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Dieses Piepen. Dieses leise aber stetige Piepen, welches das einzige war, was ich in dieser Dunkelheit überhaupt wahrnahm. Es dauerte einige weitere Minuten, bis sich auch vor meinen Augen langsam etwas zu verändern schien. Diese pure Dunkelheit, die ich zuvor noch direkt vor mir gesehen hatte, schien heller zu werden und wirkte schließlich so, als würde sich vor meinen noch immer geschlossenen Augen, eine Lichtquelle befinden. Sie schien heller zu werden und ich spürte bereits, wie das Licht meine Augen dazu brachte, zu blinzeln. Wo auch immer ich war, das Licht und dieses nervtötende Piepen waren im Augenblick die einzigen Dinge, die ich wahrnehmen konnte.

Nach diesem Blinzeln in dieses fast schon unangenehme helle Licht, schaffte ich es endlich, meine Augen auch für längere Zeit geöffnet zu lassen. Doch das was ich dort sah, glich fast der Dunkelheit, die ich bereits zuvor vor meinem inneren Auge gesehen hatte. Alles wirkte verschwommen. Die Umrisse, die Lichter. Nicht einmal die Quelle dieses Lichts, konnte ich wirklich ausmachen. Es vergingen wieder einige weitere Minuten, in denen ich lediglich stumm vor mich hin starrte, in der Hoffnung, dass sich mein Blickfeld wenigstens ein wenig klären würde. Ich wollte wissen wo ich war und warum zu Hölle sich Lucifer nicht mehr bei mir befand.

Meine Bitte schien erhört worden zu sein, denn nach einer Weile, bei der ich bereits das Zeitgefühl verloren zu haben schien, begann sich das verschwommene Bild vor meinen Augen langsam aufzuklären und ich konnte mit jedem weiteren Augenblick der verging, mehr erkennen. Erst war es die viereckige Lampe, direkt über mir. Herunterhängend von einer rein-weißen Zimmerdecke. Gefolgt davon, kamen die Wände. Ebenfalls in weiß. Ich musste meinen Kopf ein wenig drehen, um auch den Rest des Zimmers erkennen zu können, in dem ich anscheinend zu liegen schien.

Dann entdeckte ich es. Die Quelle für dieses elendige Piepen, welches selbst nach dieser ganzen Weile, nicht einmal beschlossen hatte, zu verstummen. Es war ein Gerät, welches mir bereits aus meiner Vergangenheit bekannt vorkam. Dies war allerdings schon eine ganze Weile her. Mit den anderen Geräten, die sich daneben befanden, konnte ich nichts anfangen. Doch in mir trat langsam eine Vermutung herauf, die ich lediglich mit purer Verwirrung entgegennehmen konnte. Langsam, fast schon in Zeitlupe, drehte ich meinen Kopf in die andere Richtung und folgte dort meinen Blick, wie er auch auf dieser Seite die Wand hinabwanderte, bis er schließlich auf etwas hängenblieb, was mir seltsam bekannt vorkam.

Zwar noch ein wenig verschwommen, doch es war dennoch ein Mensch. Ein Mensch mit dunklen Haaren und einer Kleidung, die zum jetzigen Zeitpunkt meiner Seefähigkeit ebenso dunkel wirkte. Ich konnte mir nicht ganz erklären, wo ich war, doch es war beruhigend, eine vertraute Person hier zu sehen. Vermutlich gab es doch keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Es musste schon alles seine Richtigkeit haben. „Luc..ifer?" meine Stimme klang kratzig. Kam kaum hörbar aus meinem staubtrockenen Mund heraus. Ich hätte lauter sein können, doch mein Körper ließ es nicht zu.

Die Person schien mich dennoch gehört zu haben, denn ich konnte schemenhaft erkennen, wie sie sich plötzlich in meine Richtung drehte und schließlich langsam näher trat. Je näher die Person kam, desto besser konnte ich sie auch erkennen. Die pure Erleichterung überfiel mich, als ich wirklich Lucifers Gesicht vor mir erkennen konnte. Wenn er hier war, musste doch alles in Ordnung sein. Die Tatsache, dass es in diesem Raum alles andere als normal aussah, ignorierte ich dabei vollkommen.

„Luc reicht völlig, Elodie." Die raue Stimme von Lucifer, die sich durch meine Ohren bis in mein Gehirn vorzudringen schien. „Wo.. bin ich?" noch immer klang meine Stimme kratzig, als hätte ich jahrelang keinen einzigen Tropfen Wasser zu mir genommen. Das leichte Lächeln welches zuvor noch auf Lucifers Gesicht gelegen hatte, verschwand langsam. „Du kannst dich nicht mehr daran erinnern, oder? Das wäre ja verrückt, es ist ja schon so lange her." Ich verstand nicht was er damit meinte und das Runzeln meiner Stirn schien ihm auch genau dies mitzuteilen, ohne dass ich Worte von mir geben musste.

„Du hattest einen Unfall, Elodie.. Erinnerst du dich noch an unser Treffen im Café?" fragte er mich und ich brauchte eine ganze Weile um meine Erinnerungen nach diesen Moment zu durchforsten. Diese Zeit lag schon so unglaublich lange zurück. Doch schemenhaft hatte ich diesen Augenblick noch in Erinnerung behalten, weshalb ich schließlich ein leichtes Nicken als Antwort gab. Lucifer setzte sich vorsichtig an die Kante meines Bettes, auf dem ich laut meines Wissens liegen musste. Denn im Augenblick fühlte sich mein Körper nur vollkommen taub an. Als wäre jedes einzelne Körperteil zur selben Zeit eingeschlafen.

„Ich weiß noch, dass du damals plötzlich entschieden hattest zu gehen. Du bist hinausgestürmt und nach Hause gefahren." Bisher klang dies noch normal. Genau so, hatte ich es auch in Erinnerung. „Du kamst allerdings nie dort an, Elodie." Meinte er schließlich und in meinem Kopf begannen sich wieder die kleinen Rädchen zu drehen. Was meinte er damit? „Ich habe es nur am Abend durch die Nachrichten erfahren. Du warst auf der Schnellstraße unterwegs und wurdest von einem Geisterfahrer erfasst. Es tut mir wirklich leid, Elodie aber das ist jetzt schon ein ganzes Jahr her."

Ich brauchte einen recht langen Moment, um diese Worte in meinem Kopf zu verarbeiten. Ich hatte einen Autounfall? War ich deshalb hier? Im Krankenhaus? „Aber.. was.." murmelte ich leise und versuchte mich, trotz der nicht vorhandenen Gefühle in meinen Gliedmaßen ein wenig aufzurichten. Der mir noch immer so vertraut vorkommende Mann vor mir, legte jedoch eine Hand an meine Schulter und schob mich damit sanft zurück. „Bleib liegen, du musst dich ausruhen." Doch das gab mir keine Erklärung für all das, was er mir eben erzählt hatte. Was zur Hölle war passiert?

„Es hat dich ziemlich schwer erwischt, Elodie. Die Ärzte waren gezwungen, dich ins künstliche Koma zu legen. Sie hatten erst jetzt die Möglichkeit, dich zurückzuholen." „Warum.." hauchte ich leise, mit dem Versuch, dadurch noch mehr von ihm zu erfahren. All meine Erinnerungen drehten sich in diesem Augenblick vollkommen im Kreis. Welchen dieser Momente konnte ich überhaupt noch Glauben schenken? Was war wirklich passiert? Wie war all dies überhaupt möglich?

„Die Ärzte können dir darüber vermutlich mehr sagen als ich, tut mir leid. Sie sollten eigentlich gleich hier sein." Er griff vorsichtig nach meiner Hand und ich erwartete fast schon dieses besondere Gefühl, welches mich bei Lucifer, wie eine Welle übermannte. Doch diesmal blieb dieses Gefühl aus. Allerdings fiel mir bei einem Blick auf unsere Hände etwas anderes auf. „Was ist .. das?" gab ich leise und mit ein wenig Anstrengung von mir, woraufhin Lucifer, oder doch nur Luc, seinen Blick ebenfalls senkte und schließlich den Ärmel seiner Jacke ein wenig hochzog und darunter die restliche Hälfte des Tattoos sichtbar wurde, welches ich eben entdeckt hatte.

Ohne es genau ansehen zu müssen, hatte ich dort unverkennbar ein 'R' erkennen können. „Das steht für Raphael. Er hatte damals leider nicht so viel Glück wie du. Er war mein bester Freund und ich dachte, ich.. wäre ihm das irgendwie schuldig. Auch dass ich jetzt hier bin." Er machte eine raumumfassende Geste und blickte dann wieder mit einem leichten Lächeln zu mir. „Ich habe mich schuldig gefühlt, weil der Unfall direkt nach unserem Gespräch passiert ist. Vermutlich hätte Raph gewollt, dass ich dir ein wenig Gesellschaft leiste."

Dies war der Moment, in dem all mein vorheriges Wissen und all die Erlebnisse plötzlich wie ein Kartenhaus in sich zusammenfielen. Ich hatte das gesamte Jahr über im Koma gelegen? Welche Erinnerung entsprach überhaupt noch der Realität? „Amanda war auch einige Male hier, dein Hund war aber nur selten dabei. Tiere sind hier ja nicht so gerne gesehen." Er wirkte fast schon ein wenig geknickt, als hätte er das, was geschehen war, auch anders machen können. Doch meine Welt stand nun völlig auf dem Kopf, weshalb ich erstmal keinen weiteren Gedanken mehr an die Vergangenheit verschwenden wollte. In diesem Augenblick wollte ich nur an das Hier und Jetzt denken.

Denndieser Luc, der vor mir saß, entsprach zwar meinen bildlichen Vorstellungen vonLucifer, doch charakterlich waren sie nicht eindeutig die selbe Person. Erschien absolut andere Dinge erlebt zu haben, wie es in meinen Erinnerungen derFall gewesen war. Genau deshalb, sah ich keinen Grund darin, ihn mit meinenFragen zu bombardieren. Ich sollte froh darüber sein, dass er mir das ganzeJahr über Gesellschaft geleistet hatte, ohne genau zu wissen, wer icheigentlich war. „Danke, Luc. Dass du auf mich aufgepasst hast."

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Für alle, die das noch nicht ganz verstanden haben:

Im Kapitel 'Tee' fährt Elodie gegen Ende zurück nach Hause. In diesem Moment wäre der Geisterfahrer gekommen, der wird jedoch nicht erwähnt, weil sie sich nicht mehr daran erinnern kann. ;)

Der zweite Teil dieses Buches ist nun online, dort erfahrt ihr, wie es zu dieser plötzlichen Wendung gekommen ist. <3

LG eure Angel

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt