Teil54

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Als Finn weg ist beschließe ich, mich wirklich zu duschen. Danach lasse ich mich wieder auf die verwüsteten Laken fallen. Den Morgen über liege ich in meinem Bett und starre aus dem Fenster. Ich konzentriere mich nur auf meine Atmung und versuche alle anderen Gedanken zu verbannen. Dann ist es schließlich sieben Uhr und ich raffe mich auf und gehen runter in die Küche.

Als ich die Türen öffne, erblicke ich einen von Licht erfüllten und fast leeren Raum. Nur ...hieß er Grell? sitzt an dem großen Esstisch und tippt in sein Handy. Ich trete ein und sein Blick richtet sich auf mich. "Ach, Loreena, Guten Morgen!". Ich erwidere seinen Gruß und setze mich ebenfalls. In der Mitte des Holztisches steht eine Kanne Kaffee und obwohl ich lieber Cappuccino getrunken hätte, schenke ich mir eine Tasse ein. Ich brauche die Energie jetzt, schließlich habe ich kaum geschlafen. Der bittere Geschmack der Bohnen verteilt sich auf meiner Zunge und ich bilde mir ein, das Koffein würde meine Müdigkeit vertreiben.

"Weißt du, irgendwie finde ich nicht, dass so jemand wie du in die Familie passt... Ich frage mich schon die ganze Zeit über, was ein du, junges Mädchen, mit so einer Organisation zu schaffen hat...", eröffnet mein gegenüber das Gespräch. Oh nein, nicht schon wieder so Gefährliche Themen! Ich verziehe leicht meinen Mund, antworte aber nicht.

"Das sollte jetzt keine Beleidigung sein, aber, wenn ich dir einen Rat geben darf, mach das du so schnell wie möglich hier rauskommst, bevor es zu spät ist.". Es ist bereits zu spät, aber das kann Grell ja nicht wissen. "Für mich ist die Zeit leider schon abgelaufen, aber du könnest es wahrscheinlich noch schaffen, ein normales Leben zu führen... Ich könnte dir dabei helfen...", spricht er weiter.

"Heißt das, dass du die Familie verlassen willst?", frage ich ihn und gehe nicht auf sein Angebot ein. Er schaut geschockt zurück. "Sag doch nicht so einen Unsinn...", erwidert er schnell und schaut zur Tür. Doch wir sind immer noch allein. "Das wäre doch Verrat, oder?", lasse ich ihn nicht vom Hacken. Sein Mund öffnet sich vor Überraschung, doch er spricht nicht. "Du solltest lieber aufpassen, wem du was erzählst... Ich mag vielleicht wie ein kleines, junges Mädchen aussehen, aber du solltest mich lieber nicht unterschätzen!", rede ich weiter.

Ich beobachte genaustens, wie ihm seine Gesichtszüge entgleisen und er mit Mühe versucht, sich wieder unter Kontrolle zu kriegen. Ich weiß zwar nicht, ob sein Angebot ernstgemeint war, aber es könnte ebenso gut ein Test sein. Eine weitere Falle, um meine Loyalität zu testen. Außerdem ist es für meine Rache einfacher, wenn ich bis zum Schluss als treues Mitglied der Familie gelte.

"Ach... ich hab doch bloß einen Scherz gemacht...", versucht Grell sich zu retten, doch er weiß ebenso gut wie ich, dass er sich mit jedem weiterem Satz näher an den Abgrund wagt. Was würde wohl passieren, wenn ich ihn der Organisation melde? Würde dass meine Vertrauenswürdigkeit festigen? Und was würde dann aus Grell werden? Moment, Loreena, was denkst du denn da? Erschrocken über meine eigenen Gedanken versuche ich mich wieder zu fassen. Ich habe mich also bereits verändert, aber bin ich wirklich in der Lage, Andere für meine eigenen Ziele zu Opfern? Ich darf mich nicht zu nahe der Dunkelheit nähern, sonst verschlingt sie mich mit. Ich will doch nicht so sein, wie die Menschen, die ich verabscheue. Keine Unschuldigen mit hineinziehen! Meine Rache gilt nur einer einzigen Person! Sollte ich mich selbst auf dem Weg dorthin verlieren, wäre alles umsonst...Oder?

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