Ein kleiner Scherz

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So kam es also, dass ich nur wenige Minuten später in eine weiche Decke eingekuschelt auf dem Sofa saß und eine heiße Schokolade in den Händen hielt. Im Normalfall wäre dies ein wirklich angenehmer Wintertag gewesen, genau so wie man ihn sich vorstellte. Nur mit dem Unterschied, dass ich weder die Wärme unter dieser Decke noch die der heißen Schokolade in meinen Händen wahrnehmen konnte. Als hätte alles davon ein und die selbe Temperatur. Amanda hatte sich wieder in die Küche zurückgezogen und war vermutlich dabei, ein zauberhaftes Essen für mich vorzubereiten. Das erkannte ich an dem ständig zu hörenden Scheppern, welches aus dieser Richtung kam.

Es störte mich kaum, dass sie das tat. Auch wenn der Gedanke daran, etwas zu essen, noch immer sehr suspekt und unangenehm war. Da ich jedoch den ganzen Tag und auch die Stunden davor nichts gegessen hatte, wusste ich, dass ich diese Nährstoffe vermutlich irgendwann brauchen würde. Ganz ohne Essen funktionierte das Alles schließlich auch nicht. Gerade als ich einen Schluck von der Schokolade in meinen Händen trinken wollte, hörte ich das Rasseln von Schlüsseln an der Haustür und ich stoppte augenblicklich. Ein verwirrendes Geräusch, wenn man bedachte, dass Amanda und ich die einzigen waren, die Zugang zu diesem Haus hatten. „Pünktlich auf die Minute." Hörte ich Amanda daraufhin aus der Küche trällern.

Nur einen kurzen Augenblick später öffnete sich die Tür bereits und ein junger Mann mit leuchtend blonden Haaren betrat das Haus. Dicht gefolgt von dem mir mehr als nur bekannten Husky, der schon seit einigen Jahren an meiner Seite war. „Du bist wahrhaftig ein Engel, Raphael. Vielen Dank!" Dass er hier war, wunderte mich kaum. Ich hätte mir direkt denken können, dass er es war. „Es war mir eine Ehre, Amanda." Antwortete er ihr, ehe er mich im Wohnzimmer sitzen sah und in meine Richtung trat. Tiago selbst war bereits nach seiner Ankunft direkt ins Wohnzimmer geflitzt und ließ sich nun genüsslich von mir hinter den Ohren kraulen.

„Lass mich raten, du hast nicht auf sein Einverständnis gewartet?" kam es leise, allerdings mit einem Schmunzeln von Raphael, ehe er sich neben mir auf dem Sofa niederließ. Ich schüttelte ertappt mit dem Kopf. „Ich gehöre dort nicht hin." Gab ich ehrlich als Antwort von mir. Trotz allem war ich noch ein Mensch. Ich wurde nicht dazu geboren, mein restlichen Leben in der Hölle zu verbringen. „Achja? Aufgrund deiner so liebenswürdigen Art hatte ich eigentlich gedacht, dass du sogar dort geboren wurdest." Ich konnte nur mit einem amüsierten Lachen darauf reagieren. „Ich bin wirklich froh, dass du wieder zurück bist, Arschloch." Nach einem kurzen Schulterzucken legte er mir einen Arm um die Schultern. „Ich muss dich leider darauf hinweisen, dass diese Wortwahl nicht gerade angemessen ist. Anweisung von oben." Meinte er mit einem breiten Grinsen, als Reaktion auf meine Aussage und es machte mich in diesem Moment nur noch glücklicher, ihn wieder an meiner Seite zu haben.

Während ich nun doch einen Schluck von meiner heißen Schokolade trank, gab Raphael Tiago ein Zeichen, woraufhin dieser zu uns aufs Sofa sprang und sich direkt auf den Rücken rollte, als würde er genau wissen, was Raphael gedacht hatte. „Du hast den Armen wirklich vernachlässigt." Gab Raphael von sich, während er den mehrfarbigen Hund am Bauch zu kraulen begann. Meine Aufmerksamkeit lag zu diesem Zeitpunkt allerdings ganz woanders. Denn die Tatsache, dass ich keinen Unterschied in der Temperatur wahrnehmen konnte, war wohl nicht das einzige, was sich seit meiner Rückkehr aus der Hölle verändert hatte. Denn so sehr ich heiße Schokolade in meiner Kindheit vergöttert hatte und es auch jetzt noch heimlich tat, schmeckte sie diesmal völlig anders. Nicht süß. Auch nicht bitter oder etwas dieser Art. Sie schmeckte einfach nach.. nichts.

„Alles okay?" fragte Raphael etwas leiser nach, als dieser wohl meinen regelrecht geschockten Blick bemerkt haben musste. Während ich langsam den Kopf schüttelte, richtete ich meinen Blick direkt auf ihn. „Ich glaube, irgendwas stimmt nicht mit mir.." Raphael begann zu nicken, als würde er genau wissen, wovon ich sprach, ohne dass ich ihm überhaupt etwas erzählen musste. „Du wirst dich daran gewöhnen müssen, Elli. Das ist der Nachteil, wenn man zur Teufelsfamilie gehört. Du hast sozusagen deine Seele an den Teufel verkauft." Ich hätte mich stundenlang darüber beschweren müssen, warum sowohl Luc und Zane, als auch Levia mir diese nicht gerade unwichtige Nebenwirkung verschwiegen hatten. Doch das war mir diese Mühe um ehrlich zu sein, nicht wert.

Aus diesem Grund wechselte ich einfach schlagartig das Thema, betrachtete die Tasse in meinen Händen daraufhin jedoch ein wenig nachdenklich. „Was ist mit dir, Raph? Wie hat das wundervolle Himmelreich auf deine Rückkehr reagiert?" „Das wundervolle Himmelreich?" Ich konnte ein kurzes Lachen aus seiner Richtung wahrnehmen. „Mir wurde ein neuer Schützling zugeteilt. So ein winziger Knirps, der die meiste Zeit des Tages mit Schlafen verbringt. Ich müsste eigentlich sagen, dass das wirklich ätzend ist, aber immerhin habe ich so die Möglichkeit, dir etwas Gesellschaft zu leisten." Erklärte er mir, woraufhin sich ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen bildete.

„Du und ein Baby also.. ich wusste gar nicht, dass du Vater wirst." Scherzte ich und wurde dafür augenblicklich mit einem Zwicken in den Nacken bestraft. „Au!" quietschte ich auf und konnte dabei von Glück reden, dass Amanda genau in dem Augenblick das Wohnzimmer betrat. „Du wirst Vater? Warum wusste ich nichts davon? Meinen Glückwunsch!" trällerte die nichtsahnende Frau, während sie einen Teller vor mir abstellte, dessen Gericht ich nicht einmal genau erkennen konnte. Es schien allerdings eine Art Auflauf zu sein. Während ich jedoch den Teller vor mir begutachtete, konnte ich hören, wie Raphael ein entrüstetes Schnauben von sich gab.

Selbst wenn mir das Essen keinen Geschmack in meinem Mund hinterließ, wusste ich dennoch, dass ich es brauchen würde. Ich griff also nach dem Teller und begann dieses auflaufähnliche Gericht in kleinen Stücken zu essen. Auch dieses Mal, wie bereits erwartet, schmeckte es absolut nach nichts. Ich konnte nicht einmal sagen, ob es im Normalfall vielleicht sogar hätte scharf sein sollen. „Wie lange wisst ihr es denn schon? Und noch wichtiger natürlich, wer ist die glückliche Dame, der ich gratulieren darf? Ist es Levia? Sie hat mir doch so gerne geholfen, während Elodie unterwegs war." Bei diesen Worten reagierte ich auf die einzige mögliche Art und Weise, wie man es im Zusammenhang mit meinen bisherigen Erfahrungen nur hätte tun können. Ich verschluckte mich augenblicklich an meinem Essen.

Amanda wechselte einen etwas verwunderten Blick zwischen uns und runzelte dann leicht die Stirn. „Sag bloß nicht, dass du.." Ich schüttelte fast schon im selben Augenblick den Kopf. Erst als ich wieder ordentlich zu Atem kam, antwortete ich: „Oh nein, ganz sicher nicht. Gott sei Dank." Wieder ein leichtes Zwicken von Raphael in meinen Nacken, was mich kurz zusammenzucken ließ. Noch einen kurzen Augenblick schien Amanda skeptisch zu bleiben, gab sich dann aber mit einem Nicken zufrieden und trat den Rückzug an. „Du solltest sie einmal mitbringen, Raphael. Ich würde sie nur zu gerne kennenlernen."

„Musste das sein?" fragte ich leise, sobald Amanda wieder außer Hörweite war und warf Raphael dabei einen bösen Blick zu. „ Ich wollte nur testen, ob du das auch wirklich noch fühlen kannst." Antwortete er mir ebenso leise, jedoch mit einem Grinsen auf den Lippen. „Du brauchst dem lieben Herrn dort oben gar nicht erst dafür danken, dass du nicht die Mutter dieses nichtexistenten Babys von uns bist." Ich verzog leicht das Gesicht. „Teufel sei Dank, klingt aber absolut dämlich." Beschwerte ich mich und Raphael begann nur zu lachen. Es würde wohl nie wieder so zwischen uns sein, wie es früher war. Doch immerhin wusste ich, dass Raphael auch zukünftig noch an meiner Seite sein würde. Selbst wenn er nun einen neuen Schützling hatte, um den er sich sorgen musste. Er war schließlich nicht nur mein ehemaliger Schutzengel, er war auch mein bester Freund.

„Was hat Madame denn für den Rest ihres Lebens geplant? Jetzt, da du frei wie ein Vogel bist." Fragte er mich nach einer Weile und ich zögerte mit meiner Antwort, bevor ich diese äußerte. Denn genau, hatte ich mir das noch nicht durch den Kopf gehen lassen. Ich wusste lediglich, dass es eine Chance war, Lucifer auch für längere Zeit aus dem Weg gehen zu können, selbst wenn er nach mir suchen würde. Es war eine Idee, die mir kurzfristig in den Sinn gekommen war, mit jeder Sekunde die ich darüber nachdachte, allerdings immer genialer zu wirken schien. Wie Raphael darauf reagieren würde, wusste ich natürlich nicht. Doch ich war mir absolut sicher, dass Lucifer damit ein deutliches Problem haben würde. „Vielleicht sollte ich umziehen." Gab ich also schließlich als Antwort von mir und ich konnte förmlich sehen, wie der amüsierte Blick aus Raphaels Gesichtsausdruck verschwand. „Das ist doch hoffentlich ein Scherz.."

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt