Teil12

615 20 0
                                    

Als Valentino die Frage stellt, erschrecke ich innerlich. Nach außen versuche ich gelassen zu bleiben. Meine Körpersprache darf ihnen nichts verraten! Meine Antwort muss ich mir gut überlegen. Ich muss sie auf jeden Fall davon überzeugen, dass ich nicht weiß, was in dem Koffer war! "Nein, dafür war keine Zeit. Wieso fragen Sie? Ist etwas Wichtiges verlorengegangen? Das tut mir wirklich leid! Alles ging so schnell..." fließt es aus mir heraus. Habe ich zu viel gesagt? War das zu auffällig? Meine Stimme hat einmal leicht gezittert, aber vielleicht interpretieren sie es als die Aufregung im Zusammenhang mit dem Unfall.

"Ist das so...?" frägt der Italiener und schaut missbilligend. Oh Gott. Er weiß es. Ich bin mir sicher. Aber woher sollte er das wissen? Beruhig dich! Ich hole einmal tief Luft und richte mich ein bisschen gerader auf dem Stuhl. "Ja, tut mir leid" sage ich mit festerer Stimme. Unter der Tischfläche kralle ich meine Fingernägel in meinen Oberschenkel.

"Jaden?". Valentino richtet seine Aufmerksamkeit nun voll auf seinen Tischnachbar. Dann fließen ein schwall an Wörtern aus seinem Mund. Ist das Italienisch? Leider habe ich seit drei Jahren keinen Blick mehr in die Italienischbücher meiner Schulzeit geworfen. Trotzdem kann ich ungefähr verstehen, was er sagt. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen. Jaden solle mir klarmachen, wie unhöflich es sei, den Representante anzulügen. Das ist alles was ich verstehen kann. Doch sie wissen nicht, dass ich Italienisch spreche, sei es noch so schlecht. Diesen Trumpf muss ich mir unbedingt bewahren! Doch als ich höre, wie Jaden frägt, ob es Ok ist, wenn ich ein bisschen verstört werde, zucke ich zusammen.

"Das Essen ist hiermit beendet. Jaden wird sich nun ein bisschen um deine Manieren kümmern... Keine Angst, sobald du dich bereit erklärst wieder mit mir zu reden und diesmal ohne lügen, hört er sofort auf" teilt mir Valentino jetzt in Deutsch mit. Shit. Was mach ich? "Das wird nicht notwendig sein", werfe ich schnell ein. "Ja es stimmt, ich habe vorhin gelogen und das tut mir wirklich leid! Ich hatte Angst, aber jetzt wo ich weiß, dass ich ihnen vertrauen kann...". Der Italiener schaut überrascht in mein Gesicht und lässt mir dann mit einer Handgeste zu verstehen, dass ich weiterreden kann. "Ich habe wirklich nur ganz kurz hineingeblickt, ich musste mich ja um Sam kümmern. Im Koffer konnte ich kaum etwas sehen, es hat ja geregnet, nur so schwarzes Plastik oder Metall... Ich weiß nicht, was es war... Vielleicht was für eine Maschine? Ich habe wirklich keine Ahnung" sage ich. Lügen sind glaubwürdiger, wenn ein bisschen Wahrheit in ihnen steckt. Ich ärgere mich, dass ich mich nicht von Anfang an daran erinnert habe. Dann währe ich jetzt noch glaubwürdiger!

Der Boss gibt ein missbilligendes Geräusch von sich und sagt: "Ich dachte du wolltest nicht mehr lügen? Tja, das war ein Fehler von dir." und dann sagt er auf Italienisch zu Jaden "Lass sie ein bisschen schreien.". Mit diesen Worten erhebt Valentino sich vom Tisch und schreitet aus der Tür. Stille ergreift den Raum. Die Desserts stehen ungerührt auf dem Tisch. Jaden erhebt sich und kommt auf mich zu. "Komm mit!" befehlt er mir und lächelt. Dieser Mistkerl. "Wohin gehen wir?" frage ich ihn, ohne mich von meinem Stuhl zu bewegen. "In dein Zimmer" sagt er und schaut mich erwartend an. Mein Zimmer? "Eigentlich ist es ja euer Zimmer, oder?" sage ich nervös und hoffe ihn von seinem Vorhaben abzulenken. Doch er verengt nur seine Augen. "Entweder du gehst jetzt voraus oder ich ziehe dich an deinen Haaren die Treppe hoch. Du hast die Wahl." droht er mir mit ganz ruhiger Stimme. Ich stehe auf. 

LegatoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt