Teil2

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"Mein Handy. Ich muss ihn Anrufen! Bitte" stöhnt Sam. Er versucht sein Smartphone aus der hinteren Hosentasche zu ziehen. Es fällt auf den Asphalt. Ich hebe es auf und gebe es ihm. Das Handy ist zersplittert, aber scheint noch zu funktionieren. Sam tippt auf die Kontakte und dann auf das grüne Anruf Zeichen. Die Person am anderen Ende hebt nach zweimal Klingeln ab. "Ich habe versagt. Der Laster... er hat mich gerammt. Der Krach..."stottert der Mann. Seine Hände zittern und das Smartphone fällt wieder auf den Boden. Ich hebe es auf und halte es an Sams Ohr. Er blickt mich an. Seine Augen werden größer. Er scheint völlig aufgelöst. Was ist hier los? Hinter ihm sehe ich wie der Mann des roten Autos eine Frau und ein Kind beruhigt. Der LKW-Fahrer ist am Telefon. Wahrscheinlich ruft er gerade die Polizei. Als ich mich wieder umdrehe, scheint Sam das Telefonat beendet zu haben.

"Bitte, du musst mir helfen! Sonst bin ich... verloren. Tot. Warum habe ich das überlebt?" stottert er wieder. Er ist definitiv verwirrt. Geschockt. "Alles ist gut! Natürlich helfe ich ihnen. Sie sind in Sicherheit." versuche ich ihn zu beruhigen. "Nein, du verstehst nicht... der Koffer... Ich brauche den Koffer!" "Welcher Koffer?" frage ich nach. "hinter dem Beifahrersitzt, du musst ihn verstecken, bitte, ich tue alles bitter... rette mich!" fleht er mich an. Was ist hier bloß los? Zögerlich stehe ich auf und gehe zu dem Mercedes. Den Koffer finde ich sofort. Auch den Wintermantel und die Wahnwesten klemme ich mir unter den Arm. Eine nasse Haarsträhne fällt mir ins Gesicht. Wann hat es angefangen zu regnen? Mein Körper zittert. Ist mir kalt? Ich spüre nichts.

Sam blickt zu mir. "...der Koffer muss weg! Er darf nicht hier sein!" flüstert er. Was ist in diesem Koffer? Er will nicht, dass irgendjemand ihn hier findet. Die Polizei vielleicht? Hat er davor Angst? Mein Blick huscht zu den anderen Unfallbeteiligten. Sie sind einige Meter von uns entfernt und schauen nicht in unsere Richtung. Also gut. Am Rand der Autobahn, da wo sich Beton und Gras begegnen und es einen kleinen Abhang herunter geht, lasse ich die Sachen in meiner Hand fallen. "Wie ungeschickt von mir" murmle ich und hoffe, dass niemand dieses absolut gestellte Missgeschick mitbekommen hatte. Langsam gehe ich den kleinen Abhang herunter. Alles ist matschig und weich. Dann beuge ich mich zu dem Koffer herunter. Ich kann es einfach nicht lassen. Ich muss ihn öffnen. Was versteckt sich hier? Ein leiser Klick. Er scheint so unendlich laut zu sein. Ich öffne den Koffer nur einen winzigen Spalt breit. Nur ein kurzer, flüchtiger Blick. Doch was ich sehe lässt mich erstarren.

Nein. Das kann nicht sein! Ist es wirklich, dass was ich denke? Der Innenraum des dunklen Koffers ist mit Schaumstoff gefüllt. In der Mitte ist eine große Auslassung und darunter eine kleine, waagrechte. In der waagrechten liegt ein Rohr. So lang wie mein Unterarm. Schwarz und rund. Doch das ist es nicht, das mich erschrickt. Denn darüber liegt eine Pistole. Schwarzes Metall. Schnell schließe ich den Koffer wieder. Was soll ich nur tun? Ich höre Sirenen. Nein! Was mach ich hier bloß? Ich wische mit der Wahnweste den Griff des Koffers ab und drücke ihn dann in den Schlamm. Man kann den Koffer noch sehen. Ich reiße Gras aus und lege es darüber. Das muss reichen. Schnell schnappe ich mir den Mantel und eile nach oben. Wie lange war ich weg? Ist es jemandem aufgefallen?

Sam sitzt immer noch taumelnd auf dem Weg und blickt in den Himmel. Ich lege ihm seinen Mantel über die Schultern. Er erschrickt. "Der Koffer... hast du ihn? Ist er weg? Ich muss..." "Es ist alles in Ordnung. Machen Sie sich keine Gedanken! Alles ist OK!" sage ich und versuche meinen eigenen Worten glaube zu schenken. Dann kommt endlich ein Krankenwagen. 

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