Nur ein Mensch

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Es fühlte sich anders an. Diese Umarmung. Dennoch freute ich mich zu sehr darüber, Raphael zu sehen, dass mir das in diesem Moment egal war. Niemals hätte ich gedacht, dass es möglich war, ihn zurückzuholen. Besonders nicht, dass diese Entscheidung von Lucifer höchstpersönlich kam. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht." Hörte ich den blonden Mann vor mir sagen, ehe er sich aus der Umarmung löste und mir seine blauen Augen wie Saphire entgegenstachen. So klar und rein, dass sie schon fast falsch an einem Ort wie diesem wirkten. „Vermutlich sollte ich dich dafür hassen, aber.. dieses Rot steht dir wirklich gut"

Dadurch machte er mir erst bewusst, was genau sich verändert hatte. Ich war nicht nur zur Königin gekrönt worden, ich war nun auch ein Teil der Teufelsfamilie. Einschließlich dieser roten Augen. Sobald ich die Möglichkeit dazu bekam, musste ich mir das unbedingt in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. „Ich danke dir, Lucifer." Meinte Raphael nun, mit einem kurzen Nicken zu Lucifer. Auch ich richtete meinen Blick nun zu ihm und konnte ein Schmunzeln auf den Lippen des Teufels erkennen. „Du solltest Elodie danken, Raphael. Die erste Handlung des neuen Teufels, sollte eigentlich nicht die sein, die des Letzten rückgängig zu machen."

Ich konnte nicht verhindern, dass mir ein Lachen herausrutschte. Eigentlich war es nicht möglich, Raphael in dieser Umgebung sehen zu können. Dennoch war es der Fall. Ich konnte gar nicht beschreiben, wie froh ich darüber war, ihn zu sehen. Auch wenn es sich nicht mehr so anfühlte wie zuvor, wenn er in meiner Nähe war. „Du kannst aber nicht lange bleiben, Raph. Das hier ist kein Ort für dich." Ergänzte Lucifer noch und es folgte ein erleichtertes Seufzen von Raphael. „Gott sei Dank, hier ist es wirklich grauenhaft." Raphael war schon immer ziemlich direkt gewesen, auch wenn das einer der Punkte war, durch die sich Lucifer und er immer wieder in Streit verfingen.

„Es tut mir leid Elli, aber wenn er länger bleibt, wird es ihm noch schlimmer ergehen als dir damals." Ich hatte ganz vergessen, dass es als Engel nicht gerade typisch war, sich in der Hölle aufzuhalten. Selbst wenn das hier nicht das Höllenfeuer war, angenehm war es dennoch nicht. Da wusste ich ganz genau, was im Augenblick in ihm vorgehen musste. Raphael blickte zwar ein wenig verwundert zu Lucifer, als dieser meinen Spitznamen nannte, richtete seine Aufmerksamkeit dann aber wieder mit einem Nicken zu mir. „Er hat Recht. Es gibt da noch Einiges, was ich jetzt klären muss aber wir werden uns wiedersehen, das verspreche ich dir."

Ich wollte ihn nicht einfach wieder gehen lassen, doch ich wusste, dass es das Richtige war. „Pass auf dich auf, Elli und lass dir von diesem Wichtigtuer nichts verbieten." Nur ein kurzes Zwinkern nahm ich noch von ihm war, ehe er sich direkt vor mir einfach in Luft auflöste. Von einer auf die andere Sekunde wirkte alles so, als wären die letzten Minuten überhaupt nicht geschehen. Als wäre all das nur ein Traum gewesen und Raphael wäre noch immer in diesem grauenvollen Loch gefangen. „Ihr werdet euch wiedersehen, wenn du Zuhause bist." Kam es von Lucifer, der sich mir nun wieder näherte.

„Ich weiß, wie wichtig er dir ist, Elodie. Du solltest Zuhause nicht alleine sein." Dass Amanda und Tiago auch noch regelmäßig bei mir sein würden, wusste er bestimmt. Ich freute mich aber dennoch darüber, dass er ihn zurück gebracht hatte. Nicht aus dem Grund, weil er einen Nutzen daraus hatte. Sondern nur deshalb, weil es mein Wunsch gewesen war. Obwohl es so absurd war, konnte ich mich dennoch nicht davon abhalten meine Arme um Lucifer zu legen und ihn zu umarmen. Augenblicklich erfasste mich eine angenehme Wärme, die meinen ganzen Körper zu durchfluten schien und mein Inneres innerhalb weniger Sekunden wieder zur Ruhe kommen ließ. Nur einen winzigen Augenblick später, spürte ich wie Lucifer auch seine Arme um mich legte und diese Umarmung dadurch erwiderte.

Noch nie in der ganzen Zeit, die wir uns bisher kannten, waren wir uns absichtlich so nahe gewesen. Nicht einmal bei dem Shooting, welches mittlerweile schon einige Monate zurücklag. Und wieder einmal verwunderte es mich, wie angenehm ich es doch fand, obwohl ich es doch gar nicht so empfinden wollte. Seit wir uns kannten, hatte er mich genau so behandelt, wie man es eigentlich nicht hätte tun sollen. Doch an irgendeinem Punkt hatte sich etwas verändert. Ich wusste nicht genau was der ausschlaggebende Punkt dafür gewesen war, doch es störte mich nicht mehr, ihn in meiner Nähe zu haben.

„Du solltest dich ein wenig ausruhen." Hörte ich Lucifer leise murmeln, ehe e langsam wieder seine Arme von mir löste. Was ich als Anlass nahm, dies ebenfalls zu tun, doch ich hob meinen Kopf etwas, um ihn ansehen zu können, wodurch mein Blick den seinen traf. Rot traf auf Rot, als wäre es schon immer so bestimmt gewesen. „Ich muss noch etwas erledigen.. findest du den Weg allein zu deinem Zimmer?" fragte er mich, während ein Schmunzeln auf seine Lippen trat. „Ich denke schon." Ich erwiderte dieses Schmunzeln mit einem leichten Lächeln und trat einen Schritt zurück. Wenn wir uns noch länger so nahe waren, würde es seltsam werden.

„Du weißt ja, wo du mich finden kannst, wenn du etwas brauchst." Ich nickte bestätigend. Aus irgendeinem Grund wusste ich, wo genau er sich befinden würde, falls ich seine Hilfe brauchte. Nur einen kurzen Augenblick war sein Blick noch auf mich gerichtet, bis er sich wie Luft vor mir auflöste. Er ließ mich allein hier zurück, doch es störte mich nicht im Geringsten. In den letzten Minuten war so viel geschehen, dass ich erstmal einen Moment brauchen würde, um all das verarbeiten zu können. Denn all diese Ereignisse kamen wir noch immer so unwirklich vor, als hätten sie gar nicht erst stattgefunden.

So trat ich also mit ruhigen Schritten meinen Weg zu meinem bzw. Levias ehemaligen Zimmer an. Der Weg dorthin fiel mir seltsamerweise überhaupt nicht schwer. Unterbewusst wusste ich ganz genau, welchen Weg ich einschlagen musste, um zu meinem Ziel zu kommen. Als hätte ich eine Karte des gesamten Ortes in meinem Kopf gespeichert. Nur konnte ich sie mir nicht bildlich vor Augen führen. Es gab mir allerdings die Möglichkeit, all die Moment Revue passieren zu lassen, die ich an dem heutigen Tag erlebt hatte. Alle davon verbunden mit diesem grausamen Ort, der mir nun aber ein wenig freundlicher vorkam, als zuvor. Als wäre diese Last auf meinen Schultern, die ich ständig mit mir herumtrug, nicht mehr ganz so schwer.

Die Gänge kamen mir seltsam vertraut vor, obwohl ich mir sicher war, manche von diesen noch nie betreten zu haben. Ein irritierendes Gefühl. Doch die Erleichterung war größer, als ich endlich Levias Zimmertür vor meinen Augen entdeckte. Es als mein eigenes Zimmer zu bezeichnen, fühlte sich falsch an. Schließlich war ich nur ein Gast an diesem Ort. Es war Levias rechtmäßiges Zuhause und selbst wenn sie nie wieder hierher zurückkommen würde, war es dennoch ihr Zimmer. Auch ich würde bald nicht mehr hier sein. Doch noch wusste ich nicht, was mir noch bevor stand, bevor ich all das hier abschließen konnte.

Ich öffnete die Tür und betrat den Raum, der mich bereits mit seinen freundlichen Farben empfing, wie einen alten Freund. Anschließend schloss ich die Tür wieder hinter mir und sah mich einen Moment in dem Zimmer um. Das erste was mir auffiel, war etwas Rotes, was sich auf dem Bett befand. Nichts lebendiges, was mir beim Näherkommen deutlich wurde. Es handelte sich um meinen roten Pyjama, den ich Zuhause so gerne trug. Es gab nicht viele Personen, die mir diesen hätten bringen können und der Gedanke daran brachte mich zum Lächeln.

Doch bereits im selben Moment ermahnte ich mich selbst und das Lächeln verschwand wieder aus meinem Gesicht. Es war nur ein weiterer Versuch, mich zum Bleiben zu überreden, da war ich mir sicher. Doch mein Entschluss stand fest. Sobald ich wusste, dass hier alles Notwendige erledigt war, würde ich nach Hause zurückkehren. Nach einem kurzen Seufzen beschloss ich dann aber doch, dieses Kleid, gegen den deutlich gemütlicheren Pyjama einzutauschen.

Ich war nun also wirklichdie Königin der Hölle. So seltsam das auch klang, es stimmte. Vollkommen realund wahrhaftig. Doch es fühlte sich nicht danach an. Die Wesen an diesem Orthatten nun keine andere Wahl, als sich meinem Willen zu beugen. Dennoch kam es mir so vor, als wäre ich noch immer eine von Ihnen. So klein undunbedeutend, wie ich es schon immer gewesen war. Das waren die Gedanken, diedieser Ort langsam wieder in mir heraufbeschwor. Etwas, wogegen ich keine Machthatte. Denn obwohl ich nun Königin und zugleich ein Teil der Teufelsfamiliewar, mit Möglichkeiten, die ich mir vorher nicht einmal hätte vorstellenkönnen, war ich im Inneren noch immer ein Mensch. Ein Mensch, dessen Gedankenund Handeln nicht von diesem Ort verschont bleiben würden. 

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt