"Setz dich doch bitte, Loreena" weist mich der Italiener an. Ich folge ihm und lasse mich in den Sessel fallen. Valentino ist also wieder da. Nervosität durchzieht mich bis in die Fingerspritzen. Ich muss jedes Wort mit Bedacht wählen! Keine Lügen. Zumindest keine offensichtlichen. Mein Hals schmerzt immer noch ein bisschen und ich will eine weitere Folter auf jeden Fall vermeiden! "Ich hoffe du fühlst dich bei uns wohl. Leider musste ich geschäftlich weg, aber man hat sich ja um dich gekümmert." beginnt Valentino zu reden. "Du hattest viel Zeit über deine Taten nachzudenken, also hast du jetzt bestimmt eine Antwort für mich. Was war in dem Koffer drinnen?". Warum will er unbedingt, dass ich es ausspreche, wenn er doch eh weiß, dass ich es weiß? "Ich glaube, es könnte eine Pistole gewesen sein", antworte ich, mit Absicht sehr vage. Das Gesicht meines Gesprächspartners verzieht sich nicht im Geringsten. "Na geht doch" sagt er nur. Dann tritt eine beunruhigende Stille ein.
Scheiße, was jetzt? Was wird er jetzt tun? Meine Finger fangen unruhig an, den Lack meines Nagellackes abzukratzen. Er ist durchsichtig und hat kleine Glitzerpartikel. Ich habe ihn am Tag des Gerichtverfahrens draufgetan. Das scheint schon so lange her zu sein... Ein Geräusch bringt mich wieder in die Gegenwart. Valentino ist aufgestanden. Er schlendert jetzt durch den Raum. Sehr langsam. Meine Augen folgen ihm, aber ich traue mich nicht, meinen Kopf zu drehen. Sobald ich ihn nicht mehr sehen kann, sterbe ich fast vor Aufregung. Er bleibt irgendwo hinter mir stehen. "Was mach ich nur mit dir, Loreena?" sagt er, mehr zu sich selbst als zu mir. "Du verstehst sicherlich, dass du jetzt eine Zeugin bist. Eine Mitwisserin... Deswegen kann ich dich, egal wie sehr ich es auch möchte, nicht einfach wieder gehen lassen..." sein italienischer Akzent lässt diese ganze Situation bizarr wirken. Ich entscheide, dass es das Beste für mich ist, vorerst nichts zu sagen.
Man hört ein klirren und dann ein plätscherndes Geräusch. Er schenkt etwas ein. Ich zucke zusammen, als Valentino ein kleines, tulpenförmiges Glas vor mir abstellt. Er selbst lässt sich mit einem ähnlichen mir gegenüber nieder. Ob da Gift drinnen ist? "Magst du Grappa?", fragt der Italiener. "Stoßen wir an, auf deine Hilfsbereitschaft und das du dich entschlossen hast, die Wahrheit zu sagen.". Er hebt sein Glas in meine Richtung. Was soll ich jetzt tun? Wenn ich nicht trinke, wird er es als unhöflich auffassen. Aber vielleicht ist es vergiftet. Aber wendern hätte er mich doch schon früher getötet, oder? Erwartend hält er sein Glas und schaut mir amüsiert in die Augen. Ist es so offensichtlich, was ich denke?
Ich nehme das Glas und stoße mit ihm an. Mit einem kalten Blick schaue ich in seine Augen und dann exe ich den Grappa. Trotz des starken alkoholischen Geschmacks fühlt er sich angenehm im Gaumen an und es fällt mir leicht, mein Gesicht neutral zu halten. "Wie schön, dass du mir vertraust. Auch Jaden hat mir berichtet, dass du dich in letzter Zeit sehr brav benimmst. Dein verhalten ist wirklich sehr vorbildhaft, was mich zu meinem nächsten Punkt bringt..." Ich fühle mich, als säße ich beim Schuldirektor im Büro. Valentino steht wieder auf und geht aus meinem Sichtfeld. Dann kommt er wieder mit der Grappa Flasche. Er stellt sie auf den Tisch. Bevor er sich hinsetzt, hebt er etwas vom Boden auf den Tisch. Einen schwarzen Koffer. DER schwarze Koffer...
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Legato
Aventura„In meinem Leben gibt es niemanden mehr, für den es sich zu sterben lohnt" Als sie Zeugin eines Unfalls wird, gerät die 18 jährige Loreena unfreiwillig in die ihr völlig fremde Welt der Mafia. Plötzlich sieht sie sich Entscheidungen gegenüber, die w...