Teil65

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„Danke fürs herbringen", sagt Jaden in Richtung meines Begleiters. Dann dreht dieser sich um und verschwindet im Dicklicht. Mein Blick schweift wieder nach vorne und ich nehme die Umgebung bewusster war. In den Bäumen hängen Laternen und Kerzen auf dem Tisch erleuchten die Teller voller Essen. Das Perfekte, romantische Date, wie man es von Pinterest kennt. Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir alleine sind. Nervosität erfüllt langsam meinen Körper und ein Prickeln breitet sich über meine Arme.

„Hey...", sage ich und bin auf einmal schüchtern. Ich fühle mich ihm fremd, er wirkt nicht mehr, wie der Jaden, den ich kennengelernt habe.

„Hey... setzen wir uns?", frägt Jaden und kommt um den Tisch herum um mir den Stuhl herauszuziehen. Was für ein Gentleman, will er sich bei mir einschleimen oder was?

Ich murmle einen Dank und setze mich. Das blau des Himmels wird immer dunkler und die Kerzen verbreiten einen leichten Schimmer. Die Atmosphäre ist ruhig und irgendwie unreal. Man könnte sie auch als sinnlich beschreiben, aber das lasse ich lieber. Was soll dieser ganze Aufwand eigentlich? Ein Date? Eine Entschuldigung? Vielleicht auch beides?

Jaden räuspert sich. „Guten Appetit", sagt er und fängt an, sich von dem Brot zu nehmen. Dann hält er inne. „Willst du?", er hält mir den Brotkorb über den Tisch und als ich ihn nur ansehe fängt sein Arm zu zittern an. Warum ist er jetzt so unsicher? Morgens haben wir uns doch bereits wiedergesehen und den Bann gebrochen?

„Wie geht es dir, Loreena?", wirft mich seine Frage komplett aus der Bahn. Wie es mir geht? „Gut...", antworte ich mit leeren Floskeln. Dann ist wieder stille. „Und dir?", frage ich zurück. Aus Höflichkeit. „Geht... ich habe jetzt viel zu tun und nur wenig Zeit...".

Dann senkt sich das Schweigen des Essens über uns. In der nähe hört man die Vögel ihren Abendgesang einstimmen und auch das zirpen wird lauter. Der trockene Wald erwacht zum Leben. Das leuchten der Laternen wird von Glühwürmchen ergänzt und die Magie des Augenblicks lässt mich meinen Groll und meine Vorsicht vergessen. Der Wein schmeckt gut und nach einigen Gläsern entspannt sich die Stimmung zwischen uns. Wir schaffen es sogar uns über belanglose Dinge zu unterhalten.

Als wir mit dem Essen fertig sind, steht Jaden auf und kommt zu mir rüber. Er setzt sich neben mich und lächelt. In der rechten Hand das halb gefüllte Weinglas. An seinem Blick sehe ich, dass ihm der Alkohol bereits zu Kopf gestiegen ist, aber bei mir ist das wohl auch nicht anders, den der Geruch von Jadens Parfüm erzeugt in mir das vertraute und doch falsche Gefühl von Sicherheit.

„Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass es dir gut geht!", sagt Jaden leise. „Ich hab die ganze Zeit nur an dich gedacht... Ena, du weißt gar nicht, wie sehr ich dich...", dann unterbricht er sich und holt etwas aus seiner Hosentasche. „Hier...". Er hält mir eine weiße Schachtel hin und ich kann sofort erraten, was sich in ihrem inneren Befindet. Überrascht atme ich aus.

„Ich wusste nicht, welche Marke oder Farbe du gern hättest... ich hoffe es ist Oke?", sagt Jaden verlegen und schaut in die andere Richtung. Ich nehme ihm die Verpackung ab und öffne sie vorsichtig. Drinnen befindet sich ein neues, schwarz glänzendes Smartphone.

„Wow... Danke!", ich bin so überrascht, dass mir die Worte fehlen. Dass er mir meinen Wunsch wirklich erfüllen würde... Sprachlos schaue ich ihn an. Ein winziger funken von Zuneigung keimt in mir auf, aber ich versuche ihn zu unterdrücken. Ich darf nicht vergessen, wer hier vor mir sitzt. Auch wenn Jaden mir meine Wünsche erfüllt, darf ich es nicht zulassen, dass er sich mein Vertrauen erkauft.

„Aber kann ich wirklich...?", frage ich ihn ungläubig.

Er fasst sich mit der einen Hand an den Kopf. „Leider muss ich ein paar Regeln aufstellen, aber ich vertraue dir. Schließlich hättest du, als das Lagerhaus gefallen ist, auch einfach abhauen können. Auch wenn dir das wahrscheinlich nicht gelungen wär hehe...", unbehaglich werden ihm seine Worte bewusst. „Also ich meine, du hast es dir verdient... Deine Familie darfst du zwar nicht anrufen, aber ich habe dir meine Nummer schon eingespeichert und falls du dir Spiele oder so kaufen willst... Tu es einfach. Dann ist dir nicht so langweilig, ich hab zurzeit leider soo viel zu tun."

Ich schaue Jaden direkt in die Augen. „Danke! Wirklich!". Er lächelt. Der Alkohol gemischt mit der Euphorie, endlich einen Schritt voran gekommen zu sein benebelt meine Gedanken. Wir blicken uns in die Augen und mit jeder versteifenden Sekunde habe ich das Gefühl, tiefer zu fallen. Das grün seiner Iris spiegelt das flackern der Kerzen wider und ich sehe, wie sich seine Pupillen weiten. Ich lasse die angehaltene Luft aus und er atmet sie ein. Meine Luft in seinem Körper. Ich weiß, ich kann alles haben, wenn er auf meiner Seite steht.

Langsam nähere ich mich ihm. „Loreena...", flüstert er, seine Augen hängen sehnsüchtig an meinen Lippen. „Ich will dich, aber... du musst nicht... ich will nicht...", ich kenne seinen Grund zu zögern. „Ich weiß...", sage ich. Will ich das wirklich? Doch durch meine betäubten Sinne, mein menschliches Verlangen nach körperlicher Wärme und die Chance, ihn in Zukunft noch mehr unter Kontrolle zu haben, entscheide ich mich dafür und lege meine Lippen auf die seinen.

Elektrizität explodiert und nach einer winzigen Sekunde des Zögerns seinerseits, zieht er mich auf sich. Sein Atem wird zu meinem und wir verlieren uns in diesem rein körperlichen Kuss.

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