Teil62

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Danach sitzen wir wieder stumm neben einander. Jadens Arm liegt zwar immer noch um mich, aber ich kann spüren, dass er sich nicht traut, ihn mit seinem vollen Gewicht abzulegen. In seinen Augen spiegeln sich reue und Verwirrtheit. Habe ich ihn je so verunsichert gesehen?

„Wenn wir schon dabei sind, ich wollte mich auch nochmal dafür entschuldigen, was damals passiert ist, also das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, meine ich...", beginnt er, aber ich bin jetzt wirklich nicht in der Stimmung für weitere problematische Gespräche, also sage ich gar nichts. Ich habe ihm nicht verziehen, vielleicht werde ich das auch nie, aber im Moment will ich einfach nur so tun, als sei alles in Ordnung und ich würde meinen Urlaub in einer großen toskanischen Villa verbringen.

Vorsichtig zieht Jaden seinen Arm zurück. „Gibt es irgendetwas, das du gerne hättest? Dein Zimmer ist zwar sehr gut ausgestattet, aber trotzdem...", versucht er wieder zaghaft ein Gespräch aufzubauen.

„Ich weiß nicht, vielleicht Bücher, oder...", soll ich es wagen, ihn nach etwas großem zu fragen? Ein Versuch ist es wert, „oder ein Handy?", ich lehne mich an seine Schulter und versuche ihn mit meiner Körpernähe von der Größe meines Wunsches abzulenken. Hätte ich ein Handy, dann könnte ich... was könnte ich dann? Meine Familie anrufen? Die Polizei verständigen? Doch für all diese Dinge ist es bereits zu spät. Ich stecke viel zu tief in der dreckigen Welt des Verbrechens, als dass ich mich jetzt noch mit legalen Mitteln befreien könnte.

„Mh...", ist die einzige Reaktion von Jaden. Wahrscheinlich vertraut er mir noch nicht genug. Verständlich. Dann legt er seinen Kopf auf meinen und wir blicken gemeinsam in die Ferne. Die Luft zwischen uns ist mit Elektrizität erfüllt.

Vielleicht wäre mehr passiert, doch dann taucht ein großer, muskelbepackter Mann neben dem Sofa auf und vertreibt den spannungsreichen und mit Intimität gefüllten Moment. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein soll.

„Ist es schon so weit?", frägt Jaden und mit einem Seufzer erhebt er sich. „Sorry kleine, ich muss arbeiten, aber wir sehen uns zum Abendessen, verspochen! Genieße den Tag.", er zwinkert mir mit einem Auge zu und folgt dann dem anderen Mann.

Den Rest des frühen Vormittags verbringe ich auf der Terrasse. Das Sofa ist sehr bequem und in Gedanken vertieft merke ich kaum, wie die Zeit vergeht. Es liegen Zeitschriften auf dem kleinen Beistelltisch und ab und zu nehme ich eine in die Hand und blättere durch sie. Irgendwann kommt jemand um das Geschirr des Frühstücks abzuräumen, aber er lässt mich in Ruhe.

Warum nur? Bin ich ausnahmsweise mal ein vollwertiges Mitglied? Nein, eigentlich werde ich hier schon fast wie eine Hausherrin bedient... Ein ungewohnter Kontrast zu den vergangenen Wochen und Monaten. Wie soll ich mich von nun an Jaden gegenüber verhalten? Seine charmante Aura hatte mich von der ersten Sekunde an eingehüllt und erst vorher wurde mir bewusst, wie sehr er mich bereits um seinen Finger gewickelt hat.

Als ich wieder aufschaue, steht die Sonne bereits im Zentrum des Himmels und der kühlende Schatten ist einem zu heißen Schauer von Licht gewichen.

Ich stehe auf, ein leichtes Schwindelgefühl in mir von dem langen sitzen, und gehe wieder in das große Haus. Darf ich mich überhaupt frei bewegen? Niemand scheint hier zu sein... Wäre es klug, sich umzuschauen? Nicht dass mich jemand beim „herumschnüffeln" ertappt. Andererseits scheine ich hier eine gehobenere Stellung zu haben. Ich bin sozusagen ein Ehrengast. Oder? Aber warum kann Jaden sich so etwas erlauben? Ich dachte, er wäre nur ein unbedeutendes Glied dieser großen Organisation... Vielleicht hat er sich während unserer getrennten Zeit etwas hochgearbeitet.

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