Als ich aufwache, bin ich alleine. Ich weiß nicht, wann er gegangen ist. Auf dem Boden vor der Ausgangstür finde ich ein kleines Frühstück. Wie spät ist es? Die Sonne scheint bereits höher am Himmel zu sein als sonst. Habe ich so lange geschlafen? Ist heute Samstag oder schon Sonntag? Gestern hat Jaden zu mir gesagt, Valentino sei übers Wochenende weg. Aber ich weiß ja nicht mal, welchen verdammten Tag wir haben! Was bringt mir diese Information also?
Na toll! Ich sitze mal wieder total gelangweilt und ohne Beschäftigung auf dem Bett. Wenn ich jetzt Zuhause wäre, würde ich wahrscheinlich für meine Abiturprüfungen lernen. Oder ich würde eine Serie anschauen, ein Buch lesen... Vielleicht wäre ich sogar ins Fitnessstudio gegangen. Aber da ich nun mal nicht Zuhause bin, verschwende ich meine Zeit mit nichts tun. Meine Gedanken sind wirr. Was soll ich Valentino sagen? Was will er überhaupt von mir hören? Dass ich die Waffe gesehen habe? Damit würde ich nicht nur diesen Gangstern verraten, dass ich von der Pistole weiß, sondern auch offiziell gestehen, dass ich wissentlich eben diese versteckt habe. Ob sie mich damit erpressen wollen? Gibt es wirklich einen Weg für mich, der zurück in mein normales Leben führt? Zu meinen Freunden? Zu meinen Eltern? Fragen über Fragen. Und ich kann mich nicht mal mit irgendwas ablenken!
Nach einiger Zeit beschließe ich die von mir bereits benutzte Wäsche zu waschen. Natürlich per Hand und nur mit gewöhnlicher Handwaschseife. Dann trete ich wieder aus dem Badezimmer und setze mich auf den Boden und überlege, was ich noch alles tun könnte. Schließlich klopft es und ein mir unbekannter Mann kommt mit einem Tablett herein. "Mittagessen" brummt er und stellt die Platte vor mir ab. "Danke" murmle ich. Wortlos dreht er sich um und verlässt den Raum. Klick. Der Schlüssel hat sich im Schloss gedreht. Ich bin wieder eingesperrt.
Nach dem Mittagessen, Pizza, mache ich für einige Zeit Sport. Ich trainiere meine Bauchmuskeln und versuche Liegestützen zu machen. Ich fühle mich wie im Knast. Fehlen nur noch die selbst gestochenen Tattoos und der sexuelle Missbrauch! Wobei, letzteres hatte ich ja mehr oder weniger schon... Oder? Immerhin wollte ich es jedes Mal. Super! Wieder ein beschissenes Thema, über dass ich die nächsten Stunden nachdenken kann. Da mach ich lieber noch mehr Sit-Ups.
Langsam wandert die Sonne wieder nach unten und derselbe Mann wie heute Mittag bringt mir mein Abendessen. Als es komplett dunkel draußen ist, lege ich mich ins Bett und versuche zu schlafen. Mein ganzer Aufenthalt hier ist doch totale Zeitverschwendung. Wenn Valentino mich sowieso tötet, warum wartet er dann noch so lange? Ob die Polizei schon nach mir sucht?
Zum Glück dämmere ich irgendwann in einen unruhigen Schlaf. Aber wenigstens muss ich jetzt nicht mehr so viel denken. Meine letzten Gedanken, bevor mir die Augen endgültig zufallen, sind der Schachnovelle gewidmet. Ich fühle mich wie Dr. B.. Dabei bin ich erst einen Tag in Einzelhaft und nicht monatelang.

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Legato
Adventure„In meinem Leben gibt es niemanden mehr, für den es sich zu sterben lohnt" Als sie Zeugin eines Unfalls wird, gerät die 18 jährige Loreena unfreiwillig in die ihr völlig fremde Welt der Mafia. Plötzlich sieht sie sich Entscheidungen gegenüber, die w...