Teil44

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Lange Zeit laufen wir. Die metallenen Stimmen aus dem Funkgerät informieren uns, wo das SEK gerade ist, welche Wege frei sind. Weiter rennen! Das Messer steckt in meinem Hosenbund und die kalte scharfe Klinge reibt sanft an meiner weichen Haut. Die Pistole halte ich in meiner Rechten. Den Zeigefinger auf den Lauf gelegt. Ich werde ihn nur auf den Abdruck legen, wenn ich auch wirklich schießen will!

"Da vorne ist der Ausgang!", ruft unser Gruppenführer. Am Ende des Ganges befindet sich die Tür in die Freiheit. Hinter uns hört man Schritte. Nein! Nicht so kurz vor dem Ziel! Aus dem Funkgerät dringt schrill eine Stimme. "...konnten sie nicht aufhalten... Fluchtweg 7 nicht sicher...". Ein Schuss ertönt. Der Hinterster unserer Männer geht ächzend zu Boden. Ihm wurde in den Rücken geschossen. Aber ich darf jetzt nicht stehen bleiben! Die schwarz gekleideten Männer mit ihren Gewehren rennen weiter auf uns zu und rufen, dass wir stehenbleiben sollen. Ich kann nicht stehenbleiben! Sie werden denken, ich gehöre zu den anderen! Tue ich ja auch in gewisser Weise... Ich bin Mittäter in einem vierfachen Mord. Habe Monatelang für die Mafia gearbeitet. Und wenn ich jetzt in die Hände der Polizei gelange, werde ich nie meine Rache bekommen!

Der erste unserer Gruppe erreicht die Tür. Die anderen stellen sich vor ihn, um ihn zu decken, während er den Schlüssel in das Schloss steckt. Neben mir höre ich Kian stark atmen. Die anderen aus unserer Gruppe schießen auf die, sich uns nähernden Gestalten. Einer dieser Gestalten trifft den Mann rechts neben mir im unteren Bauch. Er schreit auf und klammert sich an meine Schulter. Ich kenne ihn nicht, aber trotzdem versuche ich ihn zu stützen. Insgesamt rennen gerade fünf Leute vom SEK auf uns zu. Wir sind nur noch zu viert. Einer davon angeschossen. Endlich höre ich es klicken und Tageslicht strömt mir entgegen. "Rennt Richtung Westen!", erhalten wir den Befehl von unserem Gruppenführer. "Was ist mit ihm?", frage ich panisch Kian. Ich will sofort weg von hier. Aber ich kann den verwundeten doch nicht einfach hier liegen lassen und ihm sein Schicksal überlassen. Oder? Immerhin ist er ein Böser Mensch. Aber ich kenne ihn ja gar nicht... Kian hebt seine Waffe und schießt dem Typen neben mir in den Kopf. Die Hand, die sich in meine Schulter gekrallt hatte, erschlafft und löst sich von mir. Doch ich habe keine Zeit darüber nachzudenken. Ich drehe unserem Feind den Rücken zu und renne los. Schüsse tönen von hinten, doch ich sehe nur die Tür vor mir. Das Licht, dass durch sie strahlt blendet mich. Ich springe durch die Öffnung nach Draußen. Freiheit. Frische, Regennasse Luft. Nach Monaten der Gefangenschaft bin ich zum ersten Mal wieder unter freiem Himmel. Ich habe es tatsächlich leben aus diesem Gebäude geschafft.

Vor mir geht der Gruppenführer zu Boden. Zwei Kugeln haben ihn in den Hinterkopf getroffen. Er ist sofort tot. Jetzt rennt nur noch Kian hinter mir. Ich erhöhe mein Tempo noch etwas mehr. Bald bin ich an meiner Grenze. Aber es ist wie wenn man einen Marathon läuft. Mit dem Ziel vor Augen wächst man über sich hinaus. Richtung Westen. Es ist vermutlich später Nachmittag, also muss ich nur in die Richtung der Sonne laufen. Sie scheint durch die Bäume und verschwindet irgendwann, als ich tiefer in den Wald gelange. Auch die Geräusche des Gefechts werden schwächer. Nur Kians und mein Atem. Wir sind die einzigen, denen die Flucht vor dem SEK gelungen ist. Jetzt bin ich mit dem Mörder allein im Wald.


Frohe Weihnachten euch und danke, dass ihr meine Geschichte lest :) 



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