Teil45

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"Wir sind bald bei den anderen.", höre ich Kians Stimme hinter mir. Er ist ein bisschen zurückgefallen. "Ab jetzt können wir gehen...", meint er. Ich verlangsame meine Schritte und bin kurz davor mich zu übergeben, so sehr habe ich meinen Körper überansprucht. Klar, ich hatte lange keine Möglichkeit mehr, meine Ausdauer zu trainieren. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass meine Begleitung einen riesigen Blutfleck auf dem Bauch hat. Er kann noch gehen, aber seine Hände klammert er um seinen Körper. Das Gesicht ist schmerzverzehrt. "Gehts?", frage ich, absolut bescheuert, er wurde schließlich angeschossen und verblutet vielleicht. "...glaub schon... Falls nicht, lauf einfach weiter in die Richtung...", antwortet Kian mir.

Moment, was, wenn ich nicht zu den anderen laufe? Dann bin ich komplett frei, oder? Natürlich habe ich immer noch das Problem mit der Polizei, aber vielleicht findet sich ja ein Weg, wenn ich erstmal meine Freiheit zurückgewonnen habe? Ich könnte auch als Gesetzlose leben oder mir eine gefälschte Identität besorgen... Das ist meine Chance! Kian ist so schwer verletzt, er könnte mir nicht hinterher rennen... Aber er hat immer noch eine Pistole und er könnte den anderen von meiner Flucht berichten... Am besten wäre es, wenn alle denken würden, ich sei von dem SEK erschossen worden. Aber Kian weiß als einziger, dass ich das nicht bin...

Unbewusst umschließt meine rechte Hand die Waffe fester. Soll ich? Das ist meine einzige Möglichkeit. Er ist so schwer verletzt, dass er sowieso sterben würde... Und außerdem ist er ein Mörder. Er hat fünf Menschen vor meinen Augen getötet und wer weiß wie viele davor? Kian ist ein schlechter Mensch, falls es Gut und Böse überhaupt gibt. Ich hebe meinen rechten Arm. Plötzlich verschwimmt alles vor meinen Augen, nur der Körper des bösen Mannes vor mir ist scharf. Ich höre nur dumpf seine Stimme. Er schaut mich fragend an. Seinen Kopf leicht nach rechts geneigt. Mein Atem geht heftig. Mein Zeigefinger legt sich auf den Abzug. Sollte ich wirklich...? Bin ich dann nicht genauso schlecht wie er? Lohnt sich Rache wirklich?

Peng. All meine Zweifel lasse ich in dem Moment los, in dem ich den Abzug betätige. Kian sinkt vor mir zu Boden. Aus der Wunde in seinem Hals strömt nur wenig Blut. Er hatte zuvor bereits zu viel verloren. Reglos liegt er jetzt vor mir. Er ist tot. Ich habe Kian getötet. Erschossen. Ein Druck bildet sich im hintersten Teil meiner Kehle. Doch es ist kein Schluchzen. Ich stoße die Luft aus. Ein glucksen entweicht mir. Langsam steigt er an, bis ich vor mich hin kichere. Aber warum lache ich den jetzt? Ich kann nicht mehr aufhören. Das irre Lachen übernimmt die Kontrolle über meinen Körper und Tränen beginnen meine Wangen hinunter zu fließen. Bin ich  verrückt geworden? Rache. Das war der erste, an dem ich mich gerächt habe. "Damit hast du nicht gerechnet, oder?", schreie ich die Leiche vor mir an. Dann drehe ich mich um und renne los. Ich achte nicht auf die Richtung und nehme meine Umgebung kaum war. Mein Gehirn ist betäubt von Schock. Oder ist es Erleichterung? Ich bin draußen! Kleine zweige knacken unter meinen Fußsohlen und frische Luft strömt in meine Lungen. Meine Kleidung ist nass. Voll mit Blut. Aber es ist nicht mein Blut. Ich habe nicht einen Kratzer abbekommen.

Der Wald lichtet sich und vor mir erscheint eine kleine Straße. Erschöpft sinke ich zu Boden und bin kurz davor mein Bewusstsein zu verlieren. Die Pistole immer noch in der Hand, beginnen die Ränder meines Sichtfeldes schwarz zu werden. Nein! Ich muss wach bleiben! Ich höre Motorgeräusche, egal wer es ist, er darf mich nicht sehen! Doch ich bin zu schwach, um aufzustehen. Ich sehe einen schwarzen Lieferwagen auf mich zu kommen. Was wenn es das SEK ist? Oder die anderen Leute der Mafia? Mit letzter Kraft rolle ich mich von der Straße. 

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