Verloren und Vergessen

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„Das hört sich schon fast so an, als wärst du der Meinung, dass Lucifer gar nicht so schlimm ist, wie du erst gesagt hast." Meinte ich leicht verwirrt, obwohl mich ihre Worte sehr berührt hatten. Auch wenn sie für andere vielleicht wie ein Monster wirken würde, besonders für die Engel, schien sie sogar ganz nett zu sein. Sie hatte ihre Familie aufgegeben und wurde dennoch nicht von allen hier als gutes Wesen akzeptiert. Genau wie bei mir. Vielleicht mochte ich Levia deshalb schon auf Anhieb. Sie passte in keine dieser beiden Welten hinein. Sie war ein Teil von beidem. Genau wie ich.

Sie wiegte ihren Kopf langsam hin und her. „Nunja, er ist mein Bruder. Das was er tut ist vielleicht nicht immer richtig. Okay .. er tut eigentlich nie das Richtige. Doch wir sind auch nur eine Familie und er hat sehr darunter gelitten dass ich gegangen bin, obwohl er mich für meine Entscheidung gehasst hat. Wir standen uns damals sehr nahe und er legt einen großen Wert darauf, dass wir als Familie zusammenhalten." Ich nickte verstehend. Er konnte sie also so sehr hassen wie er wollte, doch sie würde immer seine Schwester bleiben und in einer stärkeren Verbindung zu ihm stehen, als wir alle.

„Wie ist das mit Satan? Ich meine, ihn muss das doch ziemlich beunruhigen, dass Lucifer ihm einfach alles wegnehmen will.." meinte ich und sie nickte daraufhin. „Ich sage es mal so, hat er denn eine Wahl? Es war die Idee unseres Vaters und wenn Luc die Bedingung erfüllt, was wir alle natürlich nicht hoffen, hat Satan dort kein Mitspracherecht mehr. Er kann also nur warten und hoffen, dass das nicht passiert." Ich trank einen Schluck von diesem bezaubernd leckeren Bourbon und hörte ihr dabei weiter aufmerksam zu. Es war interessant, wie sich immer mehr Informationen in meinem Kopf sammelten, dort Zusammenhänge bildeten und ich diesen ganzen Engelkram langsam aber sicher zu verstehen schien.

„Erinnerst du dich an den Abend im Club, als Satan dort ein ziemlich unerfreuliches Zusammentreffen mit Lucifer hatte? Satan hat ..nicht solche bösen Absichten, was dich betrifft. Er versucht nur ebenfalls zu vermeiden, dass du in Lucifers Nähe kommst." An diesen Abend konnte ich mich zwar nicht mehr ganz erinnern, doch dieser Moment hatte sich in mir festgesetzt, wie eine lästige Klette. „Er hat also gewusst, dass Lucifer in der Nähe war und wollte lediglich darauf achten, dass er nichts anstellt?" fragte ich nach, woraufhin Levia mir zuzwinkerte. „Ich sagte ja, wir sind nicht ganz so böse, wie man vielleicht denkt."

„Nur hat haben Raphael und besonders Chamuel den beiden dann einen Strich durch die Rechnung gemacht." Levia versuchte sich ein Lachen zu verkneifen und trank aus dem Grund etwas von ihrem Bourbon. „Lucifer hat Satan's Plan zunichte gemacht und Chamuel den von Lucifer. Deshalb musste sich Lucifer benehmen. Auf Befehl von Chamuel." Umso länger wir sprachen, desto mehr Sinn ergab das alles. „Er konnte mir nichts tun, weil er Chamuel nichts von seinem Vorhaben verraten wollte." Ich schlug mir in Gedanken gegen die Stirn. Warum war ich nicht selbst darauf gekommen. Erst in Bali brannten bei ihm dann wohl doch die Sicherungen durch.

„Du hast es erfasst, Elodie. Gratuliere!" lachte Levia nun doch und schüttelte dann leicht den Kopf. „Es tut mir wirklich leid, dass du in dieses Durcheinander geraten bist. Das wäre schließlich alles nicht passiert, wenn ich mich nicht hätte entscheiden müssen. Dann hätte sich mein Vater diese dämliche Idee nicht ausged.." „Ist schon okay, Levia. Bis jetzt ist doch nichts äußerst Schlimmes passiert und ich lebe noch." Unterbrach ich sie mit einem leichten Lachen meinerseits und sie verstummte augenblicklich.

„Elodie, kann ich dich kurz sprechen?" ertönte plötzlich eine Stimme direkt hinter mir, genau in dem Moment als Levia etwas sagen wollte, die dann allerdings schwieg. Ich zuckte vor Schreck erst leicht zusammen, drehte mich dann aber zu der Person um, die mich angesprochen hatte. Es war Raphael, der sich direkt auf dem Weg in meine Richtung befand. Natürlich hatte er durch sein Rufen wieder einige Blicke der anderen Engel auf sich gezogen, die nun alle etwas missbilligend zu mir blickten. Vermutlich ahnten sie schon, dass nun eine ungemütliche Unterhaltung folgen würde. Zudem sah Raphael nicht sehr erfreut aus.

„Ich denke, ich geh dann mal." Sagte Levia leise neben mir und zog sich dann langsam in die Masse der vielen Engel zurück. Den Bourbon hatte sie aber glücklicherweise hier stehen lassen, vielleicht bemerkte Raphael ihn ja gar nicht erst. Als dieser bei mir ankam, blickte er ernst zu mir herunter und überlegte wohl, wie genau er seine Worte formulieren wollte. Etwas, dass eine gewisse Nervosität in mir hervorrief. „Es tut mir wirklich leid aber wir müssen jetzt gehen. Michael hat nicht vor mich wegen dieser Sache hier rauszuwerfen, besonders weil du hier wirklich sicherer bist als auf der Erde. Nur war er der Meinung, dass du nicht dein restliches Leben hier verbringe kannst. Also .. müssen wir jetzt gehen." Erklärte Raphael ein wenig unklar, aber noch so verständlich, dass ich heraushören  konnte, dass ich hier nun nicht mehr erwünscht war.

Ich konnte nur nicken, da griff Raphael bereits nach meiner Hand und zog mich einfach mit sich. Anscheinend aus dem Grund, dass ich mich nicht automatisch auf den Weg Richtung Ausgang machte. Wo auch immer sich dieser nun befinden sollte. Ich hatte mittlerweile schon vollkommen die Orientierung verloren. Immerhin hatte ich gerade so noch die Möglichkeit, nach der Bourbon-Flasche zu greifen und sie hinter meinem Rücken zu verstecken, während Raphael mich wieder durch die Menge führte.

Ich konnte wieder leises Getuschel um mich herum vernehmen und viele schienen erleichtert zu wirken, dass ich nun endlich wieder verschwand. Die Blicke dieser Engel zeigten es eindeutig. Zumindest die der meisten. Doch einige schenkten mir sogar ein Lächeln, so als wären sie erfreut über meinen Besuch gewesen. Ein wundersames Zusammentreffen in einer Welt, die nicht die meine war und auch wohl niemals die meine sein würde. Doch es war ein beruhigendes Gefühl, zu wissen, dass mich hier nicht jeder hasste und mich andere sogar sehr willkommen hießen.

„Träumst du?" riss mich die raue Stimme Raphaels aus meinen Gedanken und ich widmete meine Aufmerksamkeit direkt wieder ihm. Erst dann bemerkte ich die große Flügeltür hinter ihm, durch die wir diesen Saal betreten hatten. „Nein .. nein, alles gut." Meinte ich nur, dann öffneten sich bereits die Türen und Raphael zog mich mit einem leisen Seufzen weiter. Wenn er mich weiterhin so hinter sich herzog, würde das sicher Druckstellen auf meinem Handgelenk geben. Ich war doch kein kleines Kind und konnte auch ohne Probleme in einem angemessenen Tempo laufen.

„Kannst du mich bitte loslassen?" fragte ich deshalb und der blonde junge Mann blickte kurz in meine Richtung. Doch dann sagte er etwas, was ich nicht erwartet hätte. „Nein." Erst inmitten des weißen Raumes mit den hohen Wänden blieb er stehen, durch den wir diesen Ort betreten hatten. Doch selbst dann ließ er meine Hand nicht los, sondern griff sogar noch nach meiner anderen Hand. In dem Moment stoppte Raphael allerdings, als er die Flasche in meiner Hand bemerkte. „Ist das .." begann er und blickte mich dann mit einem Blick an, der seinen Satz wohl mit '..dein Ernst?' beenden sollte.

Ganz unschuldig zuckte ich mit den Schultern. „Hab ich gefunden." Versuchte ich direkt zu erklären, doch Raph rollte nur leicht mit den Augen, nahm mir die Flasche ab um sie auf den Boden zu stellen und griff dann endgültig nach meiner nun freien Hand. „Aber das .." fing nun ich meine Beschwerde an, doch sein Blick ließ mich direkt verstummen. Seine vorige gute Laune, hatte sich wohl nicht ganz so lange gehalten, wie gedacht. „Mach die Augen zu, Elodie."

Obwohl ich Befehle wie diese hasste und ich mich ihm nur zu gerne trotzig widersetzt hätte, schloss ich dennoch die Augen. Was passieren würde, wenn ich die Augen öffnete, wollte ich definitiv nicht herausfinden. Ich hatte eindeutig zu große Angst davor, dass wir uns plötzlich in der Luft befinden könnten und wortwörtlich vom Himmel fielen. Kurz darauf erfasste mich wieder dieses Gleichgewicht raubende Gefühl von Schwindel, was ich bereits bei der Ankunft hatte fühlen müssen.

Nurwenige Augenblicke später, konnte ich die bekannten Waldgeräusche um mich herumvernehmen. Doch zudem spürte ich auch eine ungeheure Last, die sich in mirausbreitete. Ein unangenehmes Gefühl von Druck, welches ich im Himmel ganzverloren und vergessen hatte. Ich fühlte mich hier auf dem Boden meinergeliebten Erde so unwohl wie schon lange nicht mehr. 

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt