Am nächsten Morgen frühstücke ich wieder mit Jaden und er ist ungewöhnlich still. Ich weiß nicht, ob er auf meine Antwort wartet oder ob der Konflikt, um den er sich nun kümmern muss, eine zu schwere Aufgabe für ihn darstellt. Also essen wir schweigend und beobachten die ruhige Natur vor uns. Das Kaffee trinken auf der Terrasse mit diesem beraubenden Blick auf die Stille des neuen Tages hat sich zu einer festen Gewohnheit geformt. Auch wenn Jaden mich bei diesem neuen Ritual nicht immer begleitet, ist es doch zu einem besinnlichen Weg geworden, meinen Morgen zu starten. Ich fühle mich ruhig und als könne ich jeden Gedanken klar ausführen. Vielleicht hat das mit der noch nicht zu warmen Frische der Luft zu tun.
"Alles okay bei dir?", frage ich Jaden vorsichtig. Vielleicht will er ja darüber sprechen.
"Ja, passt schon...", antwortet er abwesend. Dabei belasse ich es. Aber der Impuls, die Stille zu durchbrechen bringt mich dazu, weiter zu reden.
"Jaden, du hast mir doch das Handy gegeben. Darf ich damit einer Freundin schreiben? Sie heißt Rika und ich habe sie auf dem Weg hier her kennengelernt. Sie ist auch Teil der Familie...", sage ich etwas verunsichert. So höfliche Worte sind er wohl nicht von mir gewöhnt, denn ein kleines Lächeln huscht über seine Lippen.
"Natürlich darfst du, ich vertraue dir doch! Du kannst sie ja gleich zu unserer Hochzeit einladen... also falls es eine gibt...?", den letzten Teil sagt er etwas langsamer und meinen Blick suchend. Da ist es also. Er will eine Antwort. Eine Antwort, die ich eigentlich schon habe, aber sie auszusprechen und somit zu manifestieren fällt mir schwerer als gedacht.
"Mh, ja, es wäre bestimmt schön, eine Freundin an meiner Seite zu haben, wenn schon meine Familie nicht bei meiner Hochzeit dabei sein kann...", gebe ich ihm die ersehnte Antwort und einen kleinen Seitenstich dazu. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen und er dreht sein Gesicht von mir fort.
"Stimmt, deine Familie kann leider nicht dabei sein...".
Dann steht er auf und dreht sich noch einmal zu mir. "Dann fangen wir mit den Vorbereitungen an.". Er wendet sich schon Richtung Tür, dann fällt ihm etwas ein. " Achja, ich habe noch was für dich.". Seine Hand verschwindet in der Hosentasche und erscheint in Form einer Faust wieder. Er hat etwas sehr Kleines hervorgeholt, was es wohl ist? Die linke Hand streckt er mir nun entgegen. "Deine Hand, Ena.", verlangt er und ich gehorche. Dann geht er auf ein Knie und steckt mir einen schmalen, silbernen Ring an den Finger. Jaden sagt nichts, er blickt nur ein paar Sekunden in meine Augen. Mir ist unser ungewohnter Höhenunterschied seltsam bewusst. Er kniet vor mir und obwohl ich sitze, überrage ich ihn. Nach einem Moment der Stille steht er auf und geht wortlos ins Haus.
Und schon verfliegen die Tage. Einer wie der nächste und doch komplett unterschiedlich. Jaden ist fast nie auffindbar, der Konflikt hat alle in seinen Bann gezogen und nur durch belauschen von Gesprächsfetzen konnte ich erfahren, dass die Kolombo Familie angeblich etwas mit dem Tod Valentinos zu tun hat. Ob das auch stimmt weiß wohl niemand so genau. Doch die Tatsache, dass sie weiter für Unruhe sorgen, durch missachten der alten Verträge mit Valentio, facht das Feuer an Misstrauen an. Niemand wollte mit mir darüber sprechen. Immer wenn ich das Gespräch in diese Richtung zu lenken versucht habe, wurde schnell das Thema gewechselt. Vielleicht dürfen sie ja auch nicht mir über wichtige Dinge reden? Und so kommt es, dass die Planung der Hochzeit meine volle Aufmerksamkeit innehat. Aber wenn ich abends allein in meinem Zimmer auf der Bettkante sitze und auf den funkelnden Smaragd des Ringes an meinem Finger schaue, dring die unterdrückte Unsicherheit an die Oberfläche.
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مغامرة„In meinem Leben gibt es niemanden mehr, für den es sich zu sterben lohnt" Als sie Zeugin eines Unfalls wird, gerät die 18 jährige Loreena unfreiwillig in die ihr völlig fremde Welt der Mafia. Plötzlich sieht sie sich Entscheidungen gegenüber, die w...