Ich bin geschockt, unsicher, wie ich mich verhalten soll. Wie erstarrt stehe ich da. Die eine Hand noch um den Speisewagen geklammert. Die Mädchen werden ihr Essen heute nicht bekommen. Aber Moment... "Wenn sie auf alle schießen...", überlege ich laut, "...was ist dann mit den Mädchen?".
"Du hast recht, komm schnell", ruft der Typ vor mir und rennt in Richtung Zellen los. Dabei geht es doch in die andere Richtung, um nach Draußen zu kommen. Heißt das etwa, dass er den Mädchen helfen will? Damit sie nicht hier unten sterben müssen? Aber wieso sollte er? "KOMM!!!", dring seine Stimme an mein Ohr und ich laufe ihm nach. Innerlich bekämpfe ich den Drang, mich einfach umzudrehen und in Sicherheit zu bringen. Vielleicht bin ich ja doch ein Held? Außerdem wird die Polizei bestimmt bemerken, dass diese armen Kreaturen nicht Teil dieser Organisation sind. Und sicherlich werden sie dann auch nicht auf mich schießen und ich kann endlich nach Hause! Ich drehe mich also in Richtung der Zellen und laufe los.
"Ich bin übrigens Kian, du?", frägt der große Mann vor mir, der mit seinem Schlüssel die Tür zu den Zellen öffnet. "Loreena", antworte ich nur knapp. Das Funkgerät beginnt wieder zu rauschen. "... fünf Männer im Obergeschoss... brauchen Unterstützung! knack...".
Die Tür vor uns öffnet sich endlich und wir stürmen in den Raum. Die stickige Luft füllt meine Lungen und ich sehe, dass sich vier Mädchen in den Zellen befinden. Waren es gestern nicht doppelt so viele? Anscheinend wurden die meisten Gestern abgeholt. Pech für sie. Wenigstens kann ich den hierzurückgebliebenen ihre Freiheit schenken.
"Hier", Kian drückt mir einen Schlüssel und ein schwarzes Kampfmesser in die Hand, "Du kümmerst dich um die Zwei in den rechten Zellen, ich mich um die in den linken!". Ich eile los und schließe die Gittertür auf. Hat Kian mir das Messer gegeben, um mich selbst zu verteidigen? Ich darf dieses Privileg auf keinen Fall verlieren! Endlich habe ich etwas, um mich zu verteidigen. "Na komm, schnell!", sage ich zu der in der Ecke zusammengekauerten Gestalt. Sie ist circa 13 Jahre alt und hat langes braunes Haar. Verängstlicht schaut sie auf das Messer in meiner Hand. "Los jetzt, ich tu dir nichts!", ermuntere ich sie. Mann, wenn sie weiter so trödelt setzt sie das Leben unser aller aufs Spiel! Endlich beginnt sie in meine Richtung zu krabbeln. "Kannst du nicht laufen?", frage ich sie und versuche meine angespannte Ungeduld zu verbergen. Ich will ihr doch helfen! Sie schüttelt den Kopf. Kurz bevor sie direkt vor mir ist, hält sie plötzlich inne. Ihre Augen weiten sich vor Entsetzen. Was hat sie denn? "Komm, sonst....", meine Worte werden von einem Knall übertönt. Ich höre einen entsetzten Aufschrei und dann noch einen Knall. Das war doch ein Schuss! Peng. Zum dritten Mal knallt es. Luft zieht an meinem Kopf vorbei. Ich zucke zusammen. Das Mädchen vor mir öffnet ihren Mund zu einem Lautlosen Schrei. Wie in Zeitlupe sehe ich, wie sich ein roter Punkt zwischen ihren Augen bildet. Und dann explodiert ihr Kopf.

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Legato
Abenteuer„In meinem Leben gibt es niemanden mehr, für den es sich zu sterben lohnt" Als sie Zeugin eines Unfalls wird, gerät die 18 jährige Loreena unfreiwillig in die ihr völlig fremde Welt der Mafia. Plötzlich sieht sie sich Entscheidungen gegenüber, die w...