Dieser eine Moment

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Trigger Warnung!!

Für einige von euch könnten die nächsten Zeilen ziemlich deprimierend sein. Wenn ihr also selbst im Augenblick mit schlechten Gedanken zu kämpfen habt, empfehle ich euch, dieses Kapitel zu überspringen.. Hier geht es nicht um Selbstverletzung oder dergleichen, sondern um den Umgang mit den eigenen Gedanken.

Denkt bitte gut darüber nach, ob ihr mit diesem Kapitel und dessen Aussage umgehen könntet.

Aus Respekt vor euch selbst!

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Andromalius also. Noch ein seltsamer Name, den ich mir werde merken müssen. Immerhin wirkte er nett, obwohl er ein Wasser-.. ein Dämon war. „Vielleicht sollte ich mir wirklich eine Liste erstellen.." Murmelte ich nachdenklich und schloss schließlich wieder die Tür. Mir kam das Tablett mit meinem anscheinenden Abendessen wieder in den Sinn und ich verzog direkt das Gesicht. Zane hatte es also wirklich ernst gemeint. Ich wusste, dass ich eine Moralpredigt von ihm hören musste, wenn ich nichts essen würde. Andererseits hatte ich absolut keinen Appetit. Ich hatte mich schon zu sehr an dieses wenige Essen gewöhnt. Eine ziemliche Pattsituation.

Wenigstens hatte ich genug Zeit um mir über diese Situation Gedanken zu machen. Es gab zwar keine Möglichkeit dies festzustellen, doch es musste schon sehr spät sein und wenn ich Glück hatte, würde mich in den folgenden Stunden niemand mehr stören, sodass ich wenigstens für diese Zeit meine Ruhe hatte. Also kein Grund sich bezüglich des Essens solch einen Stress zu machen. Das konnte warten.

Schon etwas besser gelaunt, ließ ich mich auf das breite Bett fallen, bis ich allerdings feststellen musste, dass es kaum eine Möglichkeit gab, sich hier zu beschäftigen. Meine gute Stimmung löste sich wortwörtlich wieder in Luft auf. Mein Handy hatte ich nicht mit, es lag vermutlich noch zuhause auf meinem Nachttisch. Selbst wenn ich es hier bei mir hätte.. gab es in der Hölle Empfang? Wohl eher nicht. Sonst wäre es ja ein Leichtes gewesen, Raphael von diesem Schlamassel zu berichten. Wir hätten bestimmt einen Weg gefunden, mich hier rauszuholen..

Jetzt blieb mir jedoch nichts anderes übrig, als diese Wunschvorstellungen im Nichts verschwinden zu lassen. Ich hatte keine Möglichkeit jemanden außerhalb dieser Welt zu kontaktieren. Zumindest nicht laut meines Wissens. Da es auch nicht viel brachte, tatenlos an die Decke zu starren, setzte ich mich schließlich wieder auf und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Ich war müde, ja. Doch schlafen kam mir gerade überhaupt nicht in den Sinn. Wenn ich schon einmal meine Ruhe hatte, wollte ich diese wenigen Stunden auch nutzen.

Aus irgendeinem Grund tauchte Tiago vor meinem inneren Auge auf. Er war mein größter Trost, wenn es mir nicht gut ging und diese schrecklichen Gedanken mich plagten. Nur war er jetzt nicht hier. Es war also nicht verwunderlich, dass ich mich im diesem Raum so einsam fühlte. Obwohl er so hell und freundlich eingerichtet war. Tiago war nicht hier, um mir dieses Gefühl der Einsamkeit wieder zu nehmen. Ich war auf mich allein gestellt. Allein in einer mir fremden und gruseligen Welt.

Plötzlich nahm ich die ganze Situation bewusster war. Alles was mir zuvor noch wie ein dämlicher Traum vorgekommen war, grub sich nun tief in mein Bewusstsein ein und mir wurde schlagartig bewusst: All das hier, war wirklich real. Ich war an diesem Ort gefangen, an dem es nur zwei Auswege gab. Den einen, bei dem ich fremde Hilfe benötigen würde, was bei diesen grauenhaften Gestalten jedoch sehr unwahrscheinlich war, und der andere Ausweg, durch den ich mich nur noch selbst retten konnte, falls auch der letzte Funken Hoffnung drohen würde zu verschwinden.

Ich fühlte mich hilflos. Hilflos in dieser großen Welt, die mich wie meter hohe Mauern umgab und mich wohl niemals mehr freigeben werden würde. Es war ein schreckliches Gefühl, wie der Schmerz dieser Erkenntnis sich aus meinem Inneren einen Weg nach außen zu bahnen versuchte. Mit Mühe versuchte ich diesen Schmerz zurück zu halten. Ich wusste, dass ich stark sein musste. Für mich. Damit ich hier nicht gänzlich die Nerven verlor.

Doch dieses Gefühl war zu stark. Es zerriss förmlich meine Brust und mein hoffnungsvolles Herz zerschmetterte in kleinste Teilchen. Fast automatisch legte ich meine Arme um mich. Mit der kleinen Hoffnung, wenigstens so diesen Schmerz verringern zu können. Doch auch dies zeigte keine Wirkung. Es dauerte nicht lange, bis sich in mir dieses eine Gefühl anbahnte. Dieses leichte Kribbeln in der Nase, welches entsteht, kurz bevor die Mauern einzufallen drohten.

Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht weinen. Nicht diesen Schmerz ertragen müssen, der mich regelrecht innerlich aufzufressen schien. Ich wollte stark sein. Wenigstens für diesen einen weiteren Moment. Doch ich konnte nichts mehr tun. Ich war einfach zu schwach. Zu ausgelaugt, nach diesen vielen Stunden voller verrückter Ereignisse. Mein Körper konnte diesen grauenhaften Schmerz nicht mehr länger ertragen.

Schon spürte ich die ersten heißen Tropfen meine Wangen hinunterlaufen. Es war ein seltsames Gefühl, nach all der Zeit meinen Gefühlen und auch mir Luft zum Atmen zu geben. Ich war so lange stark geblieben, hatte mein ganzes Wesen hinter einen dicken Mauer verborgen, in der Hoffnung so die Kontrolle zu behalten. Doch nichts davon hatte ausgereicht. Meist Geist war nicht stark genug um diese Mauern aufrecht zu erhalten und fiel nun wortwörtlich in sich zusammen.

Von Schluchzern erschüttert rollte sich mein Körper zusammen. Ein Reflex, für den ich im Nachhinein sehr dankbar war. Ich verschaffte mir meinen eigenen kleinen Raum. Ein Raum in dem ich meine Seele zu schützen versuchte. Doch es half nicht. Nichts davon. Und der elendige Schmerz wurde nur noch schlimmer. Mit jeder weiteren Sekunde die verstrich, zerrte dieser Schmerz an mir, als würde er mich im nächsten Moment in Fetzen reißen.

All die Menschen traten vor meinem inneren Auge auf, die ich wohl nie wieder werde sehen können. Personen, die mir in einer kurzen Zeit unglaublich ans Herz gewachsen waren. Zum einen Amanda, ein unglaublich zuvorkommender und freundlicher Mensch. Eine Freundin, die in den schwersten Zeiten an meiner Seite stand und dafür sorgte, dass ich mich nicht einsam fühlte. Sie gab mir einen gewissen Ausgleich im Leben, für den ich niemals hätte selbst sorgen können. Genau wie Tiago, war sie ein fester Bestandteil meines Lebens geworden.

Raphael, der ein absolutes Arschloch sein konnte, wenn er wollte. Der mich von klein auf beschützt hatte, selbst als ich noch nicht an seine bloße Existenz geglaubt hatte. Er wusste immer wie ich mich fühlte und zauberte mir jedes Mal wieder ein Lächeln aufs Gesicht, obwohl er manchmal so schrecklich stur sein konnte. Er war eine Person, die ich an diesem Ort und genau in diesem Moment am meisten vermisste. Zu wissen, dass ich ihn nie wieder werde sehen können, zerriss mich nur noch mehr.

Und natürlich die anderen Engel. Chamuel, der kleine Spinner, der sich wie ein Vater aufführte und den man dennoch nie wirklich ernst nehmen konnte. Selbst Levia, die ich kaum kannte, fehlte mir an diesem Ort. Sie würde verstehen können, was ich genau in diesem Moment durchmachen musste. Auch Chloe und Haley vermisste ich, obwohl ich seit Bali nichts mehr von ihnen gehört hatte. Sie würden dies hier vermutlich nicht verstehen aber sie waren seit Jahren meine besten Freundinnen gewesen.

All diese Menschen auf einen Schlag zu verlieren, erzeugte einen unbeschreiblichen Schmerz in meinem Inneren. All die Personen, die mein Leben geprägt hatten, waren von jetzt auf gleich nicht mehr an meiner Seite und würden es auch wohl nie mehr sein. Denn dies hier war der Tag, der Augenblick in dem sich mein Leben änderte. Der Moment in dem Lucifer es wirklich geschafft hatte, bis zum Kern meiner Seele vorzudringen, ohne groß etwas dafür tun zu müssen.

Der Moment in dem ich den Großteil meiner Hoffnung verlor und ich nicht mal mehr wusste, was denn jetzt noch von Bedeutung war. Ich war der einzige Punkt, der Lucifer von Nutzen war. Nur meine Anwesenheit, nicht meine Seele. Denn in diesem Moment, in dem ich diesen Kampf mit mir selbst zu verlieren schien, zog sich meine verletzte Seele in die Tiefe meines Unterbewusstseins zurück und hinterließ dabei nur noch diese stumpfe Hülle. Das einzige, das Lucifer von Nutzen war.

Es war dieser Moment, in dem mir klar wurde, dass es letztendlich nur noch diesen einen Ausweg gab.

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt