohne groß darüber nachzudenken. „Warum habt ihr mich damals eigentlich zu euch geholt?". Ich bin mir sicher, er versteht meine Frage, auch wenn ich sie nicht weiter ausführe.

„Mh? Oh, ja...", Jaden sieht jetzt ein bisschen nervös aus. „Aber sei nicht sauer... Eigentlich war der Plan, dich zu Wahre zu machen, deswegen wurdes du zu einem Lager gebracht, aber weil Valentino gerade auf Evaluierung war und deswegen zufällig auch in dem Stützpunkt, wollte er ein bisschen mit dir spielen... Und weil du mir dann so gefallen hast, habe ich dafür gesorgt, dass du nicht verkauft wirst..." Mit deutlichem Unbehagen weicht Jaden bewusst meinem Blick aus. Ich weiß gar nicht, was ich von dieser Story halten soll. Die Vorstellung, in einer der Zellen zu sitzen und auf meinen verkauf zu warten widert mich an. Aber nicht wegen dem, was mir danach vermutlich angetan werden würde, sondern weil ich nicht wie diese unmenschlichen, kleinen und wimmernden Wesen zusammengekauert in einem dreckigen Loch sitzen will.

„Danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast...", presse ich hervor und schüttle den "was wäre wenn" Gedanken von mir.

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