Teil84

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Leise nehme ich Jadens Stimme wahr. „Ena... E...na, bist du da?". Ich liege direkt neben ihm und ein warmes prickeln geht von der Mitte meines Bauches aus. Die Kugel hat mich getroffen. Sie hat sich einen Weg durch Jadens Körper gefressen und steckt nun brennend in meinem Bauch. Ich sehe, wie der Stoff meines weißen Kleides sich langsam Rot färbt. Rot wie Blut, denn es ist Blut. Mein Blut.

„Ena...", sagt Jaden wieder. Ich drehe meinen Kopf leicht zur Seite und sehe ihn neben mir liegend. „Jaden. Ich hatte nicht vor, hier mit dir zu sterben." Er lächelt sanft. Er hat vielleicht nur noch wenige Minuten. Wie schlimm es um ihn steht, kann ich nicht sehen. Ich spüre wie seine Finger sanft die meinen Umfassen und obwohl ich sie ihm entziehen will, fehlt mir die Kraft dazu. „Ich liebe dich Loreena. Loreena Odette Blackwather... Nein, Loreena Caruso! Ich wusste sofort, als ich dich das erste Mal gesehen habe..." er hustet und einen bisschen Blut kommt hervor, „dass ich dich haben will. Lieben will...". Er umschließt meine Hand fester. „Jaden...", ich sammle meine Kraft, um die nächsten Worte hervorzubringen, "ich hasse dich mit jeder einzelnen Zelle meines Körpers. Ich hasse dich so abgrundtief, dass ich es nicht beschreiben kann...", einige Tränen quillen aus meinen Augen, "Mein Hass tut sogar mehr weh, als diese verdammte Wunde...", presse ich hervor.

Jaden lacht leise. „Ich habe keine Angst diese Welt zu verlassen... solange du an meiner Seite bist. Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, als hier mit dir zu sterben, Ena.", flüstert Jaden. Im Hintergrund tönt ein Gewirr von Schüssen und Schreien. Doch hier unten ist es friedlicher.

„Dir beim Sterben zu zusehen war eigentlich das Einzige, das ich mir gewünscht habe... aber ich will nicht mit dir zusammen gehen! Du hast es nicht verdient von mir begleitet zu werden!", ein Schluchzen unterbricht mich, "Du sollst alleine auf deinem Weg in die Hölle sein!". Meine Worte sind leise, trotzdem brennt die Wut darüber, dass Jaden hier einfach so, mit sich im reinen und mit meiner Hand in der seinigen sterben soll.

Schmerz durchzuckt meinen Körper und ich spüre, wie meine Beine langsam taub werden. Das Rot frisst sich in das Vorderteil meines Kleides und breitet sich aus. Der Stoff saugt die heiße Flüssigkeit auf. „Ich liebe dich.... Ena", flüstert Jaden, dann rollen seine Augen nach oben und seine Hand erschlafft. Er ist noch nicht tot, ich kann seinen schwachen Puls spüren. Warum weine ich? Ist das nicht genau das, was ich die ganze Zeit über wollte? Mühsam ziehe ich meine Hand zurück, doch die Kraft verlässt mich schnell.

„Da seid ihr ja!", höre ich eine Stimme aus der Ferne und durch mein verschwommenes Sichtfeld kann ich einen Mann auf mich zu rennen sehen. „Scheiße! Wir brauchen sofort einen Arzt!", ruft er und beginnt Jaden von mir fortzuziehen. Dann spüre auch ich Hände, die meine Welt erneut mit Schmerz erschüttern, als sie meinen wunden Körper umfassen. Heftig Atmend schließe ich die Augen. Die Energie, sie offenzuhalten fehlt mir. Die Geräusche um mich herum werden immer Dumpfer, dafür höre ich meine eigenen Gedanken umso lauter. Das pochen meines Pulses legt sich über meine Ohren.

Jaden ist höchstwahrscheinlich schon tot. Ich habe es geschafft.

Ich habe mich gerächt. Nicht so, wie ich es wollte, aber dennoch habe ich alleine dieses Ziel erreicht. Und ich alleine verspüre jetzt eine seltsame Leere, als ob ein Teil von mir fehlen würde. Wahrscheinlich ist er bereits in dem Wald gestorben, als ich die Kugel abgefeuert habe und zur Mörderin wurde. Alles wird schummrig und schließlich verliere ich ganz das Bewusstsein. Ich habe es geschafft... ist mein letzter Gedanke, dann ist alles Schwarz.

Doch ich habe es nicht geschafft. Die Schwärze hält an, es ist, als befinde ich mich in einem dunklen Raum voll ewigem Regen. Ich bin hier gefangen. Er prasselt auf meine Haut, sticht wie tausend Nadeln und mit jedem Tropfen fließen Erinnerungen in mich ein. Aber es sind nicht die schönsten Momente meines Lebens, die Filme lügen, beim Sterben gibt es keine Diashow mit den Best-Offs. Das Gegenteil ist der Fall. Vielleicht hatte mein Leben einfach keine guten Elemente. Oder vielleicht habe ich den Akt des Sterbens bereits hinter mir und erhalte nun, wie erwartet, die Bestrafung für meine Taten?

Der Regen wird stärker, er prasselt immer fester, wird immer lauter, bis ich es kaum noch aushalten kann.

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